Von der Fachgruppe Hilfsmittel zum Hilfsmitteltreff

30 Jahre lang hat sich die Fachgruppe Hilfsmittel des Österreichischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes um Information über und Motivation zur Nutzung von modernen Hilfsmitteln bemüht.

Textspeichergerät aus 1978 ein moderner Organizer
Papst, Eva

In der Hauptversammlung vom 5. November 2011 haben die anwesenden Mitglieder nun einstimmig die Auflösung beschlossen.

Technik im Wandel der Zeit

Als im Jahre 1981 die Fachgruppe Hilfsmittel gegründet wurde, standen auf den Schreibtischen der meisten Büros noch elektrische Schreibmaschinen, hie und da vielleicht sogar noch eine mechanische. Was ein Computer ist und wie er funktioniert, wussten nur Eingeweihte.

Dennoch wurden schon Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts elektronische Textspeichergeräte für blinde Menschen entwickelt. Sie hatten die Größe eines Aktenkoffers, wogen zwischen 7 und 8 Kilo, nutzten zur Speicherung Compact-Cassetten und hatten, wie jede Technik, bereits ihre Tücken, über die wir aber gnädig hinwegsehen wollen.

Immerhin bestand schon damals die Möglichkeit, eigene mit der vorhandenen Braille-Tastatur geschriebene Texte von diesem Speichergerät auf einen Computer zu übertragen oder Texte vom Computer zu laden – so man denn einen Computer zur Verfügung hatte und bereit war, die vielen Einzelschritte bei der Übertragung genau nach Protokoll durchzuführen.

Es ist leicht einzusehen, dass diese Erfindung trotz aller Mängel geradezu eine Revolution darstellte. Endlich war es möglich, Texte nicht nur einzutippen, sondern diese Texte auch auf einer Braille-Zeile mit 20 Zeichen zu lesen, zu korrigieren, ja sogar zu ergänzen und auszudrucken.

Die Erfassung und Bearbeitung elektronisch gespeicherter Texte setzte eine seit Jahrhunderten gültige Aussage wenigstens teilweise außer Kraft, nämlich dass blinde und sehende Menschen keine gemeinsame Schrift haben. Ein A bleibt ein A, ob es nun mit Tinte auf weißem Papier gedruckt oder mit einem Stift ohne Farbe auf Papier geprägt wird. Auch für stark sehbehinderte Menschen bieten elektronische Texte die Möglichkeit, sie in beliebiger Größe auszudrucken.

Information und Motivation

So revolutionär die neuen Möglichkeiten auch waren, so unbekannt waren sie – bei blinden und sehbehinderten Menschen genauso wie bei Behörden und potenziellen Arbeitgebern.

An dieser Stelle setzte die Arbeit der Fachgruppe Hilfsmittel an. In zahlreichen Ausstellungen, Seminaren zu Schwerpunktthemen, Workshops und Vorträgen ging es vorwiegend um das eine Ziel: Betroffene, Behörden und Arbeitgeber über die neuen technischen Möglichkeiten zu informieren.

Aber die Verteilung von Information ist nur die halbe Miete. Menschen müssen auch motiviert werden, Neues auszuprobieren und das Potenzial auszuschöpfen. Zu allen Zeiten hatten Menschen heftige Vorurteile gegen alles Unbekannte und Neue. Vor allem auch blinde Menschen selbst, die sich, ebenso wie ihre sehenden Mitmenschen, nur schwer mit „dem technischen Kram“ anfreunden können.

Aber der Siegeszug war nicht mehr aufzuhalten. Die ersten Computer zogen in die Büros ein, und oft waren es blinde Mitarbeiter, die hier eine Art Vorreiterrolle einnahmen. Heute ist der Computer ein fixer Bestandteil der Arbeitswelt und hat auch in die Haushalte Einzug gehalten – bei blinden wie bei sehenden Menschen.

Von A nach B

Einen Computer am Arbeitsplatz oder auch zu Hause nutzen zu können, ist zweifellos enorm wichtig und bringt viele Vorteile, vor allem aber die Teilhabe an modernen Informationssystemen wie elektronische Post, Online-Zeitungen, Nachschlagewerke oder auch Shopping – alles via Internet.

Ebenso wichtig ist es aber, den Weg zum und vom Arbeitsplatz sicher bewältigen zu können. Mobilität und Orientierung waren daher immer ein weiterer Schwerpunkt in der Arbeit der Fachgruppe Hilfsmittel. Die insgesamt sieben veranstalteten Mobilitäts-Rallyes (siehe Ausgabe 7/8 2011) legen ein Zeugnis davon ab, welchen Stellenwert das Thema bei Veranstaltern und Teilnehmern hatte.

Informationen konservieren

30 Jahre lang produzierte die Fachgruppe Hilfsmittel ein Audio-Magazin unter dem Titel „Information – Motivation“ sowie zahlreiche Sonder-Kassetten (später CDs) zu den meisten der abgehaltenen Veranstaltungen. Berichte über Hilfsmittel sowie Interviews waren hier ebenso im O-Ton zu hören wie ganze Mitschnitte.

Nahezu jedes Jahr reiste ein Reporter-Team zu den einschlägigen Hilfsmittel-Messen. Zuerst zur RehaCare in Düsseldorf, dann zur SightCity in Frankfurt. Im Reisegepäck hatte das Team neben einem vollen Kopf vor allem Audio-Aufnahmen von Interviews, die später auf ein für Zuhörer erträgliches Maß gekürzt und mit zusätzlich recherchierten Informationen ergänzt wurden.

Am Ziel angekommen?

Nach 30 Jahren intensiver Tätigkeit sah die Fachgruppe Hilfsmittel ihren Auftrag erfüllt. In einer Zeit, wo Mailing-Listen, Facebook, Twitter & Co immer raschere Informationswege erschließen und jeder Einzelne sofortigen Zugriff auf eine Flut von Informationen hat, hat sich ein regelmäßig erscheinendes Audio-Magazin vermutlich ebenso überlebt wie die regelmäßigen Hilfsmittel-Ausstellungen , die inzwischen auch von allen Blindenorganisationen direkt im Bundesland und somit näher an der Zielgruppe abgehalten werden.

Aber es gibt noch viel zu tun. Wie jedes Ende, so ist auch die Auflösung der Fachgruppe Hilfsmittel ein neuer Anfang. Eine kleine Gruppe ehemaliger und neuer Akteure hat es sich zum Ziel gesetzt, einerseits als Bindeglied zwischen all den wichtigen Informationskanälen zu fungieren und andererseits auch die Geschichte der Fachgruppe Hilfsmittel als kleinen historischen Abriss festzuhalten.

Auch ist es gerade heute erforderlich, neben den zahlreichen im Internet verfügbaren theoretischen Informationen Praxisberichte über den Einsatz der immer kleiner, aber auch komplexer werdenden Hilfsmittel zu publizieren.

Dieser und weiterer Aufgaben wird sich der Hilfsmitteltreff widmen. So wird es im Herbst wieder eine Mobilitäts-Rallye geben und – wer weiß – vielleicht entsteht auch bald der erste Podcast.

Denn eines ist klar

So lange sich ein Personalchef beim Vorstellungsgespräch darüber wundert, dass der blinde Kandidat „sogar am Computer arbeiten kann“, so lange wird es auch Menschen geben müssen, die sich als Bindeglied in die Informationskette einbringen, um blinden Menschen eine reibungslose Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und Vorurteile abzubauen.

Eine Fachgruppe Hilfsmittel in ihrer 1981 geplanten Form braucht man dafür vermutlich nicht, wohl aber engagierte Einzelkämpfer, die plattformübergreifend tun, was nun eben getan werden muss.

Interessiert? Besuchen Sie den Hilfsmitteltreff auf www.hilfsmitteltreff.at.

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