Warum wird immer so viel versprochen?

In einem groß angelegten Projekt sollte am 17. Dezember 2004 die Internetseite Taubenschlag barrierefrei werden. Mehr als eine Baustelle ist es aber nicht geworden.

Baustelle
BilderBox.com

Die Internetseite Taubenschlag – das größte deutschsprachigen Webangebot für gehörlose und schwerhörige Menschen – ist eine unverzichtbare Informationsquelle für am Thema Interessierte. Viele Stunden habe ich schon bei diesen mit viel Liebe und Engagement gemachten Internetseiten verbracht.

Überrascht und erfreut war ich daher über die Ankündigung, dass die Internetseite Taubenschlag überarbeitet werden soll. Das etwas in die Jahre gekommene Layout soll überarbeitet werden, die technische Basis komplett erneuert und überdies sollen die Seiten barrierefrei werden. Das Unternehmen kernpunkt kündigte am 17. Dezember 2004 an sein gesamtes Team für dieses Projekt zur Verfügung stellen.

Applaus! Eine Entscheidung zu der man nur gratulieren kann.

Dann entdeckte ich Merkwürdiges. All diese umfangreichen und mit viel Test- und Überarbeitungsaufwand anfallenden Arbeiten sollten innerhalb eines Tages erfolgen, gab das Unternehmen kernpunkt GmbH bekannt. Ist das machbar?

Es kam, wie es bei dieser Art von vollmundigen Ankündigungen immer kommen muss. Der 17. Dezember 2004 verstrich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von kernpunkt haben sicherlich mit ganzem Einsatz gearbeitet, doch die Aufgabe ist einfach zu umfangreich.

Am 18. Dezember präsentiert sich Taubenschlag zwar in neuem Layout(entwurf), doch sieht man nur eine umfangreiche Baustelle. Die Seiten haben eine Vielzahl von Programmierfehlern, viele Links funktionieren nicht. Sehr umfangreiche Bereiche haben überhaupt keine Inhalte.

Im Bezug auf Barrierefreiheit ist die Baustelle sogar noch größer; tiefe Löcher säumen den Weg. Eingabefelder sind nicht beschriftet, Sprachauszeichnungen fehlen, Neue Fenster werden ohne Vorankündigung geöffnet – um nur einige Versäumnisse aufzuzählen. Dies sind nur manche der grundlegenden Barrieren, die diese Seite noch aufweisen.

Eine Abstimmung sollte den Leserinnen und Lesern die Möglichkeit geben über den neuen Taubenschlag abzustimmen. Doch dies musste schief gehen. Im Forum von efa hat „Katja“ geschrieben: „Vor ein paar Stunden hatten von über 300 Abstimmern über 67% für die schlechteste Auswahlmöglichkeit (die alte Seite war besser) gestimmt. Nun ist die Abstimmungsmöglichkeit weg.“

So kann schlechte PR-Arbeit nur nach hinten losgehen. Natürlich sind die neuen Seiten nicht schlechter. Natürlich hat das Unternehmen viel Arbeitskraft und dadurch auch eine Menge Geld in die Sache investiert. Alles lobenswert, doch dumm gemacht, weil einfach falsche Versprechungen aufgetischt wurden.

Wieso mussten die behaupten „in 24 Stunden“ wird alles besser? Wenn es so einfach wäre, würden doch schon längst eine Mehrheit der Internetangebote barrierefrei sein?

Am Ende des Tages erkannten auch die frohgemuten Profis, dass so eine Aufgabe nicht erledigbar ist. „Da nicht alle Probleme aufgrund von vielen Abhängigkeiten innerhalb eines Tages gelöst werden konnten, haben wir uns auch gerne bereit erklärt für dieses Projekt auch über den geplanten ‚Social Day‘ hinaus noch für Wünsche und Anpassungen kostenfrei zur Verfügung zu stehen.“ Langsam werden deren Zeithorizonte auch realistisch, wenn sie schreiben: Wir hoffen „in der kommenden Woche die vielleicht noch an der ein oder anderen Stelle notwendigen Aufräumarbeiten abzuschliessen“.

Die Arbeiten sind ein Lehrbeispiel, wie man eine an sich sehr gute Sache völlig in den Sand setzen kann.

Ich hoffe als regelmäßiger Taubenschlag-Leser, dass in den kommenden Wochen Taubenschlag wunderschön und auch barrierefrei wird. Derzeit hat er den Charme einer Baustellenhütte. Leider.

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