Valorisierung JETZT !

Die doppelte Diskriminierung - wie lange noch?

Selbstbestimmt Leben
Resel, Mag. Werner

Weil sie das Pflegegeld nicht valorisiert hat, verstößt diese Regierung möglicherweise gleich zweimal gegen das Benachteiligungsverbot in der Verfassung: gegenüber PensionsempfängerInnen – einer vergleichbaren Sozialleistung – und gegenüber den BezieherInnen nach den Versorgungsgesetzen des Bundes (Kriegsopfer & Co).

Bekanntlich ist das Pflegegeld nunmehr sieben Jahre lang nicht valorisiert worden – 1995 wurde es zum letztenmal an die Inflationsrate angepaßt. Dies muß als grobe Mißachtung der legitimen Interessen von behinderten und pflegebedürftigen Menschen sowie ihrer Angehörigen angesehen werden.

Anscheinend glauben die jeweils politisch Verantwortlichen, daß wir uns alles gefallen lassen müssen. Vielleicht sind sie sogar der Meinung, wir müßten froh darüber sein, was sie damals für uns gemacht haben.

„Quantensprung“
Auf der anderen Seite wurde die Pflegevorsorge damals in politischen Kreisen aber fast einhellig als epochale Leistung gelobt, und sogar von einem „Quantensprung“ in der Sozialpolitik war die Rede gewesen. Doch schon eineinhalb Jahre nach ihrer Einführung wollten die damaligen Regierungsparteien von einer Valorisierung nichts mehr wissen. Und so ist es bis heute geblieben.

Zuerst voll des Lobes und alsbald das völlige Desinteresse – wie konnte das passieren? Nun, neben den diversen „Sparpaketen“ der seinerzeitigen SPVP-Koalitionen und der jetzigen VPFP-Regierung müssen als ein wichtiger Faktor für diese Vorgangsweise sicherlich die seither immer wieder aufkeimenden negativen und zum Teil auch in einem sehr gehässigen Ton geführten Debatten rund ums Pflegegeld angesehen werden:

Jene, welche die Betroffenen bzw. ihre Angehörigen als Sozialschmarotzer hinstellten, die das Geld verjubeln, oder die, bei der vor einem ernormen Anstieg der PflegegeldbezieherInnen und damit auch der Kosten mit drastischen Worten gewarnt worden ist.

„Pflegegeldexperte“
Aber auch der „Pflegegeldexperte“ Dr. Alfred Gusenbauer (Vorsitzender der SPÖ) behauptete erst neulich („Presse“-Interview vom 23. März 2002), „der Zeitpunkt der Einführung (des Pflegegeldes) war ungünstig“ gewesen. Vielmehr hätte man sich damals fragen müssen: „Wie kann ich in anderen Bereichen Ausgaben einsparen, oder gibt es die Bereitschaft, höhere Steuern zu zahlen?“. Anscheinend hat der SPÖ-Vorsitzende damals die jahrelang intensiv geführte öffentliche Diskussion rund um die geplante Einführung gänzlich verschlafen.

Daher ist ihm völlig entgangen, daß die mit der Einführung der Pflegevorsorge entstandenen Mehrkosten im Bereich der Sozialversicherung durch die Erhöhung der ArbeitgeberInnen- und ArbeitnehmerInnenbeiträge zur Krankenversicherung um je 0,4% sowie durch einen analogen Zuschlag von 0,5% für alle PensionsbezieherInnen zur Gänze abgedeckt worden sind.

Der überwiegende Anteil wurde also von der arbeitenden Bevölkerung sowie den Menschen im Ruhestand finanziert! Solche Aussagen wollen belohnt werden, und so hat es Gusenbauer in der „Presse“ auch zu einer riesigen Überschrift in fetten Lettern gebracht; jener Zeitung, die bisher am ausdauerndsten (aber deswegen nicht minder häufig mit einer unrichtigen Argumentation) gegen das Pflegegeld Stimmung gemacht hat.

Tatsache ist, daß viele Betroffene durch diese Entwicklung immer mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Das Pflegegeld – ohnehin nur ein Zuschuß zum tatsächlichen Aufwand für Hilfe und Persönliche Assistenz – hat seit seiner letzten Valorisierung im Jahre 1995 um weit mehr als 10% an Kaufkraft verloren.

Das bedeutet, daß es für mindestens jede zehnte Stunde, in der Betroffene fremde Hilfe brauchen, überhaupt keinen Zuschuß der öffentlichen Hand mehr gibt. Das bedeutet eine weitere Reduzierung der – ohnehin schon geringen – Lebensqualität, das bedeutet, noch öfter zuhause bleiben zu müssen, noch weniger am Leben teilnehmen zu können, noch eine Stunde früher ins Bett gehen zu müssen.

Diese Situation ist unwürdig und eine Schande für Österreich: In einem der reichsten Länder der Welt ist kein Geld da für die Abgeltung des Kaufkraftverlustes für BezieherInnen von Pflegegeld!

BIZEPS hat sich daher am 14. November 2000 an Sozialminister Mag. Herbert Haupt (FPÖ) mit der Bitte gewandt, das Pflegegeld zu valorisieren. Bei dieser Gelegenheit haben wir den Minister auch daran erinnert, daß er noch im Jahr zuvor im Parlament einen Antrag auf eine Wiedereinführung der Valorisierung eingebracht hat, und schrieben deshalb, daß „jetzt aber, wo Ihre Partei in der Regierung ist, von dessen (gemeint ist der Antrag, d.R.) rascher Umsetzung nichts mehr zu hören ist.“

Anpassung für das Jahr 2002?
Darauf antwortete Minister Haupt nach einer weiteren Urgenz unsererseits am 19. Jänner 2001, daß „ich mich für das Jahr 2002 für eine Anpassung der Leistung einsetzen werde. (…)“ In diesem Jahr sollen dafür zwischen 500 und 600 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt werden. Zuvor hatte Haupt in einer Presseaussendung am 26.12. (!) 2000 angekündigt, daß er Valorisierungen wenigstens bei den Stufen vier bis sieben herbeiführen wolle, da diese Gruppe das Geld am dringendsten brauche.

Da nunmehr bereits einige Monate des Jahres 2002 vergangen sind und vom Sozialminister noch keine Äußerungen zu seinen Ankündigungen zu hören waren, baten wir Minister Haupt um Mitteilung, wann die Erhöhung nunmehr in Kraft treten könne.

Wir halten es für richtig, daß es in den vergangenen Jahren in zwei vergleichbaren Bereichen Valorisierungen gegeben hat: bei den Pensionen und bei den Versorgungsgesetzen des Bundes. Bei den Pensionen ist ein Vergleich auch nicht zuletzt deswegen legitim, weil der Hilflosenzuschuß früher Bestandteil der Pension war und mit dieser ausbezahlt und auch valorisiert worden ist, und er mit der Einführung der Pflegevorsorge nunmehr (grobgesagt) die Stufen eins (mit Einschränkung) und zwei darstellt, ohne jedoch seither valorisiert worden zu sein.

Auch bei den sogenannten Versorgungsgesetzen des Bundes (Kriegsopferversorgungs-, Opferfürsorge-, Heeresversorgungs-, Impfschaden- und Verbrechensopfergesetz) ist das dortige Pflegegeld Jahr für Jahr valorisiert worden und das ist auch in Ordnung.

Nicht in Ordnung finden wir aber, daß behinderte Menschen gegenüber BezieherInnen von Pensionen benachteiligt werden, und daß sogar innerhalb der behinderten Menschen eine Gruppe gegenüber einer anderen benachteiligt wird.

Diese Situation verdient es, daraufhin überprüft zu werden, wie sie sich mit dem Benachteiligungsverbot in Artikel 7 des Bundes-Verfassungsgesetzes in Einklang bringen läßt.

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