Universal Periodic Review: Menschenrechte auf dem Prüfstand

Serie: Wie funktioniert der Menschenrechtsschutz mit Konventionen?

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In Teil 4 unserer Artikelserie stellen wir die Universelle Menschenrechtsprüfung der UNO vor.

Kommenden Herbst, genauer gesagt im November, ist es wieder soweit: Die UNO überprüft die Lage der Menschenrechte in Österreich.

Nach 2011 muss sich unser Land bereits zum zweiten Mal dieser periodischen Überprüfung unterziehen, die offiziell „Universal Periodic Review – UPR“ heißt und auf Deutsch in etwa mit „Universelle Menschenrechtsprüfung“ übersetzt werden kann.

Mit diesem noch recht jungen Instrument hat sich die UNO zum Ziel gesetzt, den Stand der Menschenrechte in ihren Mitgliedsstaaten in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Was die Universelle Menschenrechtsprüfung kann und wie sie funktioniert, erfahren Sie in Teil 4 unserer Artikelserie.

Berichte und interaktiver Dialog

Bei der Universal Periodic Review werden die Mitgliedsstaaten der UNO in Abständen von vier Jahren überprüft. Dem UN-Menschenrechtsrat – einem Unterorgan der UN-Generalversammlung – werden sowohl ein Staatenbericht als auch eine Zusammenfassung der Schattenberichte von NGOs vorgelegt. Zusätzlich zu diesen Länderinformationen erstellt das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte einen Bericht über die Befunde sämtlicher Fachausschüsse.

Das Überprüfungsverfahren läuft dann als interaktiver Dialog ab: Bei der Sitzung präsentiert der jeweilige Staat seinen Bericht, im Anschluss daran haben die anderen UNO-Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, Fragen zu stellen und den Bericht zu kommentieren. NGOs können das Verfahren zwar vor Ort verfolgen, sie haben jedoch kein Rederecht.

Am Ende des UPR-Prozesses verfasst die UNO Empfehlungen an den überprüften Staat. Als Grundlage der Überprüfung werden die UN-Charta, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie sämtliche UN-Menschenrechtsabkommen, die der jeweilige Staat ratifiziert hat, herangezogen.

Ja, nein, vielleicht

Österreich wurde 2011 zum ersten Mal im Rahmen von UPR geprüft. Die Empfehlungen, die im Anschluss an die Überprüfung von der UNO formuliert wurden, waren für Insider nicht überraschend und entsprechen langjährigen Forderungen der Zivilgesellschaft. Was bei diesem Prozess besonders ist: Die Staaten haben die Möglichkeit festzulegen, ob sie Empfehlungen annehmen, zurückweisen oder prüfen.

Österreich hat einen Punkt der Empfehlungen zurückgewiesen, nämlich die volle Gleichstellung für gleichgeschlechtliche Partnerschaften inklusive Adoption. Bei zahlreichen anderen Forderungen in den Bereichen Antidiskriminierung und Rassismus hat die Regierung angekündigt, die Empfehlungen zu prüfen oder umzusetzen.

In der Halbzeit zwischen zwei Prüf-Verfahren können die Mitgliedsstaaten einen Zwischenbericht abliefern (mid-term-report), in dem sie Auskunft geben, welche Schritte gesetzt wurden.

Rosinenpflücken im Selbstbedienungsladen

Heute, vier Jahre nach der ersten Überprüfung drängt sich der Verdacht auf, dass sich die Regierung wie in einem Selbstbedienungsladen jene Empfehlungen herausgesucht hat, die der Koalition gerade passen. Von einer umfassenden Strategie zur Verbesserung der Menschenrechte ist nicht viel zu erkennen.

Diesen Eindruck bestätigt auch die Menschenrechtsexpertin Marianne Schulze: „Ja, die Empfehlungen werden mit einer Art ‚Rosinentechnik‘ ausgewählt und Großteils sehr oberflächlich behandelt“, lautet ihr Befund. Schulze sieht in Österreich aber allgemein einen „leidenschaftslosen Umgang“ mit internationalen Empfehlungen. Was Schulze besonders negativ aufgefallen ist: „Manche VertreterInnen der Ministerien werten die Empfehlungen je nach Land, das die Empfehlung ausgesprochen hat. Da werden Ressentiments – auch rassistischer Art – schmerzlich offensichtlich.“

Insgesamt sieht sie im UPR-Prozess aber eine gelungen Möglichkeit, einen einheitlichen Menschenrechts-Standard aufzuzeigen, an dem alle UN-Mitgliedsstaaten gemessen werden sollten.

Sorgenkind Levelling-up

Der Klagsverband hat in seinem Schattenbericht für UPR 2011 folgende Forderungen bekräftigt : Angleichung des Diskriminierungsschutzes außerhalb der Arbeitswelt (Levelling-up), Maßnahmen gegen rassistische Vorfälle bei der Polizei, fehlender Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch bei Barrierefreiheit und Inklusion vor allem im Bildungsbereich.

Das sogenannte Levelling-up gehört zu den Sorgenkindern des Klagsverbands, weil es trotz mehrfacher Versuche der Regierung bis heute nicht gelungen ist, die Angleichung des Diskriminierungsschutzes außerhalb der Arbeitswelt durchzusetzen. Obwohl neben UPR auch andere internationale Gremien Österreich dringend empfohlen haben, den Diskriminierungsschutz zu harmonisieren, entsteht nicht der Eindruck, dass sich die Regierung davon beeindrucken lässt.

Marianne Schulze spricht sich dafür aus, den UPR-Prozess nur als eine Dimension beim Levelling-up zu sehen und deshalb nicht gleich das gesamte Verfahren zu verurteilen. „Man muss mit dem UPR-Prozess sehr vertraut sein, um zu sehen, dass Österreich hier seine Regelungen mit internationalen Verpflichtungen in Einklang bringen könnte“, plädiert sie für eine differenzierte Sichtweise, um anschließend aber festzuhalten: „Der Eindruck, dass UPR keinerlei Auswirkungen auf das Levelling-up hat, ist leider schwer zu widerlegen.“

Kann Spuren von UPR enthalten …

Aber wie sieht es mit der Wirksamkeit der UPR-Empfehlungen nun tatsächlich aus? Ein Blick auf die jüngste Novelle des Strafgesetzbuches zeigt derzeit eigentlich nur eine Verbesserung: Der Schutz vor Verhetzung wurde mit der Strafrechtsreform ausgeweitet, die vielen anderen Empfehlungen werden – zumindest im Strafrecht – bislang nicht in der aktuellen Politik abgebildet.

Tragende Rolle von NGOs

In Österreich bemüht sich die Initiative menschenrechte.jetzt besonders um den UPR-Prozess. Diese Vernetzung von mehr als 270 Nichtregierungs-Organisationen koordiniert auch die Schattenberichte der Zivilgesellschaft. NGOs haben beim UPR-Prozess eine maßgebliche Rolle: Sie können mit ihren Berichten dazu beitragen, die Situation in ihren Ländern differenzierter darzustellen als dies die Mitgliedsstaaten selbst tun. Aber auch bei den Sitzungen bei der UNO in Genf ist es möglich, andere Länder anzusprechen und Lobbying für bestimmte Themen zu machen. Durch den interaktiven Dialog, der bei der UPR-Prüfung stattfindet, kann nachvollzogen werden, welche Länder, bei welchen Themen nachgehakt oder besonders kritisch gefragt haben.

In diesem Zusammenhang ist es Marianne Schulze ein Anliegen, über die strukturelle Situation von NGOs in Österreich zu sprechen: „Die Initiative menschenrechte.jetzt hat in den vergangenen Jahren keine finanziellen Mittel für ihre Aktivitäten im Zusammenhang mit UPR erhalten“, erklärt sie. Um bei den Sitzungen in Genf im Sinne einer Anwaltschaft für Menschenrechte Lobbying zu machen, hätten die ehrenamtlichen Ressourcen nicht gereicht. Sie könne deshalb auch nicht einschätzen, welchen Einfluss die Lobbying-Arbeit der österreichischen NGOs vor Ort haben könnte.

Prozess mit Potential

Wie beurteilt Marianne Schulze, die selber schon bei der UPR-Prüfung in Genf dabei war, den Umgang von anderen Ländern mit diesem Menschenrechts-Verfahren? „Da gibt es ein breites Spektrum“, weiß sie. Das Menschenrechtsverständnis einer Regierung spiele genauso eine Rolle, wie der politische Auftrag in diesem Bereich.

„Aber auch die Frage der Finanzierung von zivilgesellschaftlicher Arbeit ist ein wichtiger Faktor“, gibt die Menschenrechtsexpertin zu bedenken, um gleich zu ergänzen: „Da haben Organisationen in Österreich entscheidende Nachteile.“ Alles in allem gebe es aber viele positive Beispiele, wie einzelne Länder mit den Empfehlungen umgehen und was sich aus dem UPR-Prozess für die Menschenrechte alles herausholen lasse, so Schulze.

Österreich steht nun in den Startlöchern für UPR 2015. Der Klagsverband hat seinen Schattenbericht bereits abgegeben. Bleibt zu hoffen, dass die Universelle Menschenrechtsprüfung zu einem Motor zur Verbesserung der Menschenrechtssituation in unserem Land werden kann.

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