Verquere Welt

Das Beispiel Heinrich Gross zeigt, daß jetzt alles noch viel komplizierter ist als früher

Heinrich Gross
APA

„Das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung des Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst, BGBl. Nr. 96/1955, sieht keine Aberkennung vor. Im Falle einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung wegen eines Verbrechens wäre eine solche grundsätzlich möglich.“

Das beschied der damalige Innenminister Caspar Einem 1999 in einer Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Grünen, ob man denn den so lange unbehelligt gebliebenen NS-Arzt Heinrich Gross nicht vielleicht doch noch „entehren“ könnte. Die Bildungsministerin der jetzigen Regierung, Elisabeth Gehrer, vertritt ähnliche Rechtsansichten: Die nachträgliche Aberkennung einer Auszeichnung habe es bisher noch nie gegeben, so Gehrer. Man könne entweder auf eine gerichtliche Verurteilung warten oder eine Aberkennung vornehmen. Dies müßte allerdings in einem Verwaltungsverfahren geschehen. Soweit die Minister.

Jetzt könnte man sagen: Eh klar, sowohl die alte Koalition war so feig, wie es die neue ist, um klare Aussagen dazu zu machen oder gar eindeutige Rechtslagen zu schaffen.

Aber es gibt einen Unterschied: Ausgerechnet unter dieser Regierung ist die Wahrscheinlichkeit sehr viel höher, daß Gross seine Ehrung verliert. Warum? Da ist einmal die Tatsache, daß eine Aberkennung kaum mehr jemanden weh tut, dem diese Regierung nicht weh tun will: Die alten Nazis, die sich darüber empören könnten, sind nicht mehr gar so ein großer Bevölkerungsanteil und vor allem hat so gut wie gar keiner mehr von denen noch irgend eine höhere Machtposition inne, wo er seinen Einfluß geltend machen könnte (was vor ein paar Jahren doch noch anders war).

Die jungen Nazis – soweit sie im Establishment verankert sind – identifizieren sich nicht mehr mit den alten Erscheinungsfomen und sind froh wenn sie so tun können, als wären sie aufrechte Antifaschisten. Und die, die heute noch „Heil Hitler“ schreien, sind einfach zu wenig schlau, um Karriere zu machen.

Wer aber beleidigt sein könnte, sind jene auch jüngeren Akademiker, die Herrn Gross jahrzehntelang gedeckt haben. Doch das sind (der SPÖ zu Schande gereichend) zu einem recht imposanten Teil Sozialdemokraten, die das alles höchst ungern diskutiert sehen wollten – und das kann dieser Regierung nur recht sein.

Weiters käme ein weiteres Feigenblatt zur Verdeckung eines einschlägig verschrienen Landeshauptmannes dieser Regierung nur recht – noch dazu, wo ein solcher rein formaler Akt im Gegensatz zu Zwangsarbeiterentschädigungen und Enteignungsrückstellungen finanziell nicht mehr als die Beamtenarbeitszeit für den Verwaltungsakt kostet.

Sollte dennoch eine legistische Änderung notwendig werden, dann sei noch erwähnt, daß diese Regierung nicht das geringste Problem damit hat, Gesetze zu erlassen, wenn sie jemanden loswerden will – siehe die Causa Sallmutter. Im Gegenteil: Mit einem solchen „Entehrungsgesetz“ könnte die Regierung sogar ihre Praxis der Anlaßgesetzgebung legitimieren.

Ausgerechnet diese Koalition kann also mehr oder weniger nur davon profitieren, wenn sie Gross das Ehrenkreuz wieder abnimmt. Und es wäre daher nicht verwunderlich, wenn sie das in relativ kurzer Zeit zustande brächte. Nur die Tatsache eben, daß sowas nicht verwunderlich wäre – ich kann mir nicht helfen, irgendwie verwundert mich das dann doch.

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