Studie „Inklusives Altern“ präsentiert

Es wurde von der Lebenshilfen Soziale Dienste GmbH gemeinsam mit der Lebenshilfe Österreich eine Studie zum Thema „Inklusives Altern“ in Auftrag gegeben. Knapp die Hälfte der Menschen, die in Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe betreut werden, sind mittlerweile älter als 50 Jahre – Tendenz steigend. Ihre individuellen Bedürfnisse sind nicht strukturell oder systemisch festgelegt. Bei Personen mit lebensandauernder intellektueller Behinderung spricht man daher oft von „unsichtbarem Altern".

Deckblatt: Studie Inklusives Altern
Lebenshilfen Soziale Dienste GmbH

Die Studie „Inklusives Altern“ wurde am 7. November 2022 online über Zoom einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Das Ziel der Studie war es, einen ganzheitlichen Einblick in die Lebenssituation sowie Unterstützung und Begleitung von älteren und alten Menschen mit intellektueller Behinderung und mit hohem Unterstützungsbedarf zu geben.

Die Zielgruppen sind ältere und alte Menschen mit intellektueller Behinderung bzw. mit hohem Unterstützungsbedarf. Es wurde nicht nur die Unterstützungssituation auf Einrichtungsebene erhoben, sondern auch die subjektiven Sichtweisen der Zielgruppe selbst.

Wie wurden die Daten erhoben?

Es wurde eine Grundlagenrecherche zu gesetzlichen Regelungen und strukturellen Rahmenbedingungen in Hinblick auf die Unterstützung und Pflege der Zielgruppe bundesweit und in den einzelnen Bundesländern durchgeführt.

Außerdem wurden Expert*inneninterviews gemacht und nach der Einschätzung von herausfordernden und gelingenden Faktoren bei der Begleitung und Betreuung von älteren Menschen mit lebensandauernder intellektueller Behinderung und hohem Unterstützungsbedarf gefragt.

Zusätzlich gab es eine österreichweite Fragebogenerhebung mit Trägern und Einrichtungen der Behindertenhilfe und Altenpflege zur gegenwärtigen Unterstützungssituation und Fokusgruppen mit Selbst- und Interessenvertreter*innen in ganz Österreich.

Zuletzt wurden qualitative leitfadengestützte Interviews mit älteren Menschen mit lebensandauernder intellektueller Behinderung und hohem Unterstützungsbedarf, die in Institutionen leben, durchgeführt.

Was waren die Ergebnisse?

Es hat sich gezeigt, dass die gesetzlichen Regelungen nach wie vor Zuschreibungen schaffen, die sich am medizinischen und nicht am sozialen oder menschenrechtlichen Modell von Behinderung orientieren.

Ein weiteres Ergebnis ist eine starke Kompetenz-Diskrepanz zwischen Bund und Bundesländern. Die Unterschiede in den neun verschiedenen Sozialgesetzen betreffen Inhalte und Qualität der Leistungen z.B. für deren Nutzung.

Oft ist eine Überforderung der Anspruchsberechtigten bemerkbar. Das kann dazu führen, dass Leistungen nicht abgerufen werden.

Es hat sich zudem herausgestellt, dass zu wenige flexible Dienstleistungen und Angebote, wie z.B. strukturell verankerte Übergangsangebote in Tagesstrukturen für alte Menschen mit intellektuellen Behinderungen oder einem erhöhten Pflegebedarf existieren. Es herrscht ein bundesweiter Mangel im Bereich der (mobilen) Pflege und an alternativen Wohnformaten.

Die Altersbegrenzung für die Beantragung der Persönlichen Assistenz im Beruf, aber auch im Privatbereich geht nur bis zum 65. Lebensjahr, was dazu führt, dass Bezieher:innen noch weiter von der Familie abhängig gemacht werden.

Besonders kritisch ist die Lage von alten Menschen mit intellektuellen Behinderungen und hohem Unterstützungsbedarf, weil viele auf ihre Pension nicht zugreifen können. Das geringe Einkommen besteht dann aus Sozialhilfeleistungen, etwa Mindestsicherung oder Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension, das mit einer Ausgleichszahlung ergänzt werde.

Betroffenen ist es nicht möglich, ein zusätzliches Einkommen zu haben, was die Abwärtsspirale weiter verstärkt.

Das Problem mit der Kompetenzverteilung und Datenlage bei Arbeit und Beschäftigung 

Das Arbeitsrecht und die Sozialversicherung sind in Verantwortung des Bundes, die „Tagesstruktur“ oder „Tageswerkstätte“ fällt jedoch in die Kompetenz der Länder, was den Übergang von der Beschäftigung in den Arbeitsmarkt deutlich erschwert.

Die Forderung nach Umwandlung des Taschengeldes in ein Gehalt mit sozialrechtlicher Absicherung wurde ebenfalls noch nicht umgesetzt.

Nachlässigkeiten konnten auch hinsichtlich des Diskriminierungsschutzes von älteren/alten Menschen mit intellektuellen Behinderungen und/oder hohem Unterstützungsbedarf festgestellt werden.

Das Zusammenwirken von verschiedenen Faktoren wie Behinderung, Alter und Geschlecht wird nicht ausreichend berücksichtigt und individuelle Lebensrealitäten ignoriert.

Was wird von der Politik für Menschen mit Behinderungen gefordert?

Forderungen kommen schon seit Jahren aus den Reihen der Zivilgesellschaft, den Interessenvertretungen und Einrichtungen der Behindertenhilfe. Forderungen seien u.a. die Einrichtung eines Inklusionsfonds zur Finanzierung von Maßnahmen an der Schnittstelle von Bundes- und Länderkompetenz und bundeseinheitliche Qualitätsregeln für die Behindertenhilfe.

Zentrale Handlungsempfehlungen

Die Handlungsempfehlungen konzentrieren sich auf die Ebenen Politik und Gesellschaft – Institution und Individuum. Es sollten strukturelle Änderungen in der Politik, aber auch in einrichtungsbezogener Hinsicht passieren.

Das primäre Ziel in beiden Verantwortungsbereichen sollte sein, das Handeln am sozialen und menschenrechtlichen Modell von Behinderung auszurichten.

Gesetzliche Regelungen müssen vereinheitlicht und der Mensch als Individuum betrachtet werden. Es soll auch die Notwendigkeit für einheitliche Qualitätsstandards in der Behindertenhilfe und Altenpflege und bundesweit Persönliche Assistenz für alle Lebensbereiche sowie Persönliches Budget ernst genommen und endlich eingeführt werden.

De-Institutionalisierung mit Sozialraumorientierung und Ausbau von gemeindenahem und unabhängigem Wohnen stand ebenso im Mittelpunkt. Früherkennung und inklusiver Umgang mit demenziellen Erkrankungen wurde auch gefordert.

Es soll in Einrichtungen der Behindertenhilfe personenzentriert gearbeitet werden. Partizipationsmöglichkeiten am Leben innerhalb der Einrichtung, aber vor allem außerhalb des Wohnbereiches müssten erweitert werden.

Ganzheitliche Betreuung und Unterstützung auch im (hohen) Alter erfordert eine Gewährleistung eines multiprofessionellen Teams und Netzwerkwerke mit externen Dienstleister:innen.

Dem Personalmangel entgegenwirken und mehr inklusiven Raum schaffen

Um Anreize für Personal in der Behindertenhilfe und der Altenpflege zu schaffen, braucht es adäquatere Arbeitsbedingungen und eine höhere Entlohnung bzw. mehr Aus- und Fortbildungsplätze für qualifiziertes Personal.

Auf gesellschaftlicher Ebene sollten z.B. gemeindenahe, inklusive Wohnformen gefördert werden und auf lokaler und nationaler Ebene sollte es Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen und -initiativen zum Abbau von Vorurteilen geben.

Auch auf individueller Ebene brauche es mehr Aufklärungsarbeit in Form von Kursen, Workshops und barrierefreie Informationen. Es sollen Räume für Teilhabe, aber auch Rückzugsorte geschaffen werden.

Studie „Inklusives Altern“

Hier kann man die Präsentation der Studie „Inklusives Altern“ am 7. November 2022 nachsehen. Studie „Inklusives Altern“.

Siehe auch Artikel: ÖBR

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Ein Kommentar

  • In Korneuburg haben wir am Mittwoch einen Vortrag von Prof. Moser (Fh St.Pölten) und ich würde gerne ihre Broschüre oder Unterlagen zu Vortrag mitnehmen? Darf ich Sie um Info bitten?
    Elisabeth Pfennigbauer
    Bürgerbeteiligung Korneuburg
    Lebensbereich Gesundheit und Soziales
    Tel. 0660 5109720
    2100 Korneuburg