Umgang mit behinderten Menschen: Euer Mitleid kotzt mich an!

Ich muss es mal schreiben. Es ist undiplomatisch, ruppig und nicht gerade etwas, das man von einem Menschen hören will, der Kommunikation zum Beruf gemacht hat.

Behinderte Menschen unerwünscht
Link, Dipl.-Pol. Christiane

Und in der Tat verstehe ich meine Arbeit als PR’ler für die Sache der blinden und sehbehinderten Menschen so, dass ich auch den Kontakt zu Mitbürgern suche, die Vorurteile gegenüber Behinderten haben.

Ich habe die Hoffnung nicht verloren, ihre Vorurteile abbauen zu können. Und das werde ich auch weiter versuchen. Dennoch gibt es auch eine Wahrheit, die ich mal so klar hier formulieren muss: Euer Mitleid kotzt mich an!

Es war auf meinem Weg zur Arbeit, als mich auf dem U-Bahnsteig eine ältere Dame ansprach: „Kann ich Ihnen beim Einsteigen helfen?“

Diese Frage wird mir häufig gestellt, und ich finde sie absolut okay. Ich sage dann in der Regel, so auch zu der älteren Dame: „Nein danke, das geht schon.“

Nach einer kurzen Pause fragt sie: „Und geht das wieder weg?“

Sie meint meine Blindheit. Da bin ich mir sicher. „Nein, das geht nicht mehr weg“, sage ich denn auch.

„Wie schrecklich“, platzt es aus ihr heraus, „so ein junger Mann.“

Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass sie mir doch sagt, wo sich die Wagontür befindet, obwohl ich längst gehört habe, wo sie aufgegangen ist. In der Bahn will sie mir zeigen, wo ein freier Platz ist, obwohl ich vor einem Tag am Schreibtisch auch gern mal in der Bahn stehe. Es ist dieses Nicht-ernst-nehmen, das mich so wütend macht. Wenn ich sage, dass ich keine Hilfe möchte, dann ist das so. Wenn man mich dann nicht in Ruhe lässt, dann spricht man mir ab, selbst zu wissen, was gut für mich ist.

Es kam aber in diesem Fall noch schlimmer. Kurz vor dem Bahnhof, in dem ich umsteigen muss, kam die mitleidende Dame zu mir: „Wo möchten Sie denn gleich hin? Ich helfe Ihnen.“

„Bitte lassen Sie mich doch jetzt in Ruhe“, bat ich. Ich fühlte mich schlecht, irgendwie bedrängt.

„Ich möchte ja nur helfen“, rechtfertigte sie sich, um dann noch ein paarmal „wie schrecklich, so ein junger Mann“ vor sich hinzumurmeln.

Ich bezweifle, dass solche Menschen wirklich nur helfen wollen. Sie verlangen Dankbarkeit für etwas, das ich gar nicht haben will. Ihr Mitleid ist keine Hilfsbereitschaft, ihr Mitleid ist Überheblichkeit. Sie nehmen mich nicht als gleichberechtigten Menschen, sondern als hilfebedürftiges Wesen wahr. Sie übertragen ihr abwertendes Bild von Behinderung auf die behinderten Menschen selbst – ich jedenfalls hatte den Eindruck, mich für meine Blindheit rechtfertigen zu müssen. Möglicherweise fühlen sich die meist älteren Mitbürger sogar noch besonders menschlich, christlich vielleicht, aber das sind sie nicht. Im Gegenteil: ihr aufgedrängtes Mitleid tut weh. Ich jedenfalls fühlte mich an diesem Morgen schwach und entmündigt. Es ist nicht meine Behinderung, die im Alltag frustriert. Es sind Begegnungen wie diese, die Wut erzeugen.

Bereits im Januar 2007 schrieb Christiane Link – sie lebt als Rollstuhlfahrerin in London – in ihrem Blog „Behindertenparkplatz„: „Ich bin jetzt seit mehr als einem Monat in Großbritannien und ich glaube, es war der erste Monat meines Lebens (meine USA-Aufenthalte ausgenommen), in dem mir kein einziger Mensch begegnet ist, der mich offensichtlich bemitleidete. Und das obwohl ich jeden Tag mit Kreti und Pleti im Bus durch die halbe Stadt gurke und manchmal Leute anspreche, ob sie mir in den Bus helfen können, wenn die Rampe sehr steil ist. Können wir das in Deutschland vielleicht auch mal trainieren? Hilfsbereitschaft ohne Mitleid.“

Ich möchte Begegnungen wie die mit der Frau in der U-Bahn nicht mehr haben. Und ich bilde mir auch ein, dass sie tendenziell seltener werden. Meine Vision ist, dass es auch in Deutschland eine Zeit geben wird, in der kein behinderter Mensch mehr solche Situationen erleben muss. Daher werde ich auch weiter gegen Vorurteile und für einen respektvollen Umgang mit behinderten Menschen streiten. Ich werde auch weiter über Möglichkeiten und Grenzen blinder und sehbehinderter Menschen informieren und das Gespräch zum Thema suchen.

Ich freue mich darauf, Vorurteile abzubauen und Wissenslücken zu schließen (bei meinem Gegenüber und bei mir). Aber ich werde auch sagen, wenn mich Euer Mitleid ankotzt.

Dieser Artikel erschien ursprünglich im Blog von Heiko Kunert. Lesenswert sind auch die sehr zahlreichen Kommentare zum Artikel.

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25 Kommentare

  • Hallo, ich finde die Behinderten die sich mit ihren Schicksal auseinandersetzen super und die sich durch ihren Kampf in der Gesellschaft zurechtfinden. Ich bin nicht behindert aber mein Cousin mit dem ich groß geworden bin….er akzeptiert nicht sein Schiksal und ich habe mich jahrelang um ihn gekümmert weil er nicht in die Betreuung der Lebenshilfe will. Ich bin Alleinerziehend und mit meinen Kräften am Ende! Ich habe ihm nahegelegt sich doch Hilfe von den Einrichtungen zu holen….jetzt ist er richtig bösartig mir gegenüber und behauptet ich wär Suchtkrank und Sexsüchtig…so richtig fies…ich bin sehr gekränkt nachdem er so ist!
    Ich habe alles uneigennützig für ihn gemacht….und nie ein Danke gehört.
    Ich bin sehr verzweifelt und verletzt!!!!!!!

  • @Maulwurf:
    Einen Artikel, der im Bezug auf Hilfsbereitschaft die ihren zweck leider nicht erfüllt hat den Begriff „kotzen“ verwendet den kann ich beim besten Willen nicht als in Ordnung empfinden.

    Und würde es nur um den einen Forumsbeitrag gehen wäre es mir auch ziemlich wurscht. Ich weiß aber aus Erfahrung, dass es durchaus noch mehr Leute gibt die so eine Reaktion in der Öffentlichkeit als undankbar einstufen.

  • Lieber Blindwurm, der Artikel ist völlig in Ordnung – und was den Eintrag von „Doris“ betrifft: Wenn jemand auf Grund so eines Artikels meint, blinden Menschen nicht mehr helfen zu wollen, dann hat dieser den Artikel nicht verstanden und bezweifle auch sein Engagement gegenüber behinderten Menschen. Manche Forums-Einträge sollte man nicht zu ernst nehmen.

  • @Anonym: Es ist kein Problem zu Hilfe nein zu sagen.
    Aber ich sehe sehr wohl ein Problem darin auf einer ÖFFENTLICHEN Plattform wie dieser hier solche Artikel zu schreiben und damit zu riskieren hilfsbereite Menschen zu vergraulen. (Siehe Beitrag von Doris).
    Mir tut es um jeden Helfer leid der so verärgert wird.
    Und Hilfsbereitschaft weil einem die Art nicht passt in der ÖFFENTLICHKEIT mit Ausdrücken wie „kotzen“ zu kommentieren empfinde ich als ungeheuerlich!

  • Die Natur hat dem Menschen die Fähigkeit gegeben, sich aufzuregen, unabhängig von der Ursache.
    Seien wir dankbar für diese Fähigkeit, denn „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.“ (A. Einstein)

  • @ Anonym: Naja. Manche brauchen es eben so.
    Ich kann in solchen Situationen auch ganz ungehalten reagieren und wenn die Person dann meint, nie wieder helfen zu wollen, dann soll sie das tun. Jedem steht es frei, zu helfen.
    Auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen: Behinderte sind auch „nur“ Menschen, keine perfekt trainierten sozialen Roboter. Wer glaubt, dass behinderte lieblächelnde Wesen sind, die nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden, läuft gefahr, bitter enttäuscht zu werden.
    Wer mehr als ein ernst gemeintes Danke erwartet, etwa, dass ich im Alltagsstress mich mit der Psyche des Helfers auseinandersetze, um mit Fingerspitzengefühl zu reagieren, der ist leider falsch bei mir.

  • zu anonym unten: ich finde es auch. Es kommt darauf an, was jemand in so einer Situation empfindet. In diesem Fall war es Belästigung, wenn die Dame mit ihren Betüddelungen nicht aufhört, wenn jemand klar und deutlich ausdrückt, dass in diesem Fall Hr. Kunert keine Hilfe braucht und möchte. Wo liegt das Problem? Grundsätzlich finde ich aber auch, dass vieles schon besser geworden ist. Vielleicht wars Neugierde, dass diese ältere Dame wie eine Klette an Ihnen, Herr Kunert, klebte. Alles ist möglich – nix ist fix ;-)

  • und ich staune immer wieder über das nicht verstanden werden wollen, mitunter auch von gleichgestellten.

    es ist das gute recht jedes einzelnen „hilfe“ abzulehnen, wenn er/sie das nicht will oder der auf hilfe-geben-bestehende es auch nicht kann aus den verschiedensten gründen, die nur den hilfe-ablehnenden bekannt sind und niemanden etwas angehen. warum kann dieses recht nicht akzeptiert werden? wo ist das problem?

    auch finde ich es ungeheuerlich ein schlechtes niveau des autors anzudeuten.


  • Ich staune immer wieder welche Probleme manche Leute so haben.
    1: Diese Generation tut sich bekanntlich selbst schwer damit Hilfe anzunehmen. Aus diesem Eigenempfinden heraus wird dann eben öfter gefragt.
    Speziell das provokante Wort von Herrn Kunert am Anfang des Artikels finde ich daher völlig unangebracht
    2: Warum denn überhaupt ärgern? Hilfe erleichtert einem das ohnehin schon nicht immer leichte Leben. Deshalb freue ich mich prinzipiell darüber wenn mir jemand helfen will. Was da genau das Bewegmotiv ist und wie es passiert geht mir auf neudeutsch gesagt am A. vorbei da ich den betreffenden Mitmenschen ja wahrscheinlich ohnehin nie mehr treffe.
    @Doris: Ich würde Sie auch wenn ich Ihre Reaktion verstehen kann bitten Ihre Ankündigung nicht wahrzumachen keinem Blinden mehr zu helfen. Damit würden Sie sich aus meiner Sicht auf das Niveau des Autors dieses Artikels begeben, was ich nicht unbedingt als
    Aufstieg betrachten würde.

  • herr kunert, sie haben mein vollstes verständnis und ich bin ganz bei ihnen was das betrifft!

    oftmals, wie in ihrem fall, werde ich den eindruck nicht los, dass die aufgedrägte hilfe aus reinem eigeninteresse des zu helfen wollenden passiert. schlechtes gewissen? die gute tat des tages?

    auch ich will ernst genommen werden, wenn ich keine hilfe brauche. alles andere ist lästig, FR.DORIS!!

    und jetzt noch kurz zum mitleid:

    was ich an dem wort nicht mag, ist die aufforderung mit zu leiden. mit zu leiden mit jemandem der leidet. warum???
    ist es nicht schlimm genug wenn einer leidet? müssen denn andere durch sein leid auch leiden? nein, ich mag das wort nicht und das einhergehende verhalten auch nicht.

    liebe grüße an sie, Herr Kunert!!

  • Dieser Beitrag stimmt mich traurig, traurig, weil ausgerechnet ein Behinderter einen anderen Menschen auf sein Verhalten reduziert. Statt ein positives Beispiel funktionierender Hilfe darzustellen schrekct Kunert diejenigen ab, die hilfsbereit wären. Ich werde auf jedem Fall nie wieder einem Blinden helfen.

  • Ich bin seit bald 20 Jahren in Wien unterwegs und penetrante Helfer sind zum Glück nicht die Regel. Manche meinens halt besonders gut und andere schauen auf uns herab. Ich glaube, da muss man als behinderter Mensch einfach drüber stehen! Wie über vielen anderen Dingen auch! Unsere Gesellschaft entwickelt sich, aber halt nicht so schnell wie wir das gerne hätten! Ein bißchen Ignoranz zeigen, schont die Nerven!

  • Ich kann die Haltung von Herrn Kunert verstehen und nachvollziehen – Auch als „Rolli“ wird öfters Hilfe angeboten. Gerade bei Ablehnung von angetrunkenen „Helferleins“ sind diese dann erbost, dass man die Hilfe nicht annimmt. Leider sind die, die Hilfe anbieten oft nicht eingeschult, wissen nicht, wie man mit diversen Rollstühlen richtig umgeht. Aber selbst bei Fahren von Fahrtendiensten ist es schon vorgekommen, dass Rollstühle nicht fachgemäß behandelt wurden und somit kaputt geworden sind…

  • @ Morituz: Sie haben keine Ahnung. Sonst müssten Sie wissen, dass Heiko Kunert die Dame völlig zurecht an den Pranger stellt. Die Alternative ist natürlich nicht, keine Hilfe anzubieten. Sie wollen doch nicht allen Ernstes den Teufel mit dem Belzebub austreiben.
    Ich hatte schon mal eine Dame, die mir über die Straße helfen wollte. Und das bei Rot. Auf meine Ablehnung reagierte sie ziemlich aggressiv und meinte, dann wäre es ihr egal, dass ich überfahren werde. So schnell kanns vorbei sein mit der Hilfsbereitschaft. Wie Heiko richtig feststellt, wollen diese Leute nicht wirklich helfen.

  • Das ist ein echtes Luxusproblem. Wie oft sehe ich, dass einem Rollstuhlfahrer in einem Bus nicht Platz gemacht wird, dass ein Blinder keine Hilfe an der Ampel bekommt, obwohl er sie brauchen würde oder oder oder. Das die Dame vermutlich nicht ganz auf dem Damm ist wäre noch eine andere Möglichkeit, Heiko hat also diese Situation überinterpretiert.

  • Ich kenne einige ältere Menschen, die sich körperlich fit fühlen und deshalb diverse absolut gut gemeinte Hilfs- und Sitzplatzangebote dankend ablehnen. Das wird dann meist auch ohne weiteren Kommentar akzeptiert, wenn nicht finden diese älteren Menschen durchaus deutliche Worte um nicht gegen ihren Willen betüdelt zu werden. Dafür haben die meisten Menschen Verständnis, denn wer will schon älter gemacht werden, als er/sie sich fühlt. Wenn Menschen mit Behinderung Hilfsangebote dankend ablehnen, umweht sie gleich einmal der üble Geruch der Undankbarkeit, auch dann wenn das Hilfsangebot mit unangebrachten, herabwürdigenden kommentaren oder Handlungen verbunden ist. Hier schwingt eine allgemeine Geringerschätzung von Menschen mit Behinderung mit, die uns die Würde, die allen Menschen in gleicher Weise zusteht zumindest ein wenig abspricht. Warum eigentlich? Weil wir in manchen Situationen auf Assistenz angewiesen sind? Das sind alle Menschen in bestimmten Situationen und wer schon einmal in einem Technik-Fachgeschäft mit einer Frage von einem Verkäufer wie ein kleines Dummerl behandelt wurde, müsste eigentlich nachvollziehen können, wie man sich fühlt, wenn man durch das Verhalten anderer klein gemacht wird.
    Aber ich beobachte selbst auch, dass sich im Verhalten gegenüber Menschen mit Behinderung vieles positiv entwickelt. Es ist wohl auch eine Generationenfrage, jüngere Menschen verhalten sich häufig hilfsbereit bei Bedarf aber unaufdringlich. Ich halte das unter anderem für eine der positiven Entwicklungen aufgrund der schulischen Integration von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung und der Tatsache, dass viele Menschen mit Behinderung sehr intensiv in der Bewusstseinsbildung arbeiten. Die anstrengungen lohnen sich offenbar.

  • Also ich fahre viel mit den öffis in wien. So musste ich eines morgens mit der U3 fahren und weil keine V Wagen auf der Strecke waren, hab ich die erste Person, von der ich meinte, mir helfen zu können um Hilfe beim Einrollen gebeten. Die hat mich jedoch nicht verstanden, weil es ein fremdsprachiger Tourist war, dann bin ich weiter gerollt und bei der nächsten Person bin ich wieder auf Grund von Sprachschwierigkeiten gescheitert. Als ich die 3. Person angesprochen habe, bin ich auf einen „für den Urlaub fit gemachten“ Touristen gestoßen, der mir nach meiner Frage in sehr schöner Deutscher Aussprache gesagt hat: „Nein, ich gebe nichts“, ich bin vor lauter Lachen fast aus dem E-Rolli gekippt, so lustig fand ich das. Dabei hat mich ein junger Student offensichtlich beobachtet und ist dann zu mir gekommen und hat gesagt: Ich gebe auch nichts, doch ich helf ihnen jetzt beim Einstiegen in die U-Bahn, wie ich den E-Rolli ankippen muss, das weiß ich vom Einsatz als Zivi. Wir sind dann einige Stationen gemeinsam gefahren und hatten einen lustigen Morgen, weil wir zwei noch immer über den Mann, der „ich gebe nichts“ zu sagen gelernt hat, so richtig herzhaft lachen konnten. Übrigens dieser Mann hat uns dann beim Einrollen in die U-Bahn zugeschaut und es wahr im sehr sehr peinlich. Ja, es ist halt auch nicht immer gscheit, Phrasen zu lernen um dann im Ausland gut anzukommen. Ich habe den Tourist dann noch zugelächelt, damit vielleicht nicht sein Urlaub und die strenge Vorbereitung darauf ganz für den „Hugo“ war.

  • Herr Kunert wurde durch diese Dame offensichtlich belästigt. Ich finde, es ist sein gutes Recht, sich aufzuregen und dies auch auszudrücken.

    Vielleicht ist die Aufregung deswegen auch so groß, weil er sich bei der Dame nicht durchsetzen konnte, was natürlich das Maß der Belästigung vervielfacht.

    Ihm jedoch Diskriminierung vorzuwerfen, halte ich für eine weitere Belästigung.

  • @Karin: Wenn jemand mitteilt er möchte keine Hilfe und sie wird trotzdem immer wieder angeboten; ist das der gemeinte Anstand? Nur weil jemand ein gewisses Alter erreicht hat er/sie nicht automatisch gute Manieren. Sie haben wohl noch nie sich gegenseitig beflegelnde Seniorinnen und Senioren in der U-Bahn gesehen die sich z.B. wüst beschimpfen wer wo sitzen darf (in einem fast leeren U-Bahn-Abteil).

  • Vorerst ein Bravo an Martin Mair !!

    Das war kein Mitleid von der alten Dame, sondern Mitgefühl, Anstand gegenüber anderen Personen! Sie wollte ehrlichen Herzens nur helfen, dass ist bei dieser Generation so. Das Sie dabei aufdringlich wirkte war sicher nicht Ihre Absicht.
    Aber heute ist es ja besser wegzuschauen egoistisch und selbstverliebt durch die Welt zu gehen, ohne ein Fünkchen Anstand und Respekt anderen gegenüber. Aber ich hoffe inständig für Sie, dass sich keiner mehr aufdrängt, Ihnen helfen zu wollen!! Das einzige was ich beim Lesen Ihres Berichtes als überheblich empfunden habe, sind Sie selbst.

    • @ Karin,
      31.07.2013, 14:59

      Mitleid wie Mitgefühl möchte kein behinderter Mensch, sondern so behandelt werden, wie jeder andere auch, der nicht behindert ist.

      Ich habe es selber als E-Rollstuhlfahrer erlebt, das eine Frau auf mich zukam und mich fragte ob sie mir helfen können (Anmerkung, ich wartete auf die U-Bahn). Ich verneinte. Als ich dann in die U-Bahn reinfahren wollte, stellte sie sich halb in die offene Tür und fragte, ob sie mir beim reinfahren helfen könne. Ich verneinte wieder mal. Was macht sie, sie ruft laut in der Bahn herum, Achtung ein E-Rollstuhlfahrer kommt machen sie Platz. Da ist mir der Kragen geplatzt und habe sie laut angesprochen, das sie endlich lassen soll und ich ihre Hilfe nicht haben will.

      Genauso gibt es genügend verschiedenste Situation im Geschäft, beim einkaufen. Da kommt regelrecht eine Kundin angestürmt und will mir bei eintüten von Erdbeeren helfen oder man steht an der Kasse, und man fast immer gefragt, ob man vor möchte. Warum eigentlich, ich kann genauso lange warten wie ein gesunder Mensch. Ich ignoriere schon die frage und schaue woanders hin.

      Das beste war, das ein Kunde mir meine Sachen, die ich bezahlen wollte, ungefragt abnahm und vor seinen legte. Und dann Platz machte, damit ich an ihm vorbeifahren kann. Ich machte ihn aufmerksam, wenn er mir die Sachen nicht sofort wiedergibt, kann er sie selber bezahlen und ich nicht vorgelassen werden will.

      Er versuchte sich mit den Wort, ich will ja nur helfen, zu verteidigen. Auf so welche Hilfen kann ich gut verzichten. Denn für mich, wie wohl alle anderen behinderten Menschen, ist es wichtig, es selber zu schaffen. Erst wenn man es merkt, das man es nicht schafft, dann ist es ok, wenn andere helfen. Und dafür gibt es den Mund und die Stimme, wo man dann verbal um Unterstützung bitten kann.

      Ein Kumpel von mir macht das richtig gut. Er reagiert erst, wenn ich ihn frage, ob der mich unterstützen kann. Am Anfang, wo ich den Rollstuhl bekommen habe, hat er ab und zu Vorsicht zu Menschen gesagt, wenn ich knapp an ihnen vorbeifuhr (Platzmangel). Ich habe ihn dann gesagt, er soll es lassen. Da die Menschen dann anders reagieren, als wenn man schnell an ihnen vorbeifährt. Dadurch kann es zu einem Zusammenstoß kommen. Denn ich nicht haben will.

  • Ich kenne dasselbe Phänomen als Angehörige eines Rollstuhlfahres. Sehr häufig stoßen mein Mann und ich auf bauliche Barrieren. Wenn wir dann meinen, dass eine Rampe auch kein Luxus wäre, heißt es so gut wie immer: „Wir helfen eh!“ Und da schwingt beim mir auch immer sehr stark der Vorwurf der Undankbarkeit mit, dass wir uns nicht dankbar helfen lassen. Dabei ist es für mich unglaublich entwürdigend, wenn mein Mann über (einzelne) Stufen gehoben und geschoben werden muss, um z.B. eine Buchhandlung zu betreten.

    Und: Ja, ich habe sehr stark den Eindruck, dass das besonders im deutschen Sprachraum ein Phänomen ist, weil wir auf vielen Reisen ganz andere Reaktionen erlebt haben. Z.B. Problembewusstsein und eine Entschuldigung dafür, dass es eine Barriere gibt. Das erlebe ich in Österreich praktisch nie.

  • als rollstuhlfahrer teile ich diese erfahrung, und zwar von mitmenschen aller altersklassen. manche meinen jedoch dass ich manchmal zu sensibel bin. wahrscheinlich liegt die wahrheit irgend wo in der mitte — ich bin möglicherweise diesbezüglich übersensibel aber viele scheinen das auch in mir zu provozieren. und es stimmt, der (subjektiver) vergleich mit anderen länder (vor allem angelsächsische länder) zeigt mir das wir in mitteleuropa viel nachhol bedarf haben. aber zumindest hat sich (subjektiv für mich) die situation in österreich über die jahre deutlich verbessert. oder vielleicht bin auch nur abgestumpft… ;)

  • Ja, manche Menschen sind eben „komisch“. Ich halte es aber nicht für sinnvoll sich darüber aufzuregen, denn das kann ja auch selbst wieder eine Form der Diskriminierung sein, da wir ja die „älter Dame“ auch nicht kennen, und diese vielleicht selbst einsam ist – viele ältere Menschen sind in Österreich einsam und diskriminiert !!! -, sich nicht mehr gebraucht vor kommt, und Menschen braucht, für die sie etwas tun kann. Ich finde daher diesen Artikel schon etwas unüberlegt und diskriminierend!

  • Diese Reaktion der Dame, die Sie beschreiben, ist schon sehr heftig, ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass das die Norm ist. Ich bin ziemlich viel in Öffis in Wien unterwegs aber so etwas habe ich noch nie gehört, die meisten Menschen reagieren bereits relativ normal und bieten Hilfe an, wenn man verneint insistieren sie nicht weiter. Jedenfalls ist Ihr Blogeintrag wahrscheinlich außer zur Psychohygiene realtiv sinnlos, denn als PR- Profi müssten Sie wissen, dass Ihre Botschaft sicher nicht die Zielgruppe erreichen wird. ;)