Brauchen gehörlose oder hörbehinderte Menschen 100 % Untertitel oder Übersetzung in Gebärdensprache? Die österreichische Bundesregierung sagt: Nein. Ein Kommentar von Christina Meierschitz.

Konkret geht es um das Erkenntnis des VfGH vom 16.3.2006, Aktenzahl G 85,86/05-9 und um die Frage der Befreiung gehörloser Personen von der Fernsehgebühr.
Aus der Stellungnahme der Bundesregierung geht wörtlich hervor: „… Soweit aber konkret der ORF angesprochen wird, ist darauf hinzuweisen, dass ein beträchtlicher Teil von dessen Fernsehprogramm (aber darüber hinaus auch z.B. Teile der in Österreich über Kabel und Satellit empfangbaren Programme ARD, ZDF, BBC oder Phoenix) hörbehindertengerecht aufbereitet wird. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Medium Fernsehen einen wesentlichen Teil seiner Rolle als Informationsvermittler aus der visuellen Eindruckskraft bezieht und den Gehörlosen und schwer Hörbehinderten durch die zusätzliche Aufbereitung eine wesentlich verbesserte Nutzung des Mediums Fernsehen ermöglicht wird.“
Diese gegen gehörlose und hörbehinderte Menschen gerichtete Aussage hat der VfGH ohne weiteren Kommentar in seine Urteilsbegründung aufgenommen.
Es werden allerdings hauptsächlich Leistungen ausländischer Fernsehsender bezüglich Barrierefreiheit angeführt. Durch diese Feststellung wird verschleiert, dass der ORF seinen Verpflichtungen zu barrierefreien Angeboten bisher nicht ausreichend nachgekommen ist.
Zusätzlich entsteht der Eindruck, hörbehinderte Menschen würden den Inhalt von Fernsehsendungen auch ohne Untertitel vollständig aufnehmen können. Daraus wird gefolgert, dass die nicht gegebene Wahrnehmbarkeit des Fernsehprogramms (welche vom BGStG im Sinne von Barrierefreiheit gefordert wird) kein Kriterium für die Befreiung von der Fernsehgebühr sei.
Entsprechend dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz steht klar fest, dass nur vollständig rund um die Uhr untertitelte oder in Gebärdensprache übersetzte Fernsehsendungen für hörbehinderte Menschen als barrierefrei gelten können.
Es ist den lebensfremden Verfassern des Kommentars der Bundesregierung und dem VfGH dringend zu empfehlen, ihren Fernsehapparat eine Woche lang tonlos zu benutzen!
Franz Dotter,
23.02.2009, 09:08
Liebe Leute, Zu dem angesprochenen Urteil und dessen Hintergründen habe ich eine 28 seitige Analyse unter dem Titel „Verfassungsgerichtshof, Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts und Gebühren Info Service des ORF contra hörbehinderte ÖsterreicherInnen, ein Lehrstück“ geschrieben. InteressentInnen können diese über meiner Mailadresse anfordern: franz.dotter@uni-klu.ac.at
Anti-Faker,
20.02.2009, 14:00
… muss man beim Schweigen des ORF angesichts zügellos munteren, unwidersprochenem „Knüppels aus dem Sack“ für sämtliches „behindertes Pack“ von einer Nation von „blinden“ „Feigen“ an der Macht sprechen …
Mikulasek Brigitta,
20.02.2009, 11:44
Die Bundesregierung sagte: Das Medium Fernsehen als Informationsvermittler bezieht einen wesentlichen Anteil aus der visuellen Eindruckskraft. Daraus schließe ich : alle Sendungen und Informationen in Gebärdensprache so können dann auch Hörende die Informationen aus der visuellen Eindruckskraft erhalten. Für blinde Menschen auf Kanal 2 die Texte mit Bildbeschreibungen.
Ulrike,
20.02.2009, 10:01
Was tun, wenn man 95% blind ist und 95% nicht hören kann.
Anonymous,
16.02.2009, 17:29
Den ORF reformieren? WOZU. Diese Zwangsgebühren-Sende-ANSTALT gehört endlich weg.
TV-Freak,
16.02.2009, 07:35
Es ist immer wieder erschreckend, wieviele Leute es heute noch gibt, wir würden auch ohne Untertitel verstehen. Aber wehe, wenn ein Ton-Ausfall kommt, regen sich die Hörende auf wie bekloppt, und das nur für paar wenigen Minuten im Jahr.
christian,
16.02.2009, 03:39
In den USA wird zumindest bei den grossen Networks alles untertitelt, und dass ist auch von grossem nutzen fuer Auslaender wie mich, die untertitel manchmal besser verstehen als gesprochene sprache.
Man hoert allerdings oft am ende einen kurzen werbespot: Untertitel fuer xxx wurden gesponsert von yyy + kurzer slogan.
Wenn man dem ORF das nach jeder untertitelten sendung erlauben wuerde, praktisch als zusatzliche werbezeit, waere vielleicht der anreiz groesser und man wuerde die 100 prozent auch hier erreichen.