Tag der Menschenrechte: Monitoringausschuss fordert Inklusion von Menschen mit Behinderungen

Vor 70 Jahren wurde die Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verkündet. Die Lebensrealitäten von Menschen mit Behinderungen entsprechen noch immer nicht ihren Rechten

MonitoringAusschuss.at Unabhängiger Monitoringausschuss zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Monitoringausschuss

Menschen mit Behinderungen waren in der Deklaration nicht erwähnt. Erst die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) bezog die bestehenden Menschenrechte auch explizit auf Menschen mit Behinderungen.

Seit ihrer Verabschiedung im Jahr 2006 ratifizierten 177 Nationen die UN-BRK – Österreich vor zehn Jahren unter Erfüllungsvorbehalt. Das Ziel, die konsequente Umsetzung der formulierten Rechte von Menschen mit Behinderungen, liegt damit immer noch in weiter Ferne. 

Über 1,4 Millionen Menschen der österreichischen Gesamtbevölkerung haben Behinderungen. „Themen, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, sind also keine Randgruppenthemen. Dennoch werden sie kaum öffentlich wahrgenommen“, stellt Christine Steger, Vorsitzende des Unabhängigen Monitoringausschusses, fest.

Auch 10 Jahre nach der Unterzeichnung der Konvention herrscht in Österreich oftmals ein defizitorientiertes Verständnis von Behinderungen, das die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Teilen des Lebens blockiert. 

Menschen mit Behinderungen sind in den Wirkungsbereichen von Politik, Wirtschaft und Medien stark unterrepräsentiert. Auch der umfassende Zugang zu Bildung und Arbeit ist nicht gegeben. Die Arbeitslosenrate, die seit 10 Jahren nicht mehr so hoch war, ist höchst alarmierend.

Die Zahl der arbeitsuchenden Menschen mit Behinderungen ist zwar gesunken, wobei als Ursache die allgemeine Entwicklung des Arbeitsmarktes auszumachen ist, von der Menschen mit Behinderungen kaum profitieren: „Viele Menschen mit Behinderungen haben nicht einmal in der Theorie Zugang zum Arbeitsmarkt, da sie bereits als ,arbeitsunfähig‘ klassifiziert wurden. Das widerspricht ganz klar den formulierten Rechten der UN-BRK.“, weiß Steger.

Insbesondere Menschen mit Lernschwierigkeiten würden strukturell von ihrem Recht auf Bildung und sozialversicherter Arbeit ausgeschlossen werden.

Die Partizipation von Menschen mit Behinderungen ist bei Gesetzgebungsprozessen nur sporadisch gegeben. Der Grundsatz der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung – „nichts über uns, ohne uns“ – wird bis heute nicht flächendeckend anerkannt.

„Menschen mit Behinderungen steht Rechtssicherheit zu. Die Postleitzahl darf nicht über die Lebensqualität entscheiden oder darüber, wie gut der Zugang zu Menschenrechten ist. Überall in Österreich sind Voraussetzungen zu schaffen, unter denen Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben führen können“, so Steger.

Um vollständige Inklusion zu erreichen, müsse auch die Regierung ihre Aufgabe der Bewusstseinsbildung für die Lebensrealitäten und Rechte von Menschen mit Behinderungen wahrnehmen.

Spendenaktionen wie „Licht ins Dunkel“, die Menschen mit Behinderungen als bedürftige Almosenempfänger*innen darstellen, dominieren die öffentliche Wahrnehmung.

„,Licht ins Dunkel‘ vermittelt Bilder, die uns zeigen, dass es nach wie vor kein Verständnis für Menschen mit Behinderungen als Träger*innen von Rechten gibt“, betont Steger. „Menschen mit Behinderungen fragen und ihnen dann auch zuhören, sie einbeziehen, sie anstellen, sie versichern und bezahlen: Das wären erste Schritte zu einem umfassenden Verständnis von Menschen mit Behinderungen als Träger*innen von Rechten.“

Der Monitoring-Ausschuss ist ein unabhängiger Ausschuss, der die Einhaltung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen durch die öffentliche Verwaltung überwacht. Er bezieht sich dabei auf die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

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3 Kommentare

  • Ich stimme Frau Christine Steger in allen Punkten zu, doch was nützen uns die schönen verständnisvollen Worte, wenn Inklusionsbemühte nach wie vor von keiner Stelle Unterstützung erhalten und völlig im Stich gelassen werden.
    Wenn man Glück hat, trifft man vielleicht einen dafür offenen Menschen, doch das ist reine Glückssache! Alles ist vom Willen meistens solcher abhängig, die keine Ahnung haben, wie es sich anfühlt, wenn man fast überall ausgeschlossen wird! Es ist untragbar, wie wenig Möglichkeiten und Chancen es von politischer Seite gibt, dass sich intellektuell beeinträchtigte Menschen nach Schulabschluss, fort- und weiterbilden dürfen und auch kulturell partizipieren dürfen!

    Da muss dringend flächendeckend etwas installiert werden!

    Auch wenn die Politik dazu keine Ideen hat, sollte sie wenigstens die Ideen und Bemühungen, die aus dem Volk kommen, unterstützen oder eine Anlaufstelle für solche errichten!

    Es können ja nicht alle in die Stadt auswandern!

    Gäbe es die Schulpflicht nicht hätte meine behinderte Schwester vielleicht gar nicht lesen und schreiben lernen dürfen!

  • Wie sollen behinderte Menschen in der Gesellschaft wahr genommen werden, wenn sie nach wie vor in Einrichtungen “ fest gehalten“ werden?
    Ich kenne keine Menschen aus Einrichtungen, die öffentliche kulturelle Veranstaltungen besuchen oder sich selbst bestimmt unter das Volk mischen dürfen.
    Die müssen brav die Einrichtungsinternen Angebote nützen, sofern es solche überhaupt gibt!
    Ein Hinausgehen in die Gesellschaft wird von den Einrichtungen unterbunden, wo es nur geht!

    Meilenweit weg von Selbstbestimmung!

    Hier herrscht große Angst von Seiten der Einrichtungen!

    Woher diese wohl kommen mag?

  • Zum Thema Inklusion möchte ich als Schwester einer Frau mit Down Syndrom einige Erfahrungen schildern:
    Vor etlichen Jahren wollte meine behinderte Schwester in der öffentlichen Musikschule das Klavier spielen lernen. Die Antwort des Musikschuldirektors: “ Wos wullns denn aus der ausahulln?“

    Wir suchten uns eine Privatlehrerin, die ins Haus kam.
    Heute spielt meine Schwester alle Lieder nach Noten und verfügt über ein enormes Repertoire, das sie zum Besten geben kann. Sie liebt ihr Instrument!

    Oder, heuer im Herbst wollte meine Schwester, die des Lesens und Schreiben bestens kundig ist, bei einer öffentlichen Schreibwerkstatt in einer Bibliothek mitmachen.

    Sie wurde wegen ihrer Behinderung nicht aufgenommen. Sie durfte nicht einmal schnuppern, und sich ausprobieren!

    Ein positives Beispiel: Meine Schwester wollte bei der Kinder- und Jugendvolkstanzgruppe mitmachen, weil Tanzen ihre Leidenschaft ist. Es funktioniert super! Sie ist die einzig intellektuell beeinträchtigte Frau, weit und breit, die bei so etwas mitmacht! Wir kämpfen jedoch ums Überleben, da es leider noch viele Leute gibt, die Vorbehalte dagegen haben! Bei den öffentlichen Auftritten gab es für sie aus dem Publikum nur positive Reaktionen! Wir hoffen, dass es weiterhin gut geht und sie nicht eines Tages hinausgemobbt wird! Anzeichen dafür gab es schon.

    Leider ist Inklusion hier in Österreich nach wie vor ein ständiger Kampf, der geführt werden muss und man dafür viel einstecken muss!

    Meine Schwester wollte in der Musikschule bei einem Kinder- und Jugendchor mitsingen, doch sie wurde, da sie schon erwachsen ist, nicht aufgenommen.

    Eine Gesangslehrerin wäre sogar bereit gewesen, einen Chor für intellektuell beeinträchtigte Menschen zu gründen, doch es scheiterte an der Verwaltung, da nur Leute aus der eigenen Gemeinde aufgenommen werden und nicht aus Nachbargemeinden, wo es dieses einmalige Angebot nicht gab.

    So ist zum Leidwesen der Interessierten wieder alles eingeschlafen.

    Wie gesagt, Inklusion ist ein täglicher Kampf, vor allem für jene, denen nach wie vor nicht dieselbe Chance gegeben wird, am Kultur- und Arbeitsleben teilhaben zu dürfen.

    Dabei wäre alles so einfach! Warum macht man nach wie vor eine solche Staatsaffäre daraus?