In einer bewusst provokanten Kampagne setzt sich die Lebenshilfe Tirol mit dem Thema "Pränataldiagnostik" auseinander. Die Art der Umsetzung stößt auf massive Kritik.
„In dieser reizüberflutenden Welt ist es einfach notwendig, mit einem provokanten Plakat an die Öffentlichkeit zu treten“, erläutert Helmut Rochelt, Geschäftsführer der Lebenshilfe Tirol, die umstrittene Kampagne.
Auf einem Plakat ist eine Frau mit einem Ultraschallbild in der Hand zu sehen. Sie blickt traurig und macht einen verweinten Eindruck. Darüber steht der Text „Ungeboren“ sowie „Zum Tode verurteilt?“ und „Ich war mit der Diagnose allein“. 200 dieser Bilder sollen tirolweit plakatiert werden.
„Nach den der Lebenshilfe vorliegenden Informationen kommen in Tirol etwa 90 Prozent der Kinder mit einer pränatalen Diagnose ‚Behinderung‘ nicht zur Welt. Exaktes Zahlenmaterial zur tatsächlichen Tiroler Situation liegt leider nicht vor bzw. ist zumindest nicht öffentlich zugänglich“, ist der Homepage der Lebenshilfe Tirol zu entnehmen und daher wolle man „öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema erzeugen“. Weiters wird die Einrichtung von Begleit- und Beratungsstellen für werdende Eltern, die mit der Diagnose „Kind mit Behinderung“ konfrontiert sind, gefordert.
Reaktionen aus Tirol: „wenig hilfreich“ und „nicht angebracht“
„Gerade bei einem derart sensiblen Frauen-Thema ist eine differenzierte und sorgfältig geführte Diskussion unbedingt notwendig“, plädiert Uschi Schwarzl, Frauensprecherin der GRÜNEN in Tirol. Sie ersucht daher „dringend“ darum, in der von der Lebenshilfe-Plakataktion erzeugten Debatte „zwischen Fristenlösung und medizinisch induziertem Schwangerschaftsabbruch zu trennen“.
„30 Jahre nach der Einführung der Fristenlösung sind solche Plakate nicht angebracht“, ärgert sich die Tiroler Landtagsabgeordnete Gabi Schiessling (SPÖ).
Lebenshilfe Österreich wiederholt bekannte Position
„Die Lebenshilfe mischt sich in die Diskussion über die Fristenlösung nicht ein – die Fristenlösung ist nicht unser Thema“, erklärte der Präsident der Lebenshilfe Österreich, Dr. Germain Weber, in einer Presseaussendung unmissverständlich. Er wünscht sich aber, „dass junge Eltern die Freude und den Mut haben können, ihr Kind, ob behindert oder nicht behindert, zur Welt zu bringen“.
Die Möglichkeit der Abtreibung über die 3-Monats-Frist hinaus, wenn eine „ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde“ (embryopathische Indikation) stellt hingegen eine schwere Diskriminierung von Menschen mit Behinderung dar und sollte aus dem Gesetz (§ 97 (1) 2 StGB) gestrichen werden, fordert Weber und lässt im BIZEPS-INFO Gespräch anklingen, dass er mit der durch die provokante Kampagne der Lebenshilfe Tirol entstandenen Diskussion nicht glücklich ist.
„Völlig unterschiedliche Themen“
„Ich fürchte, dass es der Lebenshilfe Tirol mit dieser Form der Provokation nicht gelingen wird, die völlig unterschiedlichen Themen Fristenlösung und Eugenische Indikation zu differenzieren“, meint die Vorsitzende der „Ethikkommission FÜR die österreichische Bundesregierung“, Birgit Primig, auf Anfrage und ergänzt: „Ich hoffe, dass ich positiv überrascht werde.“
„Mediziner sind selbst überfordert“
Für den Behindertensprecher der ÖVP, Dr. Franz-Joseph Huainigg, fehlt es an Beratung und Unterstützung. „Die Art der Kampagne scheint fragwürdig. Tatsache ist aber, dass werdende Mütter mit der Diagnose ‚behindertes Kind‘ alleine gelassen werden“, hält er in einer ersten Reaktion fest und meint abschließend im BIZEPS-INFO Gespräch: „Die Mediziner sind selbst überfordert und es mangelt an einer lebensbejahenden Beratung, die die Perspektiven für die Integration des Kindes aufzeigen.“
BERBER,
27.04.2006, 13:42
Warum leben heute so viele Menschen allein?
Gerhard Lichtenauer,
21.04.2006, 13:06
@Christine: Wenn auch nicht leichtfertig, so werden solche Entscheidungen doch fast immer unvorbereitet, meist überfordert und oft unter enormen gesellschaftlichen Druck getroffen. Dem enormen Manko an Unterstützung und Begleitung von Schwangeren, die mit einer entsprechenden Diagnose konfrontiert sind und alleingelassen werden, will die Lebenshilfe u. a. mit dieser Plakataktion entgegenwirken. Die derzeitige „Beratungspraxis“ zu verbessern, welche dieser Herausforderung in keiner Weise gerecht wird, gilt es durch die öffentliche Diskussion und Bewusstmachung einzufordern.
Von einem Recht auf Spätabtreibung zu sprechen, im Zusammenhang mit dem Fetozid an einer Menschengruppe, für die Sie eintreten wollen, sollten Sie vielleicht überdenken. Durch die Eugenische Indikationsregelung wird der Gleichheitsgrundsatz eklatant verletzt! Wenn nach geltender Rechtssprechung die Tötung eines noch so schwer behinderten Säuglings zu Recht als Mord bestraft wird, warum sollte seine Tötung bis unmittelbar vor der Geburt rechtmäßig sein? Diese Altersdifferenz oder der unterschiedliche Lebensort (vor/nach der Geburt) kann die Lebensvernichtung eines Menschen niemals rechtfertigen.
Diskriminierungen im Alltag abzubauen wird immer halbherzig bleiben, wenn Menschen mit Behinderung erst gar nicht existieren sollten.
Claudia,
17.04.2006, 11:49
Die Lebenshilfe soll ihre (öffentlichen und Spenden-Gelder) besser in Hilfsprojekte investieren als eine teure Plakataktion zu starten. Die Forderung nach verbesserter Beratung hätte erfolgreicher in anderen Gremnien gestellt werden können.
Aber Beratung darf niemals unter Drucksetzen bedeuten (so wie das in verschiedenen konservativen Beratungsstellen zu sein scheint). Die Entscheidung hat immer bei den Frauen bzw. den Eltern zu liegen, weil sie sind es auch die die Konsequenzen zu tragen haben und nicht die selbsternannten (zumeist männlichen) Moralapostel!
Babsi Lackner,
13.04.2006, 21:17
Ich kann nicht verstehen, warum sich so viele Menschen darüber aufregen … Es ist doch nicht frauenfeindlich, wenn Frauen beraten werden. Ich finde, dass die Gesellschaft Menschen mit Behinderung negativ gegenüber steht, weil viele uninformiert sind.
Ich hab selbst eine Muskelerkrankung und mir wird doch sowieso indirekt das Recht abgesprochen Kinder zu kriegen. Auch ohne, dass bei einer Schwangerschaft eine Untersuchung erfolgen würde. Ich sage für mich persönlich, dass ich wahrscheinlich Kinder haben möchte, auch wenn sie meine Krankheit vererbt kriegen. Wobei mich sicher 90% der Bevölkerung für eine egoistische Sadistin halten werden. Was solls …
Christine Lapp,
11.04.2006, 13:57
Keine betroffene Frau, aber auch keine GynäkologInnen oder andere ExpertInnen entscheiden leichtfertig über eine mögliche Abtreibung bzw. Spätabtreibung.
Wichtig ist es in erster Linie Diskriminierungen behinderter Menschen im Alltag sukzessive und rasch abzubauen und seitens der Politik für eine auf Rechtsansprüchen basierende, gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu sorgen. Das Recht auf Abtreibung bzw. auf Spätabtreibung müsse aber jeder schwangeren Frau unbenommen bleiben.
Viele Behinderungen entstehen erst während oder nach der Geburt. Behinderung ist keine Krankheit, sondern etwas, das es gleichberechtigt zu behandeln gilt.
Brigitte Stubenböck,
10.04.2006, 20:59
Hallo, ich kann der Lebenshilfe zu dieser gelungenen Aktion nur gratulieren. Endlich jemand, der aufzeigt, wie die Realität wirklich ausschaut. Ich bin selbst betroffene Mutter von 2 Kindern mit Behinderung und ich erkenne mich wieder auf dem Plakat. Genauso habe ich mich gefühlt, als ich damals vor 10 bzw. 2 Jahren mit der Diagnose „behindert“ konfrontiert wurde.
Mein Mann und ich wollten Kinder – ganz oder garnicht, und das sollte man sich schon vor einer Schwangerschaft überlegen. Denn man würde ein Kind, daß mit 3 Jahren einen Ertrinkungsunfall hat ja auch nicht einfach beseitigen, oder? Und die Frauen die abtreiben, entscheiden nicht über ihren eigenen Körper, sondern über ein neues Leben. Wir sind nur damit beauftragt dieses neue Leben zu begleiten, über Leben und Tod entscheidet aber immer noch Gott ganz alleine!
Die Medizin ist heute schon so weit, aber wie man dann mit der Diagnose umgeht, darüber denkt keiner nach. Ich werde oft mit der Frage:“ Ja hast du denn keine Fruchtwasseruntersuchung machen lassen?!“ konfrontiert. NEIN habe ich nicht, denn ich war nicht nur ein bißchen schwanger, sondern ich nehme das Kind so an, wie Gott es mir schickt. Und ein behindertes Kind ist nicht nur eine Aufgabe für die Eltern, sondern für uns alle. Nicht behindert zu sein ist kein Privileg, sondern ein Geschenk Gottes, daß uns jederzeit wieder genommen werden kann.
Übrigens, wenn Politiker für Wahlwerbung Geld ausgeben, dann regt sich niemand auf. Aber die Wahrheit wie das Leben läuft will keiner wissen. Danke fürs Lesen, Brigitte Stubenböck
Gerhard Lichtenauer,
10.04.2006, 18:32
@Alexandra: Fristenlösung regelt Straffreiheit bei Kindestötung innerhalb 3-Monats-Frist. Die eugenische bzw. embryopathische Indikation „erlaubt“ die Tötung behinderter oder schwer kranker Kinder bis zum „Geburtstermin“. Unter Anführung „erlaubt“ deshalb, weil es trotzdem eine, einer Reihe von Gesetzen verletzende Tat ist, welche jedoch aus verschiedenen Überlegungen straffrei bleibt. Abtreibung innerhalb der Fristen ist ein Paradox einer „legal-kriminellen“ Handlung aber keine Straftat. Außerhalb der Fristen ist es nach dem Gesetz weiterhin Mord.
Bezüglich des Vorwurfes „Frauen das Recht abzusprechen, über ihren Körper zu verfügen“ bitte bei Lebenshilfe Tirol über die Beweggründe der Kampagne nachzulesen: „Es geht uns in erster Linie darum, Unterstützungsangebote für betroffene Eltern zu schaffen. In keiner Weise soll die Entscheidungsfreiheit von Frauen in Frage gestellt werden.“ Übrigens, nicht einmal die entschiedendsten Abtreibungsgegner versuchen Frauen das Recht abzusprechen, über „ihren Körper“ zu verfügen.
In der Kritik an der Eugenischen Indikation geht es um das Unrecht der Tötung ungeborener Menschen „bis zur Geburt aufgrund Behinderung“ im Vergleich zur Fristenregelung (egal ob bei Behinderung oder Nichtbehinderung). Keine falschen Hoffnungen, so schnell werden Menschen mit Behinderung schon nicht bevorzugt!
Markus,
10.04.2006, 17:56
Ich bin erschrocken darüber, wie leicht es sich einige der Kritiker hier im Forum machen. Da würde ich mir schon erwarten, dass die Leute sich wenigstens die Mühe machen, auch die Stellungnahmen der Initiatoren zur Kampagne zu lesen. Der Lebenshilfe nämlich „alte Kamellen“ vorzuwerfen, und dann selbst leere Phrasen zu dreschen, halte ich persönlich für unerträglich.
Am Schlimmsten finde ich dabei das Kostenargument. Das ist ja fast so, als würde man dem ÖGB verbieten wollen, Streiks zu finanzieren. Also wenn die Lebenshilfe als Interessenvertretung für Menschen mit Behinderung nicht mal mehr aufschreien darf, wenn behindertes Leben systematisch verhindert wird, dann weiß ich auch nicht. Ich kenne persönlich einige Eltern, die mit behinderten Kindern leben. Wahre Horrorgeschichten haben diese Leute erlebt, als sie die Diagnose erhalten haben.
Wenn Ärzte einmal soweit gehen, dass sie Abtreibungen dringend empfehlen (ob eine Frau nun will, oder nicht), dann kann dies der Weisheit letzter Schluss nicht sein! Das ist auch eine Wahrheit, die man zur Kenntnis nehmen muss.
Ich möchte außerdem jemanden von denjenigen, die hier die Frauenrechte durch ein schlichtes Plakat gefährdet sehen, mal danach fragen, wie sie ihrem Bruder oder ihrer Cousine mit Down Syndrom erklären würden, dass sie eigentlich gar nicht auf der Welt sein sollten. Das ist nämlich der Eindruck, den Betroffene heutzutage nur zu oft bekommen.
Ich finde jedenfalls, es sollte auch mal über die Rechte von Kindern (ob bereits geboren oder noch ungeboren) gesprochen werden! Denn ist man nicht selbst betroffen, dann spricht es sich leicht über Lebens und Tod!
Alexandra,
10.04.2006, 17:36
Es geht hier nicht um eine schiefe Nase, sondern um die Grundhaltung dieser Kampagne, die ganz klar darauf abzielt, Frauen das Recht abzusprechen, über ihren Körper zu verfügen. Und wer sagt denn eigentlich, das behinderte Menschen bessere Menschen sind?
Gerhard Lichtenauer,
10.04.2006, 16:55
@Mag. Fuhrmann-Ehn: Die Verachtung von Kindern mit Behinderung vor ihrer Geburt (da leben sie übrigens auch schon), die in deren Tötung gipfelt, hat sehr viel damit zu tun, wie wir uns um die kümmern, welche dieser Selektion entkommen sind (die es also gar nicht zu geben bräuchte?).
Da die Frau auf dem Plakat eindeutig als Opfer dargestellt wird (in der Regel auch ist), verstehe ich den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit gar nicht. Dies hier vorzuwerfen, kommt wahrer Frauenfeindlichkeit zugute.
Gerhard Lichtenauer,
10.04.2006, 16:25
@Alexandra: Vorweg, ich verstehe die Reaktion deiner Schwester. Wenn aber ein kinderfreundliches, lebensbejahendes Klima, ausreichende Unterstützung und Hilfe sowie Integration von Menschen mit Behinderung Selbstverständlichkeit sind, wäre sie vielleicht auf diesen Gedanken gar nicht gekommen.
Insgesamt glaube ich, dass du (wie auch andere Kritiker) diese Plakataktion falsch verstanden hast. Mal klargestellt, es geht bei Abtreibung sicher nicht um den „Bauch“ der “weggemacht“ wird, so etwas findet bei der Fettabsaugung statt, bitte nicht verwechseln. Es geht um ungeborene Kinder und die sind nicht „unser“ Körper und auch nicht beliebig verfügbares Eigentum. Die Fristenlösung ist aber nicht das Thema, wie die Lebenshilfe unmissverständlich festhält. Und wir brauchen in diesem Forum auch nicht darüber diskutieren.
Es geht um Diskriminierung in ihrer krassesten Form, wenn nämlich die gezielte Benachteiligung nicht nur Erschwernisse im Leben mit sich bringt, wie es tagtäglich vorkommt und gerade Menschen mit Behinderungen immer wieder trifft. Es geht in der Diskussion um die „Eugenische Indikation“ darum, einem Menschen das Recht auf Leben abzusprechen, weil er möglicherweise irgendwelchen Kriterien der „Normalität“ nicht entsprechen könnte. Wenn mir jemand das Leben nehmen möchte, weil ihm vielleicht meine schiefe Nase nicht gefällt, werde ich hoffentlich vom Gesetz geschützt. Wenn ich in der Situation wäre, mich nicht wehren zu können, würde ich sehr auf die Hilfe von Menschen hoffen, denen es nicht egal ist, dass jemand eine Gesellschaft von Menschen mit „gerader Nase“ aufbauen will und für sein Ziel über Leichen geht. Woran meinst du zu erkennen, dass die Lebenshilfe entscheiden möchte, was richtig und falsch ist? Diese Plakataktion weist auf ein menschenverachtendes, unerträgliches Unrecht hin, was unser aller Anliegen sein sollte.
Mag. Marlene Fuhrmann-Ehn,
10.04.2006, 15:34
Ich kann mir nicht vorstellen, dass so eine Aktion mehr Akzeptanz von Menschen mit Behinderungen bringt. Im Gegenteil! Abgesehen davon, dass wir uns viel mehr um die kümmern sollten, die schon leben, glaube ich, dass solche Aktionen in erster Linie frauenfeindlich sind. Frauenfeindlichkeit bleibt Frauenfeindlichkeit! Egal von wem sie ausgeübt wird
Alexandra,
10.04.2006, 15:04
Das klingt für mich nach diesem typischen gutmenschelnden Gewäsch, das im Grunde, Frauen nicht die Unsicherheit nimmt, sondern sie für ihre Entscheidung auch noch bestraft. Frauen haben Jahrzehntelang für ihr Recht gekämpft über ihren Bauch und somit über ihren Körper zu entscheiden. Mit dieser Kampagne wird ihnen genau dieses Recht abgesprochen.
Ich bin selbst behindert und als meine Schwester schwanger wurde, sagte sie zu mir: „Wenn’s auch behindert ist, wird ich’s abtreiben!“ Ich habe ihr deswegen keinen Vortrag über wertes oder unwertes Leben gehalten, wie es hier gerne praktiziert wird, ganz im Gegenteil, ich hab das nachvollziehen können. Aber Tatsache ist, dass eine Mutter sich auch über die Konsequenzen eines behinderten Kindes im Klaren sein muss genauso über die Konsequenzen einer Abtreibung. Die Verantwortung sollte nicht bei irgendwelchen Institutionen liegen, sondern allein bei der Frau. Sie zu unterstützen, egal, wofür sie sich entscheidet, sollte eher die Pflicht diverser Institutionen liegen, anstatt diese auszugrenzen.
Woher nimmt sich denn die Lebenshilfe das Recht zu entscheiden, was richtig und falsch ist?
Alleingelassen werden Frauen, die sich entscheiden, das Kind nicht zu bekommen. Sie werden noch immer geächtet und viele Frauen haben nicht den Mut darüber zu reden, weil sie sich schämen. Durch unsere komische Moralvorstellung und durch die Kirche geprägtes gestörtes Verhalten zum Leben und zum Körper werden Frauen, die abgetrieben haben und abtreiben, immer mehr zu Außenseitern.
Und mal ehrlich, behinderte Menschen sterben nicht aus, also brauchen sich die Lebenshilfe keine Sorgen um ihren Job machen. Es ist viel wichtiger, die Lebensqualität von Betroffenen zu erhalten und zu erhöhen und eben aufzuklären, aber keine Angst zu machen. Solche Kampagnen können auch nach hinten losgehen. Solche Kampagnen schüren Angst und Schuldgefühle, weil sich Frauen für einen anderen Weg entscheiden.
Sollte ich jemanden mit diesem Beitrag auf den Schlips getreten zu haben, so war es pure Absicht.
Gerhard Lichtenauer,
10.04.2006, 14:32
Ich finde die plakative Umsetzung dieses Themas äußerst gut getroffen und bin auch froh darüber, dass es aufregt.
„Zum Tode Verurteilt?“ macht die unerträgliche Verletzung des Lebensrechtes deutlich, wenn Kinder aufgrund der Diagnose einer möglichen Behinderung getötet werden. Als Frage formuliert, macht es deutlich, dass eigenes Nachdenken gefragt ist und nicht die moralisierende Keule geschwungen wird. Wer solche Kindestötungen mit der (vielleicht) vorliegenden Behinderung zu rechtfertigen versucht, darf weder über die, einfach nur konsequent weitergedachte Früh-Euthanasie an Neugeborenen (welche auch häufig vorkommt und in den Niederlanden bereits legalisiert wurde) noch über die NS-Euthanasie an behinderten Menschen urteilen. In all diesen Fällen geht es darum, dass jemand einem anderen Menschen den Lebenswert und das Lebensrecht abspricht. Was macht es für einen Unterschied, ob die Tötung einige Zentimeter unter einer Bauchdecke vollzogen wird? Beim häufig vorkommenden Überleben solcher Spätabtreibungen wird das Neugeborene unversorgt zum Sterben weggelegt, was ich auch nach geltenden liberalen Abtreibungsgesetzen nur als vorsätzlichen Mord verstehen kann. Offensichtlich um dieses juristische Problem zu umgehen, werden Hebammen (die bei solchen Spätabtreibungen dabei sind) immer öfter dazu gezwungen, eine Todgeburt zu bestätigen.
Die traurige Feststellung „Ich war mit der Diagnose allein“ macht deutlich, wer in den meisten Fällen solche „Todesurteile aufgrund Behinderung“ verursacht. Unser aller Egoismus, wir alle, sind mitbeteiligt am lebensfeindlichen Klima für Menschen in Not. Wegschauen und Schweigen hat nicht nur vor 65 Jahren vielen unserer Mitmenschen das Leben gekostet. Letztlich ist es aber auch der Gesetzgeber, welcher Menschen mit Behinderung und deren Angehörigen, die dringend nötigen Unterstützungen verweigert bzw. aus ökonomischen Überlegungen beschneidet! Ich wünsche den Initiatoren dieses Plakates sehr, dass es einige Menschen zum Nachdenken bewegt.
Anonymous,
10.04.2006, 12:41
solang auf die mütter hingepeckt wird, die „zum tode verurteilen“, brauchen sich weder väter noch die gesellschaft noch politiker noch behinderteneinrichtungen gedanken darüber machen, welche rahmenbedingungen nötig wären, um solche entscheidungen nicht treffen zu müssen …
Volker SCHÖNWIESE,
10.04.2006, 12:32
Ohne jetzt Inhalte zu diskutieren: Negativ-Werbung ereicht ihr Ziel nicht. Das kennen wir von Anti-Rauch-Werbung mit Totenkopf usw. Es wird durch diese Werbung keine Zigarette weniger geraucht. Beim Plakat der Lebenshilfe wird bestenfalls die Angst vor Behinderung verstärkt, sicher nicht die Akzeptanz …
Anonymous,
10.04.2006, 12:29
Beratung und Begleitung von Müttern: Projekt MUTtercoaching, Fort-& Weiterbildung, Seminare & Workshops, Institut für Sexualandragogik, Petra Schwarz, Dipl. Sexualpädagogin, Supervisorin, 0664/4242420
josef fraunbaum,
10.04.2006, 08:46
…und wie viel geld hat die lebenshilfe ausgegeben für eine kampagne, dass menschen in sog. beschäftigungstherapien“, wie andere auch, einen eigenen pensionsanspruch erwerben? die lebenshilfe hätte in ihrem ureigesten betätigungsfeld genug zu tun um mit wirklicher gleichberechtigung im wohn- und tagesbereich zu „provozieren“. die beste kampagne gegen abtreibung ist unterstützung der eltern und gleiche chancen für behinderte kinder, aber es ist halt einfacher ein paar provokante plakate aufzupicken … zu teuer ist billige provokation.
Markus,
10.04.2006, 08:23
Würde mir viel mehr eine offene Diskussion über die Betreuung (Unterstützung der Betreuenden/des Behinderten – nicht ausreichend!) von behinderten Kindern (ein Leben lang) wünschen. Es geht ja eigentlich nicht nur um die Geburt von einem Menschen sondern auch um ein lebenslang lebenswertes Leben mit der entsprechend garantierten Unterstützung die nicht dauernd erbettelt und erstritten werden muß sondern auch selbstverständlich sein soll.
Alexandra,
08.04.2006, 21:39
Frauen zu entwerten und zu entmündigen scheint der Lebenshilfe Tirol besonders viel Spaß zu machen. Willkommen im Mittelalter!