Das Justizministerium nutzte den Spielraum, den die Richtlinie einräumt, nur teilweise aus und war dabei, eine Chance der Gleichstellung behinderter Menschen im Zugang zu Informationen nur unzureichend zu nutzen.
Durch den jüngst zur Begutachtung versandten Entwurf der Urheberrechtsgesetz-Novelle 2002 sollte die Informations-Richtlinie der EU, 29/2001/EG, umgesetzt und damit auch eine Bestimmung betreffend freie Werknutzungen für behinderte Menschen übernommen werden.
Auf Grund einer Initiative der Urheberrechts-Plattform – einem Zusammenschluß von Interessenvertretungen behinderter Menschen und ExpertInnen in Sachen Urheberrecht – unterstützte die Behindertensprecherin der SPÖ, Mag. Christine Lapp, mit ihrer schriftlichen parlamentarischen Anfrage vom 19. September 2002 zur Problematik der freien Werknutzung für behinderte Menschen und der doppelten Vergütungspflicht in der UrhG-Novelle 2002 die Forderungen der Urheberrechs-Plattform.
Nun kam endlich die mit Spannung erwartete Beantwortung durch Justizminister Dr. Dieter Böhmdorfer (FPÖ). Doch leider zeichnet sich nur ein Teilerfolg ab.
Insbesondere in der Frage der freien Werknutzung, also Vervielfältigung (v.a. Konvertierung in für behinderte Menschen zugängliche Formate) und Verbreitung, lenkte Dr. Böhmdorfer ein:
„In Hinblick auf die im Begutachtungsverfahren von Interessenvertretungen behinderter Menschen vorgebrachten Bedenken gegen ein Abstellen auf die ’sinnliche Wahrnehmbarkeit‘ und den Umstand, daß zwischenzeitig auch in § 45a des deutschen Urheberrechtsgesetzes in der Fassung der deutschen Regierungsvorlage auf das Kriterium der mangelnden ‚Zugänglichkeit‘ abgestellt wurde, wird ein Anknüpfen an dieses Kriterium auch für das österreichische Recht zu erwägen sein, zumal die Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens insgesamt die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer eigenen freien Werknutzung für behinderte Menschen bestätigen.“
Nun, damit wäre zumindest gewährleistet, daß behinderte Menschen, die ein Werk zwar sinnlich wahrnehmen – etwa lesen – aber mit einem Buch nicht hantieren können, nicht von der neuen freien Werknutzung für behinderte Menschen nach § 42e UrhG in der Fassung des Entwurfes UrhG-Nov 2002 ausgeschlossen werden.
Doch hinsichtlich der „doppelten Vergütungspflicht“ behinderter Menschen, die einerseits das für sie nicht verwendbare Werk ankaufen und dann nochmals für die Digitalisierung und die Konvertierung in ein für sie verwendbares Format zahlen müssen, zeichnet sich kein Einlenken des Justizministers ab:
„Die vorgeschlagene Vergütungspflicht stellt somit weder eine Benachteiligung behinderter Menschen noch eine ‚doppelte Entgeltlichkeit‘, sondern einen – vor dem Hintergrund des in Art. 5 Abs. 5 Info-RL normierten ‚Drei-Stufen-Tests‘ auch gebotenen – Ausgleich für die mit der freien Werknutzung dem Urheber entzogenen Verbotsrechte dar. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß das mit der freien Werknutzung verfolgte Anliegen nicht mit einer Kompensation zugunsten behinderter Menschen begründet werden kann, zumal vom Rechteinhaber nicht generell verlangt werden kann, Sonderopfer für Behinderte zu bringen.
Außerdem könnten allzu weitreichende Ausnahmen die Anreiz- und Verteilungsfunktion des Urheberrechts für behinderte Menschen beeinträchtigen und eine allenfalls funktionierende kommerzielle Produktion von Werken in für Behinderte zugänglichen Formaten erschweren oder gar verhindern.“
Obwohl die Urheberrechts-Plattform mehrfach betonte, daß es keine funktionierende kommerzielle Produktion von Werken für behinderte Menschen gibt – genau aus diesem Grund ist die freie Werknutzung die rechtliche Basis schlechthin, um einen gleichberechtigten Zugang zu Information sicherzustellen – blieben die Argumente der Urheberrechts-Plattform, die sich in der parlamentarischen Anfrage der Behindertensprecherin der SPÖ, Mag. Christine Lapp wiederfinden, ungehört.
Daher nur – aber immerhin – ein Teilerfolg in Sachen Urheberrecht.