pro mente Austria fordert grundsätzliches Umdenken und rasches Handeln
pro mente Austria unterstützt die kritische Stellungnahme des Rechnungshofes zur Versorgung psychisch kranker Menschen in Österreich.
„Grundsätzlich hat sich die Versorgung in Österreich auf diesem Gebiet in den letzten Jahren verbessert und es wurde bereits viel für diese Zielgruppe getan“, sagt Dr. Günter Klug, Präsident von pro mente Austria.
„Trotzdem besteht im Vergleich zu anderen Erkrankungsgruppen noch eine nicht ausreichende Wahrnehmung im gesamten Versorgungskontext, speziell da sich hier medizinische und soziale Herausforderungen überlappen. Im Hinblick auf eine ausreichende, individuell angepasste, wirkvolle und alle Folgekosten bedenkende Versorgung gibt es noch viele Lücken, die im Rechnungshofbericht aufgezeigt wurden.“
Als wesentlicher Teil des Angebotes sind die Mitglieder vom Dachverband pro mente Austria mit der Versorgungslandschaft und den Problemen der betroffenen Menschen gut vertraut und geben darauf aufbauend folgende Stellungnahme ab.
In weitgehender Übereinstimmung mit den vom Rechnungshof erkannten Problemstellungen fordert pro mente Austria für die Zielgruppe der Menschen mit psychosozialen Problemstellungen:
- Eine ausreichende Priorisierung der psychischen Gesundheit in den zentralen Planungsinstrumenten wie Zielsteuerung, Österreicher Strukturplan Gesundheit und den regionalen Strukturplänen.
- Erforderlich ist eine sektorenübergreifende Strategie zur psychischen Gesundheit, die sowohl Steuerung als auch Wirkmechanismen, Ziele und Zusammenschau von Behandlungs-/Betreuungs- und Folgekosten zielgruppenspezifisch berücksichtigt.
- Sollen psychische Krankheiten gleich wie andere behandelt werden, braucht es dringend ein „Recht auf Psychotherapie auf Krankenschein“. „Alles andere ist menschenrechts- und gleichheitswidrig, setzt die Diskriminierung von Menschen mit psychischen Problemen trotz anderslautender gesetzlicher Vorgaben fort. Und es ignoriert die ökonomisch fundierte Einsicht, dass sich die Prävention psychischer Erkrankungen grundsätzlich rechnet. Ökonomisch kostet das nicht viel, bringt aber menschlich sehr viel“, so Dr. Klug. „Es braucht echte ‚Erste Hilfe für die Seele‘.“
- Erforderlich ist außerdem ein flächendeckendes und niederschwelliges Angebot für Menschen mit psychischen Erkrankungen unter Einbeziehung und Anpassung an alle Ziel- und Altersgruppen, damit sie rasch die nötige Hilfe bekommen. ExpertInnen müssen möglichst schnell entscheiden können, welche Behandlungs- und Betreuungserfordernisse sinnvoll und zweckdienlich sind und somit ungleich teurere stationäre Angebote durch außerstationäre Leistungen ersetzt werden können. Dr. Klug: „Akutbehandlung ist und bleibt eine Aufgabe der Krankenhäuser – die Zeit danach ist jedoch eine Aufgabe der psychosozialen Versorgung.“
- Dringend benötigt werden Daten für wirksame Behandlungs- und Betreuungsverläufe, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können, was ohne solche Daten kaum möglich sei. Wirksame Behandlungs- und Betreuungsverläufe werden somit erschwert und können nicht sektorenübergreifend gesteuert werden. „Wenn jetzt nicht weiter gehandelt wird, wird es keine Verbesserung in der Versorgung psychisch Kranker Menschen geben“, so Dr. Klug. „Das bedeutet weiteres Leid für die betroffenen Menschen samt höheren Kosten, und diese Themen beschäftigen uns nach dem nächsten Rechnungshof-Bericht wieder.“
- Erforderlich ist auch eine Anpassung der bisher unterschiedlichen Rahmenbedingungen für medizinisches Personal im stationären und außerstationären Bereich, um ausreichend qualifizierte MitarbeiterInnen für die außerstationäre Versorgung zu motivieren.
Weiters empfiehlt pro mente Austria
- entsprechende Schulungen für AllgemeinmedizinerInnen,
- geeignete Maßnahmen gegen den Facharztmangel,
- den adäquaten Ausbau der Angebote der Kinder- und Jugendpsychiatrie
- den adäquaten Ausbau der Angebote im alterspsychiatrischen Bereich, insbesondere bezogen auf Abklärung und mobiles nachgehendes Unterstützungsangebot,
- eine systematische Zusammenschau von gesundheitlichen und sozialen Aspekten, d. h. individuelle Stabilisierungen gemeinsam mit Interventionen zur Wohn-, Familien- und Arbeitssituation,
- eine Differenzierung der Angebote für betroffenen Menschen zwischen der Notwendigkeit von Einmal-/Einfachinterventionen, wiederkehrenden/periodischen Notwendigkeiten sowie systematischer Behandlung und Betreuung über einen längeren Zeitraum,
- Studien zu Folgekosten von psychischen Erkrankungen und darauf basierend Antworten, wie diese Folgekosten reduziert werden können,
- und die Gewährung von ambulanten Rehabilitationsmaßnahmen nach sachlichen Kriterien unter Gleichbehandlung aller Anspruchsberechtigten.
Ingrid Gruber-Seiberl
11.03.2019, 10:55
Ich bin selbst Betroffene, bipolar und habe meinen eigenen Weg im Umgang mit meiner Persönlichkeit gefunden. Darüberhinaus habe ich eine Theatergruppe für Menschen mit psychischen u.a. Behinderungen vor 20 Jahren gegründet: Schräge Vögel Linz. Aus diesen Erfahrungen heraus kann ich hier einige Intentionen festhalten, die Menschen mit psychischen Erkrankungen und Beeinträchtigungen helfen würden:
1. Psychotherapie ( qualifizierte) auf Krankenschein, nicht ewig nur Medikamente!
2. Abschaffung der 30 % Kürzung bei Einrichtungen ( Schaden am Sozialsystem)
3. Verkürzung der Wartezeiten bei Psychotherapie ( PGA: 1,5 Jahre!!!!!!!!)
4. Kein Druck mehr bei Verordnung von Psychopharmaka, dafür Verhaltenstherapie.
5. Verankerung von Persönlicher Assistenz bei psychischer Behinderung!!!
6. Einbindung und Mitbewertung der Psyche bei Festsetzung der Pflegestufe!
7. Förderung von Kreativtherapie in der psychosozialen Versorgung ( Finanzen).
8. Mitbeteiligung von Räumen in Einrichtungen von Eigeniniativen ( Vereinen ).
9. Verbesserung des Bildes in der Öffentlichkeit von psychisch Beeinträchtigten!!!
10.Beseitigung von Mobbing und Diskriminierung in den Krankenhäusern !!!!!!!
Nicole Keplinger-Sitz
11.03.2019, 12:15
Kann ich ALLES unterschreiben!
Es ist bedauerlich wie sorglos mit der psychischen Gesundheit und mit erkrankten Menschen umgegangen wird. Einsparungen in der Versorgung gehen immer zu Lasten der Betroffenen. „Einsparungen“ sind zudem sehr kurzsichtig, da in der folge Mehrausgaben bei Krankenhausausgaben und Medikamentenkosten anfallen. Menschen fallen aus dem Arbeitsleben, aus dem sozialen Netz…eine Tragödie!