VÖGS: 10 Jahre Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache in der Verfassung

Vor zehn Jahren, am 1.September 2005, wurde die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) als "eigenständige Sprache" im Bundes-Verfassungsgesetz Art. 8 Abs. 3 anerkannt. Damals ein Meilenstein - heute ein Stein im Weg?

Verein österreichischer gehörloser StudentInnen
VÖGS

Zweifelsohne kann die Anerkennung der ÖGS im Verfassungsgesetz als Meilenstein gesehen werden. Setzt man sich zehn Jahre zurück, dann wird einem klar, dass die damalige Verankerung auch als Wegbereiter gesehen wurde.

Doch in den vergangen zehn Jahren wurden nur wenige bis keine Schritte im Bildungssystem gesetzt, um die ÖGS tatsächlich einzuführen und damit gehörlosen und schwerhörigen Menschen gleichzustellen und in die Gesellschaft zu inkludieren.

Rückblickend betrachtet, wurde Art. 8 Abs. 3 in großen Teilen ignoriert. Sämtliche Bestrebungen von NGOs, die ÖGS in Schulunterrichts- und Schulorganisationsgesetz einzubauen, wurden bis dato immer mit dem Hinweis abgeschmettert, das die Einführung der ÖGS in den Unterricht an Allgemeinen Schulen (also Schulen, in denen vorwiegend nicht-behinderte Menschen sind) nicht möglich sei, weil eine rechtliche Grundlage diesbezüglich fehle.

Die gesetzliche Änderung der Schulgesetze sind notwendig, damit gehörlose und auch schwerhörige Kinder nicht in Sonderschulen müssen, sondern gemäß des Gleichheitsgrundsatzes, in jede Schule gehen könnten.

Leider bestimmt hierbei die Debatte „Lautsprache vs. Gebärdensprache“ immer noch den Diskurs. Für den VÖGS ist die Tatsache, dass diese Debatte schon seit den 1790er Jahren geführt wird, erstaunlich und verweist auf die aktuellen Forschungsergebnisse von Bildungs- und Sprachwissenschafter: je früher ein Kind eine Muttersprache erhält, desto besser ist es für das Kindeswohl. Für gehörlose Kinder heißt das aber, dass diejenige Sprache vorzuziehen ist, in der sie sich verständigen können. Das heißt also für Gehörlose: die Gebärdensprache ist klar zu bevorzugen. Darauf aufbauen kann (und soll) man die Schriftsprache.

Aus dieser Erkenntnis heraus gilt auch die Forderung nach billingualen Kindergärten und billingualem Unterricht deutlich hervorzuheben. Nur dadurch ist es garantiert, dass gehörlose und schwerhörige Kinder einen vollen Zugang zu Bildung und Bildungsinhalten haben. Dadurch kann man höhrere Chancen im späteren Leben voraussetzen.

Das derzeitige Bildungssystem ist in den Augen des VÖGS nicht für gehörlose und schwerhörige Personen gemacht. Gehörlose Lehrlinge sind nach wie vor auf Unterstützungsleistungen angewiesen. Der Weg zu Matura ist steinig. In „hörenden“ Schulen wurden schon in vergangen Jahren Prüfungen in ÖGS verweigert. Ein Widerspruch also sowohl zum Art. 8 Abs. 3, aber auch zur UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, wenn es darum geht, eine im Verfassungsgesetz anerkannte Sprache nicht in weiteren Gesetzen zu berücksichtigen.

Der VÖGS fordert deshalb Änderungen des Schulunterrichtsgesetzes und des Schulorganisationsgesetzes sowie die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, insbesondere Art. 24 „Bildung“.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich