Um am Sommercamp für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen in Graz teilzunehmen mussten einige der TeilnehmerInnen eine Reihe neuer Erfahrungen machen.
Für Anita Kühnel, die Ende des Jahres 50 Jahre alt wird und in einer Altenwohnanlage bei Kassel wohnt, war es zum Beispiel der erste Flug ihres Lebens, um nach Graz zu kommen. Petra Groß, die mit der Frau mit Lernschwierigkeiten zusammen bei Mensch zuerst arbeitet, stand ihr dabei zur Seite und erklärte ihr, was passieren wird.
„Zuerst war es wie eine Fahrt mit dem Auto und dann ging es hoch. Es war ein schöner Flug“, erklärte Anita Kühnel. Das Lied von Reinhard May, das am Abend dann gesungen wurde, war dann auch speziell Anita Kühnel gewidmet. Demgegenüber war es Martin Hackl, der in einer großen Behinderteneinrichtung in Bayern wohnt, ungewohnt, durch so viele Tunnel auf dem Weg nach Graz zu fahren. Er verglich die Fahrt mit einer Tour durch einen Maulwurfhügel. Er hatte sich die Fahrten mit dem Sonderfahrdienst der letzten Monate aufgespart, um mit nach Graz zum Sommercamp zu kommen.
Waltraud David vom Vorstand von Mensch zuerst machte eine Begegnung der besonderen Art mit der Deutschen Bahn auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen. Von Saarbrücken kommend war es für die blinde Rollstuhlnutzerin nicht möglich, am Regionalbahnhof des Frankfurter Flughafens auszusteigen, weil es für den Zug keine Ausstiegshilfe für Rollstuhlnutzer gab.
„Ich musste also erst am Frankfurter Flughafen vorbei fahren, um am Frankfurter Hauptbahnhof in eine S-Bahn umzusteigen, die wieder an den Regionalbahnhof des Flughafens zurück fuhr, wo der Ausstieg dann möglich war. Das hätte fast dazu geführt, dass ich meinen Flieger verpasst hätte, weil mir dies erst auf der Fahrt gesagt wurde“, so Waltraud David.
Aber auch in Österreich selbst war die Anfahrt für behinderte TeilnehmerInnen des Sommercamps nach Graz nicht ganz ohne Hürden. „Es ist unglaublich, dass es zwischen der zweitgrößten und der drittgrößten Stadt Österreichs nicht möglich ist, als Rollstuhlfahrer mit dem Zug zu fahren“, erklärte ein Teilnehmer. Gemeint ist die direkte Zugverbindung von Linz nach Graz, auf der keine Wagen eingesetzt werden, die von Rollstuhlfahrern genutzt werden können.
Es gab aber auch eine Reihe positiver Erlebnisse mit den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Maria Anna Hilscher lobte beispielsweise den „super Service“ der ÖBB, der dafür gesorgt hatte, dass sie ihren äußerst knapp bemessenen Anschlusszug ohne Probleme erreichen konnte. Die Bediensteten der ÖBB hätten sie sehr freundlich über die Gleise gebracht, damit sie den Zug erwischen konnte.
Angesichts des drohenden Streiks der Lokführer der Deutschen Bahn plagen einige der TeilnehmerInnen aus Deutschland aber bereits Sorgen, wie sich die Rückfahrt nach Deutschland gestalten wird.