Triage: Keine medizinische, sondern menschenrechtlich-ethische Frage

Wenn medizinische Ressourcen in einer Pandemie nicht für alle behandlungsbedürftigen Personen ausreichen, müssen Entscheidungen über Leben und Tod im Rahmen einer Triage-Entscheidung getroffen werden.

Horst Frehe
ISL e.V.

 „Dabei dürfen sogenannte Erfolgswahrscheinlichkeiten nicht gegeneinander abgewogen werden. Dies verbietet nach unserer Auffassung das Grundgesetz“, sagt Horst Frehe vom Forum behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ) in Deutschland und erläutert:

Eine Entscheidung mittels scheinbar neutraler medizinischer Skalen kann niemals diskriminierungsfrei sein. Bewusste und unbewusste Vorurteile lassen sich dabei nicht vermeiden. Letztlich bedeutet ein solches Abwägen, dass die Rettung des einen Lebens am Ende höher bewertet wird als die Rettung eines anderen. Das widerspricht dem Würdeschutz unseres Grundgesetzes.

Das Forum behinderter Juristinnen und Juristen hat seine Ansichten zur Triage in einem Positionspapier vom Januar 2022 zusammengefasst und damit auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2021 reagiert.

Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber zu unverzüglichem Handeln aufgefordert, um behinderte Menschen im Falle einer Triage vor Diskriminierung zu schützen.

„Eine Triage-Entscheidung ist immer grausam, denn Menschen müssen sterben, die bei ausreichenden Ressourcen eventuell gerettet werden könnten“, so Frehe. Es handele sich aber nicht vorrangig um medizinische, sondern – auch aus historischer Verantwortung – um menschenrechtlich-ethische Fragen.

Zunächst muss nach Ansicht des Juristen natürlich abgeklärt werden, ob eine intensivmedizinische Behandlung notwendig und ob mit einer Behandlung eine Überlebenschance gegeben ist. In diesem, aber auch nur in diesem Sinne, sei es berechtigt, eine Erfolgsaussicht zu beurteilen.

Wenn die betroffene Person, die eine Erfolgsaussicht hat, behandelt werden möchte, die Ressourcen aber zu knapp sind, um alle Betroffenen in solch einer Lage zu therapieren, bleibt laut Frehe aber nur das Zufallsprinzip.

Dafür schlägt das FbJJ ein Vorgehen nach dem Prinzip „first come – first serve“ in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Eintretens der Intensivpflicht vor. Bei gleichem Zeitpunkt soll der Aufnahmezeitpunkt im Krankenhaus entscheidend sein.

„Solange eine Überlebenswahrscheinlichkeit besteht, darf dann eine einmal begonnene Behandlung nicht mehr abgebrochen werden“, betont Horst Frehe.

In Deutschland sei es zwar während der Corona-Pandemie noch nicht zu solch eklatanten Engpässen der medizinischen Versorgung gekommen wie beispielsweise in Italien. Dennoch habe man auch hierzulande behinderte und alte Menschen schon von einer Krankenhausbehandlung ausgeschlossen.

„Solche Praktiken müssen sofort unterbunden und bestraft werden“, fordert der Jurist.

Das Papier des FbJJ ist zu finden unter: http://fbjj.de/2022/01/17/eckpunktepapier-triage-gesetz/

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2 Kommentare

  • Franz Reiter – 13. 02. 2022

    Was nützt es, wenn vom Gesetzgeber ein Gesetz erlassen wird, nach welchen z. B. einem behinderten Menschen keine Erwachsenenvertreterin vorgesetzt werden darf (ABGB §§ 239 und 240), wenn der Behinderte eine seit Jahren selbstgewählte Vertretung hat und bei dieser unter allen Umständen bleiben will, aber wie hier in diesem Fall in Graz (Österreich) ein Richter eine von ihm bestimmte Rechtsanwältin, unter Mithilfe eines Sachverständigen, welcher in einem Gutachten ohne persönlichen Kontakt zu dem Behinderten, dieses Gesetz einfach ignoriert. Die Vermutung steht da nahe, dass sich diese Justizmafia ihrer beruflichen Stellung bedient, um zu einem Vermögen zu kommen, welches dem Behinderten von seinen Eltern für seine Betreuung hinterlassen wurde.
    Der Oberste Gerichtshof stellt diesbezüglich bei der eingebrachten Revision, neben handfesten unrichtigen Angaben, fest, „Unterstützung durch die Betreuerin (§ 240 Abs. 2 ABGB) reicht nach der vertretbaren Ansicht des Rekursgerichts nicht aus“.

    Offensichtlich reicht dem Rekursgericht die ca. 15 jährige vorbildliche Unterstützung der Betreuerin nicht aus, ihr die weitere Betreuung zuzumuten. Was sollte denn dann ausreichen, um die Betreuerin als vorbildlich anzusehen.

    Das ist die Ansicht des Obersten Gerichtshofes in Österreich und es liegt auch hier der Verdacht auf der Hand, dass der Oberste Gerichtshof nur die Interessen seiner Berufskollegenschaft im Kopf hat, nicht aber das durch das Menschenrecht gedeckte Wohl eines behinderten Menschen.
    Ich möchte mir hier weitere Entgleisungen unserer Gerichtsbarkeit ersparen, aber schon dass alleine müsste aussreichen, um zu erkennen, wie es bei unserer Gerichtsbarkeit auch in Österreich zugeht. Korruption ohne Ende.

  • Danke für diesen Beitrag!
    Sich nur vorzustellen in so eine Situation zu kommen, dass entweder Diskriminierung oder der reine Zufall darüber entscheidet, dass man behandelt wird oder nicht, ist schrecklich.
    Hierbei ist es wirklich von enormer Wichtigkeit, dass in einem Staat nicht am Gesundheitssystem gespart wird! Für diesen Bereich sollte genug und ich meine wirklich genug (Equipment, Ausbildung, Fortbildung, genügend Fachpersonal,..) Budget einberechnet werden!