Häufig wird mit Verweis auf den Denkmalschutz oder die Wahrung archetektonischer Konzepte eine Veränderung beim Gebäudezugang oder die Beseitigung bestehender Stufen nicht gestattet.

Dass man damit vielen Menschen den Zugang zu Gebäuden erschwert und Menschen behindert, nimmt man billigend in Kauf.
Versteckte Zugänge im Hinterhof oder wenig benutzer:innen-freundliche Hilfen werden als „Lösung“ angeboten.
NS-Monumentalarchitektur in der Biennale
Auch der Pavillon Deutschlands auf dem berühmten Gelände der Biennale in Venedig präsentierte sich mit einem monumentalen Treppenzugang ― eine Hürde für Menschen mit Bewegungseinschränkungen, die trotz unzähliger Besucher:innen mit Behinderungen als unveränderbar galt. Ein Phänomen, das man oft bei historischen Gebäuden in vielen Städten beobachten kann.
Bereits 1909 wurde der Pavillon auf dem Gelände für internationale Ausstellungen Bayerns errichtet und 1938 von Architekt Ernst Haiger entsprechend „der NS-Ideologie zu einer Monumentalarchitektur“ umgestaltet, wie es am Eingang auf einer Infotafel heißt. Seitdem prägen vier mächtige Pfeiler den Eingangsbereich, der über fünf Stufen betreten werden konnte.
Rollstuhlnutzer:innen blieb damit die Nutzung des Eingangs verwehrt, da für sie nur ein Hintereingang zugänglich war. Durch die Bauweise des Gebäudes werden die Besucher:innen darauf hingewiesen, dass auch die NS-Architekturideologie von Überlegenheit, Herrschafts- und Machtansprüchen geprägt war.
Alle, die nicht der Norm entsprachen, wurden systematisch ausgeschlossen. Dies war nicht nur politisch und kulturell zu verstehen, sondern auch physisch: „Der hier angewendete Klassizismus hat sich immer schon den gesunden – im Nationalsozialismus am rassistischen Idealbild orientierten – Körper zum Maßstab genommen. Andere Formen der Körperlichkeit wurden negiert.“
(Zitate und Hinweise standen den Besucher:innen im Eingangsbereich des Pavillons zur Verfügung und sind auch unter „Rampe“ auf der Website des Projekts wiederzufinden.)
Diese Haltung blieb nach dem 2. Weltkrieg noch fast acht Jahrzehnte unverändert bestehen.
„Wegen Umbau geöffnet“ – ein produktives Projekt
Erst die Architektur-Biennale 2023 brachte den entscheidenden Impuls für eine Änderung, denn das kuratorische Team „ARCH+ / Summacumfemmer / Büro Juliane Greb“ setzte wichtige Signale.
Sie verwendeten gebrauchte Materialen aus knapp 40 Länderpavillons der Kunstbiennale 2022 im Rahmen des Beitrags 2023 „Open for Maintenance – Wegen Umbau geöffnet“, um das Gebäude mit der „Instandbesetzung“ neu nutzbar zu machen.
Ihr Beitrag ist keine Ausstellung, sondern ein Handlungsansatz für eine neue Baukultur: Es entstanden ein Materialdepot, eine Werkstatt, ein ökologischer Sanitärraum und ein Versammlungsraum samt Teeküche.
Der bauliche Eingriff umfasste auch eine große inklusive Rampe vor dem Portikus des Pavillons. Damit ist der Zugang endlich barrierefrei. Und es werden die im Baukörper implizit verwobenen Ideologien beseitigt, denn der Ausstellungsraum ist nun allen zugänglich.
Der Eingangsbereich des deutschen Pavillons nach der baulichen Veränderung:

Der früher dominante Machtanspruch des Gebäudes zugunsten eines überlegenen, gesunden Körpers musste endlich weichen, damit nun die menschenrechtsbezogene Barrierefreiheit den Zugang für alle Menschen ebnet.
Und im Alltag? Das Projekt der Biennale sollte als Antwort dienen, wenn es in europäischen Städten wieder heißt, der Umbau für einen barrierefreien Zugang sei nicht möglich.
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