Verfassungsbeschwerde gegen Verbot des Mitführens eines Blindenführhundes erfolgreich

Einer erblindeten Frau war im September 2014 der Zutritt zu Räumen einer medizinischen Behandlung mit ihrem Blindführhund verwehrt worden.

Richterhammer und deutsche Flagge
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Dagegen hatte die erblindete Frau in den gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geklagt.

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat der erblindeten Frau Ende Jänner 2020 bestätigt, dass der Gerichtsbeschluss der Vorinstanzen ihr Recht verletze, weil das Gericht bei der Auslegung der einschlägigen Vorschriften des deutschen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) die Tragweite des besonderen Gleichheitsrechts und seine Ausstrahlungswirkung auf das bürgerliche Recht nicht hinreichend berücksichtigt hat. (siehe auch kobinet-Interview)

In der Begründung des Bundesverfassungsgerichtes heißt es dazu:

Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften Personen wegen ihrer Behinderung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise ohne sachliche Rechtfertigung benachteiligen können.

Das scheinbar neutral formulierte Verbot, Hunde in die Praxis mitzuführen, benachteiligt die Beschwerdeführerin wegen ihrer Sehbehinderung in besonderem Maße. Denn es verwehrt ihr, die Praxisräume selbständig zu durchqueren, was sehenden Personen ohne Weiteres möglich ist. Das Kammergericht stellt darauf ab, dass die Beschwerdeführerin selbst gar nicht daran gehindert werde, durch die Praxisräume zu gehen, sondern sich wegen des Verbots, ihre Führhündin mitzunehmen, nur daran gehindert sehe.

Hierbei beachtet es nicht den Paradigmenwechsel, den Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG mit sich gebracht hat. Es vergleicht die Beschwerdeführerin nicht mit nicht behinderten Personen, sondern erwartet von ihr, sich helfen zu lassen und sich damit von Anderen abhängig zu machen.

Dabei verkennt es, dass sich die Beschwerdeführerin ohne ihre Führhündin einer unbekannten Person anvertrauen und sich, ohne dies zu wünschen, anfassen und führen oder im Rollstuhl schieben lassen müsste. Dies kommt einer Bevormundung gleich, weil es voraussetzt, dass sie die Kontrolle über ihre persönliche Sphäre aufgibt.

Siehe auch: VDK, Rechtslupe.de

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2 Kommentare

  • Ich fragt man sich schon, ob manche RichterInnen ab und an vergessen sich über die Gesetzeslage und Bestimmungen zu Informieren.
    Dass Blindenhunde schon seit vielen Jahren Sonderrechte besitzen müsste eigentlich doch bekannt sein.
    Diese Sonderrechte wurden durch den Beschluss des Bundesrates: Drucksache 742/16 vom 10.02.2017 auf alle Assistenzhunde erweitert.
    Damit dürfen alle Assistenzhunde Arztpraxen, Krankenhäuser, Lebensmittel führende und verarbeitende Betriebe betreten (Achtung! Kontakt mit Lebensmittel darf nicht geschehen). Ebenso dürfen alle Geschäfte Gaststätten usw. betreten werden.
    Gleiche Bestimmungen wurden von der EU erlassen.

  • Es ist unfassbar, dass es zu dieser Erkenntnis so lange gedauert hat. Die Richter sollten
    in die Lage der Frau versetzt werden!
    mfg. Blesch Werner