Das Urteil stellt einen Meilenstein dar: Bisher waren ähnliche Klagen regelmäßig wegen Verjährung abgewiesen worden.

Die heute 30-jährige Klägerin war 1997 im Rahmen der Kaiserschnittgeburt ihres zweiten Kindes nach ihren Aussagen ohne Aufklärung und ohne ihre Einwilligung sterilisiert worden.
Im Rahmen des Verfahrens stellte sich auch heraus, dass die Kommission, die nach tschechischem Recht über die Zulässigkeit der Sterilisation zu entscheiden hat, erst zehn Tage nach dem Eingriff die Entscheidung getroffen hatte.
In den vergangenen Jahren hatte es eine Reihe von ähnlichen Fällen gegeben, die immer Angehörige der Roma betrafen. Die Schadenersatzforderungen scheiterten immer, da die Betroffenen erst nach Jahren vom Eingriff erfuhren und dieser bereits verjährt war. Auch strafrechtliche Voruntersuchungen wurden stets eingestellt.
Das Bezirksgericht Ostrava begründete seine – noch nicht rechtskräftige – Entscheidung damit, dass die Verjährungsfristen bei Verletzungen von Persönlichkeitsrechten nicht anwendbar seien.
Wie wäre ein solcher Fall in Österreich zu beurteilen?
Ein solcher Eingriff stellt jedenfalls eine eigenmächtige Heilbehandlung im Sinne des § 110 Strafgesetzbuch (StGB) dar. Der Arzt/Die Ärztin ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagsätzen zu bestrafen. Wenn ein solcher Eingriff keine Heilbehandlung darstellt, da er nicht medizinisch geboten ist, ist er als strafbare Handlung gegen Leib und Leben zu behandeln. In diesem Fall könnte es sich um eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB) handeln, die mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren geahndet wird.
Daneben gebührt materieller Schadenersatz (für Heilungskosten, Psychotherapie, ) und immaterieller Schadenersatz für den seelischen Schmerz.
Sollten sich mehrere ähnliche Fälle ereignen, könnte auch eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen vorliegen. Dasselbe könnte argumentiert werden, wenn – wie in der Vergangenheit auch in Österreich – lernbehinderte Frauen ohne ihre Einwilligung sterilisiert werden. Die betroffenen Frauen könnten dann ebenfalls aufgrund des Gleichbehandlungsgesetzes (oder des Behindertengleichstellungsgesetzes) materiellen und immateriellen Schadenersatz verlangen.
Einen ausführlichen englischen Artikel zu diesem Urteil finden Sie im Internet.
Alexandra,
02.11.2007, 21:54
Ich selbst war mit einem Jungen im Internat, dessen Mutter war eine Frau mit Lernschwierigkeiten. Der Junge war eine Frucht der Gewalt, so nannte die Tante es. Nach der Geburt ihres Bubens wurde sie sterilisiert.
Auch wenn Sexualität und Behinderung schon lange kein Tabuthema mehr ist, so ist aber Zwangsterilisation und Gewalt noch immer ein Thema was schlichtweg verschwiegen wird. Es ist beschämend, dass in Zeiten von Aids, Kondomen und Internet und Weltoffenheit noch kein Platz dafür geschaffen wurden.
Ich möchte mir nicht ausmalen, wieviele Frauen zwangssterilisiert wurden und es einfach verdrängt haben oder noch immer darüber schweigen – aus Angst und aus Scham. Und mutig sind die, die darüber sprechen und damit ein Zeichen setzen.
Brigitta Mikulasek,
02.11.2007, 13:45
Aus Erzählungen und eigener Wahrnehmung weiß ich, daß dies leider auch unter Gehörlosen sowohl Männern als auch Frauen vorgekommen ist. In den meisten Fällen wollten die Betroffenen einfach nur vergessen und keine weiteren Schritte unternehmen. Im Rahmen des Projektes „Zeitzeugen erzählen“ im WITAF, gemeinsam mit Schülern des BIG ist vieles von damals zur Sprache gekommen, aber nicht alles sollte auch dokumentiert werden.
Auch das Einsetzen von mechanischen Verhütungsmittel (Spirale) ohne Aufklärung bzw. Wissen der Betroffenen nach gynäkologischen Eingriffen ist vorgekommen.
Respekt der Betroffenen die den Mut aufgebracht hat, für Ihr Recht zu kämpfen und in Folge durch dieses Urteil und dementsprechende Unterstützung, hoffentlich das Gewesene ein bißchen besser bewältigen und aufarbeiten kann!
Anonymous,
02.11.2007, 13:30
In meinem Freundeskreis haben wir mit dem Problem zu kämpfen, ein Mädchen mit geistiger Behinderung wohnt in einem Behindertenheim mit ebenfalls geistigen Behinderten Burschen zusammen. Wer nun glaubt das diese Gruppe keinerlei sexuelle verlangen hat der irrt gewaltig!
Um das zu vermeiden welche Folgen was für jedermann nachvollziehbar ist, war eine OP von seiten der Mutter angestrebt worden,mit der Erfahrung das dies nicht möglich ist! Wie es die Mutter schafft mit der Angst zu leben wie und wer ist danach wenn sie nicht mehr kann für diese meiner Meinung nach Verantwortungslosen Entscheidung zuständig. Ich bin dagegen wenn es schon passiert ist, aber wenn man es vorher vermeiden kann dann sollte man es können!