Am 27. Jänner 2003 wurde in Griechenland offiziell das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen eröffnet.
Es ist ein Jahr, in das die Betroffenen große Erwartungen setzen, und mit dem der Auftakt zu einer neuen europäischen „Bürgerrechtsbewegung“ gesetzt wird. Es liegt nun an den einzelnen Staaten und den Länderparlamenten, die berechtigten Erwartungen umzusetzen und die Menschen mit Behinderungen in die politischen Entscheidungen einzubinden.
Das „EYPD2003“ (The European Year of People with Disabilities), wie es offiziell heißt, soll einen echten Durchbruch in der Behindertenpolitik der europäischen Mitgliedsstaaten bringen, da sind sich alle AktivistInnen einig. Anders als die bisherigen Jahre und Bedenk-Tage soll das EYPD2003 ein Vielfaches an Aufmerksamkeit für die Probleme behinderter Menschen und echte Fortschritte im Bestreben nach Gleichstellung und Selbstbestimmung bringen.
LAbg. Gunther Trübswasser: „Die Lage der Menschen mit Behinderungen ist auch in Oberösterreich immer noch bestimmt von täglicher Diskriminierung am Arbeitsplatz oder bei der Wohnungssuche, durch zahllose Barrieren für Blinde, Gehörlose oder im Rollstuhl Sitzenden. Von der Selbstbestimmung für Betroffene sind wir noch meilenweit entfernt.“
Lt. Mikrozensus (Statistik Austria, letzte verfügbare Daten von 1995) sind allein in Oberösterreich rund
- 72.000 Menschen stark sehbehindert (davon 1.500 blind oder praktisch blind),
- 97.000 Menschen stark hörbehindert (davon 1.900 gehörlos),
- 12.000 Menschen nach Schlaganfällen,
- 123.000 Menschen mit Wirbelsäulenschäden und
- insgesamt 116.000 Menschen haben „schwere Bewegungsbeeinträchtigungen“.
Drei Kernpunkte Grüner Behindertenpolitik
Trübswasser: „Alle diese Behinderungen werden Die Grünen verstärkt thematisieren und durchsetzbare Rechte einfordern. Deshalb werden Selbstbestimmung, Gleichstellung und Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen die drei Stoßrichtungen Grüner Behindertenpolitik im heurigen Jahr sein.“
1.) Selbstbestimmung: z.B. die Persönliche Assistenz
„Wir, die Betroffenen, brauchen die Persönliche Assistenz, um selbstbestimmt leben zu können.“
Bei der „Persönlichen Assistenz“ handelt es sich um ein Konzept individueller Hilfen, die es dem/der Assistenznehmer(in) erlauben, über Art, Form, Inhalt, Ablauf, Ort und Erbringer der Hilfeleistung zu bestimmen. Das Konzept „Persönliche Assistenz“ stellt daher seinem Charakter nach eine Leistung zur Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft dar und unterscheidet sich konzeptionell wesentlich von dem medizinischen Modell der Pflege.
Trübswasser: „Das derzeitige Oö. Behindertengesetz hat ausgedient. Viel zu sehr hängt es am Grundgedanken der Versorgung und lässt kaum Spielraum für eine Entwicklung in Richtung „Selbstbestimmt Leben“, Persönliche Assistenz und Mitbestimmung der Betroffenen. Aber gerade diese Kriterien muss ein Gesetz entsprechen, das Menschen nicht bevormundet, sondern sie begleitet, unterstützt und emanzipiert.“
Oberösterreich braucht neue Instrumente der Behindertenhilfe, ein neues Behindertengesetz.
Derzeit geht die Diskussion um einen solchen Gesetzesentwurf (Oö.Chancengleichheitsgesetz), der auch die Persönliche Assistenz als Leistung vorsieht, nur sehr schleppend von Statten, ortet Trübswasser Verzögerungen. „Die Diskussion muss frei von vorgefassten Meinungen sein, sie muss auch die Bedürfnisse der schwerstbehinderten Menschen berücksichtigen. Sie muss aber denen, die autonom leben wollen, echte Alternativen zum Heim anbieten können.“
Trübswasser fordert, das neue Oö.Behindertengesetz (Chancengleichheitsgesetz) zügig und konstruktiv zu verhandeln und noch heuer zu verabschieden: „Viele, die derzeit noch im Heim leben, warten dringend auf die Einführung der Persönlichen Assistenz, wie sie in vielen Ländern Europas bereits Wirklichkeit ist.“
Seit 7. Juli 1999 liegt unerledigt im Sozialausschuss des Oö.Landtags ein Initiativantrag der Grünen auf Einführung eben dieser „Persönlichen Assistenz“. „Hier ist 2003 dringender Hansdlungsbedarf gegeben“, so Trübswasser, „wenn das Europäische Jahr einen echten Fortschritt bringen soll.“
2.) Gleichstellung in allen Lebensbereichen: Z.B. Arbeitsmarkt
„Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ist zugleich das umfassendste wie wichtigste Vorhaben in der Behindertenpolitik.“
Trübswasser: „Die verfügbaren Arbeitsmarktdaten sagen wenig bis nichts über die tatsächliche Arbeitslosigkeit unter schwer behinderten Menschen aus. Menschen, die in Einrichtungen arbeiten, in Maßnahmen des AMS untergebracht sind oder gezwungen sind, bereits in jungen Jahren pensioniert sind scheinen in keiner Arbeitslosenstatistik auf. Der Leidensweg dieser Menschen auf Arbeitsuche geht über Jahre ist fast immer erfolglos. Selbst gute schulische Ausbildung hilft oft nicht weiter.“
Ein am 16. Dezember 2002 stattgefundener Runder Tisch mit Vertretern von AMS, AK, Einrichtungen und vor allem mit Betroffenen mit unterschiedlichen Behinderungen hat das Problem offengelegt: Menschen mit schweren Behinderungen haben am Arbeitsmarkt trotz gegenteiliger Behauptungen so gut wie keine Chance. „Teilleistungen oder psychische Probleme stellen die Betroffenen ins Abseits, aus dem sie kaum herauskommen.“
Hier muss es neue Modelle und ein Umdenken seitens der Unternehmen geben. Trübswasser fordert
- Integration über das 9. Schuljahr hinaus – vor allem in berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (derzeit nach erfolgreichen Schulversuchen in OÖ. wieder eingestellt!)
- Einführung einer „Teilleistungslehre“ (wie z.B. in der Steiermark)
- neue Beschäftigungsmodelle mit individueller Teilzeit
- Bessere „Durchlässigkeit“ der Bereiche Beschäftigungstherapie, Geschützte Arbeit und freier Arbeitsmarkt
- bessere Information für Unternehmen (OÖWK)
- auf die Bedürfnisse abgestimmte Qualifizierungsmaßnahmen (z.B. IT-Kurse für Gehörlose)
3.) Barrierefreiheit: „Weg frei“ – Wettbewerb für Schülerinnen und Schüler und Aktionswochenende 25./26. April 2003
„Der Abbau von Barrieren in allen Lebensbereichen wie Schule, Beruf oder Freizeit, bleibt weiterhin die zentrale Forderung auf dem Weg zur Selbstbestimmung und Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen.“
Bei dem Themenbereich „Barrierefreiheit“ geht es nicht nur um die bauliche, verkehrliche und organisatorische Zugänglichkeit für RollstuhlfahrerInnen, sondern auch um den Abbau von Kommunikationsbarrieren für hörbehinderte Menschen oder nicht vorhandenen Gebärdensprachdolmetschern oder um den Abbau von Barrieren bei der Nutzung graphisch gestalteter Programmoberflächen oder Internetseiten für blinde Menschen.
„Weg frei“, die Initiative der Grünen im Jahr der Menschen mit Behinderungen möchte auf kreative Weise die vielfältigen Behinderungen in unserer Gesellschaft aufzeigen. Es gilt, die Aufmerksamkeit zu schärfen und Sensibilität zu vermitteln für die individuellen Einschränkungen und Möglichkeiten innerhalb unserer Gesellschaft.
Im Rahmen der Aktionstage „Weg frei“ „bespielen“ auf Initiative der Grünen KooperationspartnerInnen aus verschiedenen Bereichen und Organisationen mit unterschiedlichen Projekten am 25. und 26. April 2003 öffentliche Plätze der Linzer Innenstadt. BesucherInnen und PassantInnen sind eingeladen, gemeinsam mit Beteiligten die unterschiedlichsten Alltagsbarrieren zu erfahren. Damit möchten wir uns von der Illusion verabschieden, dass „eh nur die anderen“ betroffen sind.
„Weg frei!“ lädt alle Schülerinnen und Schüler zu einem Wettbewerb ein!
Was können wir tun, um die Schwierigkeiten für Betroffene aus dem Weg zu räumen und ihr Leben zu erleichtern?
Auf der Suche nach Antworten organisieren die Grünen anlässlich des „Jahres der Menschen mit Behinderungen“ in Zusammenarbeit mit der OÖ Landesgalerie diesen Wettbewerb für SchülerInnen in Oberösterreich.