Verhetzung aufgrund aller Diskriminierungsgründe verbieten!

Hierarchisierung - also die unterschiedliche Behandlung von Übergriffen und Diskriminierung - gibt es auch im Strafrecht. Der österreichische Rechtsanwaltskammertag verteidigt sie. Eine Replik.

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Das österreichische Strafrecht verbietet in § 283 (Verhetzung) die Aufforderung oder Aufreizung „zu einer feindseligen Handlung gegen eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft oder gegen eine durch ihre Zugehörigkeit zu einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft, zu einer Rasse, zu einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat bestimmte Gruppe“ auf eine Weise, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden.

Der Klagsverband und andere Organisationen haben das Justizministerium (BMJ) mehrfach darauf hingewiesen, dass die verwendeten Begriffe nicht mehr zeitgemäß sind. Weiters ist es nicht nachvollziehbar, warum Verhetzung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und Religion (um die Sprache des Gleichbehandlungsgesetzes zu wählen) verboten ist, nicht aber aufgrund des Alters, einer Behinderung, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder der Weltanschauung.

Im Dezember hat das BMJ den Entwurf für ein „Terrorismuspräventionsgesetz“ vorgelegt, in dem unter anderem eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des Verhetzungs-Verbots vorgeschlagen wurde. Der Klagsverband hat dieses Vorgehen in seiner Stellungnahme grundsätzlich begrüßt, obwohl einige Kritikpunkte (wie die Verwendung des Begriffs „Rasse“) weiterhin bestehen bleiben.

Erstaunlicherweise hat sich der Rechtsanwaltskammertag in seiner Stellungnahme und zahlreichen Meldungen in den Medien (siehe Online Standard) ausdrücklich gegen eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verhetzung ausgesprochen.

Die eigenartige Begründung:“… Gegenüber der derzeit geltenden Regelung erfährt die Definition der Zielgruppen eine Erweiterung, als in Zukunft auch Geschlecht, Behinderung, Alter oder sexuelle Ausrichtung Kriterien sein sollen, an denen die Tathandlung im Hinblick auf die Zielpersonen zu messen ist. Verhetzendes Verhalten im Sinne einer Straftat nach § 283 gegen nach Geschlecht, Behinderung oder Alter bestimmte Gruppen tritt in unserem gesellschaftlichen Umfeld nicht auf. Diese Gruppe in einem Atemzug mit den nach den sonstigen Kriterien bestimmten zum tatbestandsmäßigen Ziel der Verhetzung zu machen, verharmlost die tatsächlich festzustellenden Feindseligkeiten zB rassistischer Art, bzw versucht sittlich verwerfbare, aber nicht strafwürdige, zB frauenfeindliche Äußerungen unzulässig zu kriminalisieren.“

Damit wird einer Hierarchisierung, die wir auch aus dem Gleichbehandlungsgesetz kennen, das Wort geredet. Manche Übergriffe werden ernster genommen als andere. Dieser Zugangsweise muss widersprochen werden. Letztendlich geht es um die Würde und ein menschenwürdiges Umfeld für alle Menschen. Wenn Übergriffe ein bestimmtes Ausmaß und eine gewisse Intensität erreichen, muss es – als letztes Mittel – strafrechtliche Verbote und Sanktionen geben. Es ist jedenfalls nicht hinnehmbar, dass manchen Gruppen die Schutzwürdigkeit überhaupt abgesprochen wird. Schließlich ist es auch nicht nachvollziehbar, warum die Erweiterung des Verbots der Verhetzung zu einer Verharmlosung von Rassismus führen sollte.

Der Klagsverband hat den Präsidenten des Rechtsanwaltskammertags, Dr. Benn-Ibler, in einem Brief auf diesen Wertungswiderspruch aufmerksam gemacht und gebeten, diese Position zu überdenken. Die Rechtsanwaltschaft ist in einem Rechtsstaat ein Garant für die Einhaltung von Menschenrechten – umso schlimmer ist es, wenn sie den Anschein erweckt, für manche Gruppen oder Diskriminierungsgründe sensibler zu sein als für andere.

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