Träume sind Schäume – und Bäume wachsen doch in den Himmel

Schreibwerkstatt für behinderte Menschen an der Sommeruniversität Bremen von 21. bis 23. Juli 2003

Ursula Eggli
Eggli, Ursula

„Behinderung neu denken“ hieß das Moto unsrer Sommeruniversität in Bremen und „Behinderung neu denken“ heißt auch: Behinderung überall hin denken, hinein in Malerei, Literatur, überhaupt jegliche Form von Kultur.

Hineindenken in die hintersten Hirnwindungen. Dorthin, wo sich oft das Empfinden unsrer Kontrolle entzieht. Normalerweise haben wir Aktivistinnen und Aktivisten der Behindertenbewegung die theoretischen Erkenntnisse und Schlagworte präsent und versuchen auch, sie zu verinnerlichen, zum Beispiel die Überzeugung: Ich bin ok, so wie ich bin. Ich bin ok mit meinem behinderten Körper.

Wir alle wissen aber auch, dass Symbole und Bilder aus unserer Kindheit oder aus der Gesellschaft uns dabei immer wieder einen Streich spielen. Sie haben sich schon vor langer Zeit tief in uns eingeprägt. Wer hat sich noch nie dabei ertappt, dass ihm das Bild einer zarten Prinzessin oder des tatkräftigen Prinzen eine Illusion vorgaukelt, der Illusion, die dem morgendlichen Blick in den Spiegel , dem mühsam humpelnden Überqueren einer Strasse oder dem Erleben einer Cocktailparty aus der Rollstuhlperspektive nie gerecht wird.

Frust resultiert aus diesen oft unbewussten Vorbildern, Frust und nochmals Frust. Und sollten wir so weit sein, dass wir mindestens unser Eigenbild als behindertes Individuum akzeptiert haben, so merken wir doch immer wieder unsere Irritation im Blick auf andere behinderte Menschen.

Verinnerlichte Bilder, Symbole und auch Clichées gilt es, sich bewusst zu machen, zu hinterfragen und durch andere zu ersetzen. Neu zu programmieren. Dass dies ein sehr lustvoller und kreativer Prozess sein kann, bewiesen die drei Nachmittagsveranstaltungen vom 21. bis 23. Juli 2003 an der Sommeruniversität in Bremen.

Unter dem Titel: „Träume sind Schäume und Bäume wachsen doch in den Himmel“, warb ich für eine Schreibwerkstatt. In der Folge werde ich die drei Veranstaltungen kurz beschreiben.

1. Block: Eigenbild
Wie nehmen wir uns selber wahr? Wie würden wir uns beschreiben? Behindert: krumm, langsam, verkrüppelt, blind … ? Oder: andersartig, außergewöhnlich, Laune der Natur … ? Es geht für uns darum, uns selber in den Mittelpunkt des Universums zu setzen und dieser Mittelpunkt hat seine positive oder zumindest neutrale Besonderheiten, zum Beispiel eine körperliche, intellektuelle oder psychische Beeinträchtigung. Die Teilnehmenden des Workshops bekamen eine Vorgabe: Krimi, Märchen, Liebesgeschichte usw und mussten sich selber Stil und Thema entsprechend, schriftlich vorstellen.

2. Block: Märchen.
Wo kommen behinderte Menschen in Märchen, Mythen, Fabeln, Kindergeschichten vor und wie kommen sie vor? Kleine Märchenkunde und Anleitungen, es besser zu machen. Zum Beispiel mit den Freakgeschichten. (Freakgeschichten für Kinder und Erwachsene., U. Eggli Wangenstr. 27, CH-3018 Bern)

Freakland ist ein ebenes, wunderbares Land in Irgendwo, nahe bei Überall.

Seine Bewohner leben im Rollstuhl, sind zu dick oder zu dünn, schwul oder lesbisch, – kurz: NORMAL sind sie nicht und NORMAL ist im Freakland auch das schlimmste Schimpfwort.

Wenn wir den Kindern Geschichten erzählen, in denen der König im Rollstuhl hockt und die Fee vier Räder am Hintern hat , haben wir bereits wertvolle Öffentlichkeitsarbeit geleistet von der zukünftige Generationen profitieren können.

3. Block: Träume.
Träume spiegeln unser Innenleben und unsren Alltag. Sie können uns verängstigen oder erfreuen, und sie verraten uns viel über uns selber. Sie können uns helfen, Probleme zu verarbeiten oder in unsren Tagträumen wegzufliegen. Erleben wir uns selber im Traum als behindert? Wird die Behinderung als positiv, negativ oder neutral empfunden? In einem Traum Workshop reden wir von unsren Träumen, den guten und den schlechten, und versuchen, eigene zu kreieren.

Als Gruppe hatten wir es sehr gut miteinander. Persönliches wurde von jeder und jedem soviel mitgeteilt, wie man es für die Arbeit des Schreibens als sinnvoll erachtete. Da wir aber auch hie und da in Kleingruppen schrieben und wir ganz Allgemein viel Sympathie für einander hatten, wurde uns die Zeit, die wir in der Gruppe verbrachten meist zu kurz. Darum haben wir beschlossen, per Internet in Kontakt zu bleiben und vielleicht einige der vielen aufgetauchten Themen weiter zu diskutieren.

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