Umstrittener Superman

Oliver Tolmein hat sich mit dem Leben von Christopher Reeve beschäftigt. Für viele der Inbegriff eines amerikanischen Helden, war Christopher Reeve andererseits vor allem in der Behindertenbewegung umstritten.

Christopher Reeve
University of California

In den USA war Christopher Reeve, der am 10. Oktober 2004 verstorben ist, der Star der Supermann-Filme, erst nach seinem schweren Reitunfall 1995, wirklich ein Held – vor allem für die vielen Millionen Menschen ohne Behinderung. Sie sahen in ihm einen, der es schaffen könnte – Als Rollstuhlfahrer nicht zu verzweifeln und sich umzubringen und dann, vor allem, vom Rollstuhlfahrer wieder zum Fußgänger zu werden: mit Hilfe von Stammzell-Forschung und Gentechnik, mit eisernem Willen und viel Geld.

Damit verkörperte Reeve den modernen amerikanischen Traum der Biomediziner – dass auch der, der tief gefallen ist, vom Supermann zum fast vollständig bewegungsunfähigen Querschnittgelähmten, wieder ganz nach oben kommen kann. Für viele Nichtbehinderte war Christopher Reeve auch ein Sprecher der Behindertenbewegung: Er brachte Themen und Menschen in die Prime-Time-Sendungen, die dort sonst selten gezeigt wurden. Behinderte Akrobaten und Alte, die in Pflegeheimen verzweifelten, Alzheimer-Kranke und Karikaturisten auf Krücken. Mit seiner Stiftung unterstützte der Multimillionär vor allem Initiativen, die sich für Menschen mit neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer, Multiple Sklerose oder Lähmungen einsetzten.

Reeve, der auch im Rollstuhl noch als Schauspieler arbeitete, profilierte sich nach seinem folgenreichen Unfall als unermüdlicher Streiter für soziale Menschenrechte: Er engagierte sich für besseren Versicherungsschutz, er forderte, dass Hollywood sich auch verstärkt sozialer Themen annähme, er kämpfte aber vor allem dafür, dass die modernen biomedizinischen Verfahren gefördert werden sollten. Während George Bush aus religiösen Gründen die Projekte mit menschlichen embryonalen Stammzellen von der Liste der öffentlich geförderten Forschungsvorhaben strich, verlangte Reeve gerade hier Schwerpunkte zu setzen.

Reeve, der in der Öffentlichkeit als Muster eines kämpferischen Behinderten wahrgenommen wurde, war in der Behindertenbewegung selbst umstritten. So genau die zahlreichen Gruppen im Land wissen, dass auch ihre Bürgerrechtsbewegung nur erfolgreich ist, wenn sie ein Gesicht und einen Namen hat, so sehr haben sie sich dagegen gesträubt, dass Reeves, der 400.000 Dollar jährlich für seine Rehabilitation einsetzte und mit großem Einsatz dafür kämpfte wieder laufen zu können und nichtbehindert zu sein, ihr großer Sympathieträger sein soll.

„Man stelle sich vor: Ein Idol der Schwulenbewegung, dass sich nicht sehnlicher wünscht als heterosexuell zu sein; eine Meinungsführerin des Feminismus, die lieber ein Mann wäre“, kommentierte die Behindertenbewegungs-Aktivistin Mary Johnson im US-amerikanischen Magazin „Ragged“.

Reeve, kritisierten auch andere Kommentatoren aus der in den USA mittlerweile recht einflußreichen Behindertenbewegung, setzte seine Hoffnung auf den medizinischen Fortschritt. Ziel der Behindertenbewegung sei es aber, dass Menschen so und als das anerkannt werden, was sie sind. „Unser Maßstab“, hielt die Rollstuhlfahrerin Carolyn Linnell Christopher Reeve in einer Fernsehsendung entgegen, „sollten nicht die Fußgänger sein und wir sollten unsere Energien nicht darauf konzentrieren möglichst so zu werden wie sie: Dabei können wir nur verlieren“.

Reeve selbst, der zeitweilige Vizepräsident des Nationalen Behindertenverbandes war, hat sich deswegen auch selbst zusehends dagegen gewehrt, als Repräsentant „der Behinderten“ angesehen zu werden. Er hat mit den Aktivisten der Behindertenbewegung diskutiert und gestritten. Jeder, meinte er, müsse selbst schauen, woher er seinen Lebensmut beziehe. Er sei nicht als Rollstuhlfahrer geboren und er würde gerne wieder gehen lernen. Dieses Vorhaben konnte Reeve nicht verwirklichen.

Mit einem anderen war, wie immer man sein Verhältnis zur Behinderung auch sehen mag, er erfolgreich: Er hat, auch wenn er gegen seine Behinderung gekämpft hat, gern gelebt, Mitleid wollte er nie für sich und allen Widrigkeiten zum Trotz hat er sich auch nach seinem Unfall nicht aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.

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