Von der Schwierigkeit, andere Meinungen oder Ideen zu tolerieren

Die Wiener Rathausmehrheit stößt mit ihrer Blockadepolitik immer mehr auf Unverständnis bei den davon betroffenen Menschen mit Behinderungen.

Wiener Rathaus
BIZEPS

Es sollte eine kurzfristige Befragung zu den Motiven für die Ablehnung von Anträgen der Oppositionsparteien in Wien sein. Herausgekommen ist ein Dokument über die Arbeitsweise des Gesetzgebers.

Angeregt wurden wir von einem anonymen Leser von BIZEPS-INFO online der in einem Posting zu unserem Beitrag „Wien bald Schlusslicht statt Spitzenreiter“ gemeint hat, journalistisch korrekt wäre es, „die hier angegriffene Fraktion (gemeint ist der SPÖ Klub im Rathaus; Anm.d.Red.) zur Stellungnahme aufzufordern“, denn ein Urteil darüber, ob die Wiener SPÖ behindertenfeindlich ist oder nicht würde sich der Autor gerne selbst bilden.

Daraufhin baten wir den SPÖ Klub am 16. Juli 2008 um eine Stellungnahme und ersuchten ausdrücklich um eine Beantwortung bis zum 31. Juli 2008, damit wir unseren Lesern aktuell berichten können. Dies wurde uns aber leider nicht ermöglicht, denn die Antwort aus dem SPÖ Klub trudelte erst am 18. November 2008 in der Redaktion ein.

Bemerkenswert an diesem Schreiben war zweierlei: Erstens das Schneckentempo, mit dem der Rathausklub der Wiener SPÖ auf unsere Bitte reagiert hat und die offensichtlich großen Unannehmlichkeiten, die wir ihm mit unseren Fragen bereitet haben und die offensichtlich zu der verspäteten Antwort geführt haben.

Zweitens waren es die vorgebrachten Argumente für die Ablehnungen der Anträge:

  • auf den Antrag „Kostenloser Eintritt für Begleiter von behinderten Menschen in die Museen der Stadt Wien“ wird gar nicht eingegangen sondern nur darauf hingewiesen, dass im Wien-Museum einmal pro Woche „die ständige Schausammlung bei freiem Eintritt zu besichtigen“ sei; detto wird „das neu geschaffene Museum auf Abruf ebenfalls bei freiem Eintritt zu besichtigen sein“
  • beim Antrag „rasche Anschaffung von Niederflurstraßenbahnen“ wird lediglich vermerkt, wie viele Fahrzeuge im laufenden Investitionsprogramm bis wann angeschafft werden
  • zum Antrag „Nutzung der Freizeitfahrtendienste für ältere Menschen“, in dem eine Staffelung der Selbstbehalte bei einer geringfügigen Überschreitung der Einkommensobergrenze angesprochen wird, wird bloß mitgeteilt: „Eine weitere Ausdehnung dieser Ausnahmeregelung ist nicht vorgesehen“
  • der Antrag „bundeseinheitliche Regelung für Persönliche Assistenz“ wurde deswegen abgelehnt, weil „die Fraktion der Grünen (!!) für eine diesbezügliche Antragsformulierung nicht zu gewinnen war“
  • beim Antrag „Erweiterung des BezieherInnenkreises der Pflegegeldergänzungsleistung“ kam es deswegen zur Ablehnung, weil eine darüber hinausgehende Ausweitung des derzeitigen Angebots „nicht angedacht“ ist
  • beim Antrag „Schaffung eines verbindlichen Kriterienkataloges zur Sicherstellung der Barrierefreiheit in Wiener Stadien“ sollte dieser Katalog Teil des zwischen der Stadt Wien und dem Veranstalter abgeschlossenen Nutzungsvertrages sein, in der Begründung für die Ablehnung wird aber lediglich auf die gesetzlichen und auf andere Grundlagen für Neubauvorhaben hingewiesen und kein Wort zum Inhalt des Antrags gesagt
  • der Antrag „Barrierefreiheit bei Selbstablesung der Zählerstände (Wien Energie) für Menschen mit Behinderungen“ wurde im Gemeinderat abgelehnt, im Antwortschreiben aber wurde auf einmal die Ablesung durch eigenes Personal angekündigt.

Ein Sammelsurium an Nichtbeantwortungen, Scheinbegründungen und Justamentstandpunkten. Ob die Wiener SPÖ nun behindertenfeindlich ist oder nicht, darüber kann sich wohl jeder selbst ein Bild machen. Eines steht aber fest: Die Haltung einer Partei, der die Situation der behinderten Menschen in dieser Stadt ein Anliegen ist, müsste anders aussehen.

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