UN-Behindertenrechtskonvention und Umsetzungsmöglichkeiten in Salzburg

Bericht von Dr.in Kimbie Humer-Vogl (Landtagsabgeordnete, stv. Klubobfrau, Bezirkssprecherin der Grünen Tennengau / Sprecherin für Gesundheit, Soziales, SeniorInnen, Inklusion, Ehrenamt, Religion)

Kimbie Humer-Vogl und Marianne Schulze
GRÜNE Salzburg

Können Sie sich vorstellen, dass Österreich von einem Bundeskanzler/einer Bundeskanzlerin regiert wird, der/die eine Behinderung hat? Der/die zum Beispiel blind ist, nichts hört oder gar mittels Sprachcomputer kommuniziert?

Nein? Dann haben wir ein Problem mit dem Bewusstsein über Menschen mit Behinderung, meint zumindest Dr.in Marianne Schulze. Und das ist eine, die es wissen muss.

Die unabhängige Menschenrechtskonsulentin leitet seit der österreichischen Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2008 den Monitoringausschuss zur Überwachung der Umsetzung dieser Konvention.

60 Mal hat dieser Ausschuss seither getagt: Zweimal jährlich ist diese Tagung öffentlich. Der nächste öffentliche Termin ist übrigens am 30. Oktober 2014 von 13.00 bis 17.00 in der Messe Wien (Thema „Partizipation“).

Marianne Schulze beim GRÜNEN Themenabend in Salzburg

Marianne Schulze war 29. September 2014, anlässlich eines GRÜNEN Themenabends zu den Umsetzungsmöglichkeiten der UN-Behindertenrechtskonvention in Salzburg zu Gast. Die Inhalte dieses Blogbeitrages sind ihrem Vortrag entnommen.

„In Österreich herrscht immer noch die ‚Licht ins Dunkel-Mentalität'“, so Marianne Schulze, „Dieses Bild ist von Mitleid geprägt und zielt auf Spenden ab“. Die meisten Menschen würden nach wie vor nicht wissen, wie sie auf Menschen mit Behinderungen zugehen können, geschweige denn, welche Art von Assistenz Menschen mit Behinderung brauchen würden. In Österreich gäbe es ein Parallelsystem für Menschen mit Behinderungen, so Schulze: Menschen mit Behinderung gehen in Sonderschulen, wohnen in Wohnheimen, arbeiten in geschützten Werkstätten. Dort würden sie in Watte gepackt, sodass ihnen ja nichts passiert.

Selbstbestimmung braucht Mut zum Risiko

Dabei, so Marianne Schulze, brauche Selbstbestimmung Fehler und die Würde des Risikos. Nur wer Fehler machen darf, kann auch dazu lernen. Dies zeigt sich deutlich in der Diskussion um die Sachwalterschaft: Jeder von uns hat schon mal sein Konto überzogen, warum darf das nicht auch jemandem mit Lernschwierigkeiten passieren?

Hier braucht es dringend einen Abbau von Barrieren in den Köpfen. Wie das gehen kann? In erster Linie dadurch, dass Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam die Schulbank drücken. Denn die Bildung ist der Dreh- und Angelpunkt für ein gleichberechtigtes Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung.

„Wir müssen eine Generation heranziehen, die sich nicht zu Tode fürchtet, wenn es darum geht Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen“, so Marianne Schulze.

Doch das derzeitige Schulsystem in Österreich könne das nicht leisten, dieses schaffe es derzeit auch nicht Kinder ohne sogenannte Behinderung dort abzuholen, wo es nötig wäre – geschweige denn Kinder mit hohem Assistenzbedarf. Dennoch sollte versucht werden, möglichst viele Kinder zu integrieren und alle Schulen barrierefrei zu machen.

Barrieren im Kopf abbauen

Außerdem brauchen Eltern mehr Unterstützung. Ein Kind mit Behinderung zu haben ist ein oft lebenslanger Kampf. Alles muss erkämpft werden: der Platz in der Frühförderstelle ebenso wie der Besuch einer Integrationsklasse, der Arbeits- oder Wohnplatz. Immer wieder werden Eltern zu Bittstellern deklassiert, oder ganz alleine gelassen. Will man auch in den Köpfen der Eltern „Barrieren abbauen“, sollte man sie dabei unterstützen, andere Bilder im Kopf entstehen zu lassen. Das geht über Bildmaterial, Informationsangebote, Unterstützung durch SelbstvertreterInnen. Ein Tipp ist auch das „Mut-Buch“ von WIBS.

Denn nur, wenn es gelingt, die Barrieren im Kopf abzubauen, können wir auf eine Zukunft hoffen, in der die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft auch für Menschen mit Behinderung selbstverständlich ist.

Dass es falsch ist, Menschen aufgrund eines Merkmals zu diskriminieren, hat die Geschichte mehrmals bewiesen: Die Themen der Behindertenrechte zeigen sich in der Frauenrechtsbewegung ebenso wie Menschenrechtsbewegungen (z.B. Apartheidsystem in Südafrika). Talente sind über alle Menschen hinweg gleichverteilt, Segregation bedeutet immer auch, auf die Talente der ausgeschlossenen Menschen zu verzichten.

Wir müssen uns von der Idee verabschieden, dass wir „sogenannten chronisch mehrfach normalen Menschen“ wissen, was Menschen mit Behinderung brauchen. Und alles daran setzen, Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen.

Das ist gar nicht schwierig, denn im Prinzip wollen Menschen mit Behinderung das gleiche wie wir alle. Wir müssen nur endlich beginnen, ihnen Alternativen anzubieten, sie nach ihren Wünschen, Vorstellungen und Zielen zu fragen, ihre Antworten ernst zu nehmen und ihnen für die Umsetzung die notwendige Assistenz zur Verfügung zu stellen!

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