Ein sogenannter Ad-hoc-Ausschuss soll dieses mögliche rechtsverbindliche Instrument diskutieren; diese wesentliche internationale Initiative wird auch von der EU begrüßt.
Dieser Ad-hoc-Ausschuss der Vereinten Nationen wurde aufgrund einer Initiative der mexikanischen Regierung vom Dezember 2001 mit UNO-Entschließung 56/168 eingesetzt, um „Vorschläge für ein umfassendes und integrales internationales Übereinkommen über die Förderung und den Schutz der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderungen zu prüfen.
Wenngleich diese Diskussion auf internationaler Ebene nicht unbedingt neu ist – wurden doch bereits in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts zahlreiche Initiativen der Vereinten Nationen für die Rechte und die Würde von Menschen mit Behinderung gesetzt -, so hat dieser jetzt anlaufende Diskussionsprozess doch eine nicht vernachlässigbare wichtige Neuerung mit sich gebracht: Die Absicht ist es offenkundig von den bislang unverbindlichen internationalen Instrumenten (Empfehlungen/Resolutionen) zu einem rechtsverbindlichen, durchsetzbaren Instrument zu kommen.
Nun erstattete auch die Europäische Kommission an den Rat und das Europäische Parlament am 24. Jänner 2003 eine Mitteilung, mit der sie ihre Position zu dem Vorhaben der Vereinten Nationen, ein rechtsverbindliches Instrument zur Förderung und zum Schutz der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderung schaffen zu wollen, zum Ausdruck brachte.
Die Europäische Kommission erklärt in ihrer Mitteilung vor allem, dass sie diese Initiative der Vereinten Nationen, die auch die weitestgehende Einbindung von Nichtregierungsorganisationen z. B. Interessenvertretungen behinderter Menschen umfasst, sehr begrüßt und betont die Übereinstimmung mit der Linie der Europäischen Union in Angelegenheiten von Menschen mit Behinderungen:
Die aktive Beteiligung der Gemeinschaft an den Bemühungen, auf internationaler Ebene effektive Mechanismen zur Bekämpfung von Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu entwickeln, wäre auch eine natürliche Ergänzung zum Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen. Sie würde ein starkes Signal an die internationale Gemeinschaft bezüglich des hohen Stellenwertes sein, den die Europäische Gemeinschaft den Rechten von Menschen mit Behinderungen beimißt.
Die internationale Staatengemeinschaft UNO hat zwar unterstrichen, dass sie dem Prinzip verpflichtet ist, daß Menschenrechte gleichermaßen für Menschen mit Behinderungen gelten, doch vor diesem Hintergrund merkt die Europäische Kommission an:
Die Achtung des Gleichheitsgrundsatzes, des Kernstücks jedes Instruments zur Wahrung der Menschenrechte, setzt voraus, dass sichergestellt wird, dass Menschen mit Behinderungen ihre Rechte auf der gleichen Grundlage wahrnehmen können wie andere Menschen. Zwar sind in den letzten Jahren beträchtliche Fortschritte erreicht worden, es bleibt jedoch eine Reihe von Problemen bestehen, die es Menschen mit Behinderungen nicht erlauben, in vollem Umfang am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Daher lautet eine Schlüsselfrage, ob der durch die bestehnden internationalen Instrumente zur Wahrung der Menschenrechte gewährte Schutz für Personen mit Behinderungen angemessen ist oder nicht.
Und diese kritische Frage kommt nicht von ungefähr; stellte der Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen etwa fest:
In den meisten Ländern nehmen Verstöße gegen die Menschenrechte von Behinderten die Form einer unbewussten Diskriminierung an, wozu auch gehört, dass Menschen Barrieren errichten und aufrecht erhalten, die Behinderten eine uneingeschränkte soziale, wirtschaftliche und politische Beteiligung an Leben ihrer Gemeinschaften verwehren. Die meisten Regierungen haben offenbar ein eng gefasstes Verständnis der Menschenrechte in Bezug auf Behinderte und sind der Auffassung, sie brauchten lediglich darauf zu verzichten, Maßnahmen mit negativen Auswirkungen auf diese zu ergreifen. Als Folge davon werden Behinderte im Bereich der Menschenrechtspolitik und -gesetzgebung vernachlässigt.
Diese Feststellung entspricht auch den Erfahrungen der Behindertenbewegung in Österreich. So wehrte sich die österreichische Politik lange Zeit gegendie Aufnahme des Benachteiligungsverbotes in Art. 7 der Bundesverfassung, weil „der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG ja sowieso auch für behinderte Menschen gelte“. Und dennoch wurde diskriminiert und benachteiligt. Und dann trat nach dem Bericht über behindertendiskriminierende Bestimmungen im Bundesrecht vom März 1999 die lange politische Flaute in Sachen Behindertengleichstellung in Österreich ein.
Facit: Allgemeine Rechte gelten, auch wenn sie für alle Menschen gelten sollten, noch lange nicht selbstverständlich in gleicher Weise auch für behinderte Menschen. Deshalb braucht es spezifische Gleichstellungsrechtefür behinderte Menschen, die man auch im Gerichts- oder Verwaltungsinstanzenzug durchsetzen kann.
Doch die Europäische Kommission spricht in ihrer Mitteilung nicht bloß ein politisches Bekenntnis und eine politische Absichtserklärung aus; sie bringt sich in diesen internationalen Diskussionsprozess auch bereits durch konkrete Vorschläge zu den Eckpunkten eines solchen rechtsverbindlichen Instruments zur Förderung und zum Schutz der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderung ein:
Die Kommission setzt sich für ein effektives und realistisches rechtsverbindliches Instrument zur Förderung und zum Schutz der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderungen ein. Dabei sollten folgende Hauptgrundsätze als Leitlinie dienen:
- Rechtliche Bekräftigung des Grundsatzes, wonach Menschen mit Behinderungen die gleichen Grundrechte wie ihren Mitmenschen zustehen,
- Rechtliche Bekräftigung der Grundwerte Gleichbehandlung, Würde, Freiheit und Solidarität,
- Sicherung der gleichen effektiven Inanspruchnahme aller Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen durch Bekämpfung sämtlicher auf der Behinderung beruhenden Formen der Diskriminierung unter Förderung der Gleichbehandlung und der Berücksichtigung der Unterschiede.
Das Rechtsinstrument sollte für das gesamte Spektrum der Menschemrechte gelten und dieses ermitteln, einschließlich der politischen und staatsbürgerlichen Grundrechte sowie der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte. Entsprechend dem oben genannten Menschenrechtsansatz soll das Instrument deutlich machen, dass die Staaten durch entsprechende Maßnahmen dafür zu sorgen haben, dass Menschen mit Behinderungen konkret in der Lage sein müssen, ihre Rechte auch in Anspruch zu nehmen. Die Einrichtung eines leistungsfähigen Überwachungsmechanismus und entsprechende Vollzugsbestimmungen sind für die erfolgreiche Umsetzung dieses neuen internationalen Rechtsinstruments eine entscheidende Voraussetzung.
Die EK wies auch nachdrücklich darauf hin, dass ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg darin zu sehen sei, statt eines medizinisch bezogenen Ansatzes, der die Behinderung und die damit verbundene Benachteiligung an dem betroffenen Menschen anknüpft, besser ein soziales Konzept, das die Behinderung und die Benachteiligung als gesellschaftliches Phänomen versteht, zu verfolgen, wie dies im Bereich der Europäischen Gemeinschaft bereits seit 1996 getan wird.
Die Kommission wird daher demnächst eine Empfehlung an den Rat vorschlagen, in der sie ermächtigt wird, im Zusammenhang mit künftigen Sitzungen des UN-Ad-hoc-Ausschusses, der Vorschläge für ein umfassendes internationales Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderungen prüfen soll, Verhandlungen aufzunehmen und diese Verhandlungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft zu führen, wobei der Rat einen Sonderausschuss einsetzt, um sie bei dieser Aufgabe zu unterstützen, so die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung abschließend.
Den Originaltext der Mitteilung der Europäischen Kommission im pdf-Format findet man auf der Homepage der Europäischen Union.
Diesem sowohl auf EU- wie internationaler Ebene verfolgten Menschenrechtsansatz in Sachen Behindertengleichstellung wird sich wohl auch Österreich nicht verschließen können; das bedeutet jedoch, dass auch Österreich die gesellschaftspolitische Verpflichtung zu übernehmen haben wird, mit behindertendiskriminierenden Rechtsvorschriften, Verhaltensweisen und Lebensumständen Schluss zu machen und durchsetzbare Rechte behinderter Menschen auf chancengleiche und gleichberechtigte Teilhabe an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens mit einem Behindertengleichstellungsgesetz zu schaffen.