Wann wird man auch in Wien „Leichter Lesen“-Versionen von wichtigen Texten erhalten?

Ende März beantragte die Wiener ÖVP, dass künftig wichtige Rechtsvorschriften in "Leichter Lesen"-Versionen aufgelegt werden. Die Stadt Wien reagiert bisher noch sehr zurückhaltend und lehnte den Antrag ab.

Schild: Halte bitte leichte Sprache
Netzwerk People First Deutschland

„Wollen Menschen mit Behinderung ein selbständiges Leben führen, so ist eine umfassende Information über bestimmte Rechtsvorschriften des Landes unabdingbar“, halten die ÖVP-Abgeordneten Karin Praniess-Kastner und Ingrid Korosec in der Begründung des Antrages vom 27. März 2009 und führen aus: „Gesetze, Verordnungen, Förderrichtlinien und dergleichen sind für Menschen mit Lernschwierigkeiten schwer verständlich, sodass die Betroffenen stets eine (nicht behinderte) Begleitperson benötigen, wenn sie ihre Rechte in Anspruch nehmen möchten.“

Daher wurde beantragt, dass „künftig wichtige Rechtsvorschriften (Gesetze, Verordnungen, Förderrichtlinien etc.) für Menschen mit Behinderung in einer leicht verständlichen Sprache (Easy-To-Read) sowohl via Internet als auch in Papierform zugänglich gemacht werden.“

Die Wiener Integrationsstadträtin Sandra Fraunberger hielt in einem dreiseitigen Schreiben (PGL-01352-2009/0001/KVP/LAT) fest, wie wichtig der Stadt „Menschen mit Behinderungen und ihre Bedürfnisse sind“. Es folgt – wie bei solchen Berichten nicht unüblich – eine umfangreiche Auflistung von Maßnahmen, die meist mit dem Thema höchstens am Rande zu tun haben, aber die Zielgruppe betreffen.

Interessant wird es nach den üblichen Rechtfertigungsabsätzen – wie immer – erst am Schluss, wenn angekündigt wird, dass sich der Presse- und Informationsdienst auch mit der Frage beschäftigt, „welche Lebens- und Rechtsbereiche der Menschen mit Behinderung sinnvoll mit Easy-To-Read-Versionen dargestellt werden können“.

Das „Ziel der Beauftragung wird eine Einschätzung der in frage kommenden Texte sowie der hierfür notwendigen Kosten sein“. Auch müssen „die rechtlichen Rahmenbedingungen für Easy-To-Read-Versionen von Gesetzestexten abgeklärt werden“.

Bericht zugestimmt – Antrag abgelehnt

Die ÖVP ist von der Vorgangsweise enttäuscht, denn die alleinregierende Wiener SPÖ hat zwar ihrem Bericht zugestimmt, aber den Antrag abgelehnt. Fortschritte in diesem Bereich sind daher auch in Zukunft vom Wohlwollen der SPÖ-Rathausmehrheit abhängig.

„Während etwa Bundesländer wie die Steiermark und Oberösterreich bereits einige Gesetzestexte aus dem Gesundheits- und Sozialbereich in leicht lesbare Sprache gefasst haben, steht Wien erst am Anfang dieses Prozesses“, hält LAbg. Karin Praniess-Kastner, Sprecherin für Menschen mit Behinderung der ÖVP-Wien, gegenüber BIZEPS-INFO fest und ergänzt: „Mir ist wichtig, dass die Betroffenen in den Entstehungsprozess der Easy-To-Read-Ausgaben von Beginn an einbezogen werden, denn nur dann kann es gelingen, die Inhalte von Gesetzesmaterien den Menschen auch wirklich näher zu bringen.“

Wien hinkt hinterher

Die Redaktion von BIZEPS-INFO hat sich erkundigt, wo Texte in Leichter-Lesen schon im Einsatz und welche Gebietskörperschaften hier aktiv geworden sind.

Vorreiter in diesem Bereich war die Steiermark, wo es schon im Jahr 2005 das „Behindertengesetz“ in Leichter Sprache gab – es folgten Vorarlberg und Oberösterreich, die ihre Gesetz zur Chancengleichheit übersetzen ließen.

Auch auf Bundesebene werden einige Gesetze vom Wirtschafts-, Sozial- sowie Justizministerium in Leichter Sprache angeboten. Sehr aktiv ist auch das Bundessozialamt, welches eine ganze Fülle von Information in Leichter Sprache erstellen ließ.

Doch auf Bundesebene bleibt noch viel zu tun. Bei Wahlen gibt noch immer keine offiziellen Unterlagen in Leichter Lesen und auch die UN-Konvention zur Förderung und zum Schutz der Rechte und Würde von Menschen mit Behinderungen ist vom Sozialministerium noch nicht in Leichter Sprache vorgelegt worden.

Qualität

Gerade in diesem Bereich ist es wichtig, dass Standards eingehalten werden und nicht „selbsternannte Expertinnen und Experten“ so nebenbei einen Text vereinfachen.

Ein guter Standard sieht, neben Kriterien zur redaktionellen Arbeit, die Rückbindung zu Menschen aus der Zielgruppe zwingend vor. Eine Selbstverständlichkeit, die leider nicht immer beachtet wird.

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