UNO-Flagge mit angedeutetem Gesetzestext

Was bringt uns die UN-Konvention?

Am 30. März 2007 hat Sozialminister Dr. Erwin Buchinger (SPÖ) für Österreich die Konvention der UNO über die Rechte von Menschen mit Behinderung unterschrieben. Was soll sich durch so ein UNO-Dokument schon ändern, fragt man sich.

Rund 80 Staaten haben in New York diese – unter starker Beteiligung der Behindertenbewegung in Rekordzeit entstandene – Konvention unterschrieben. Doch die derzeit häufigste Frage lautet:

Konvention: Was steht da eigentlich drinnen?

Die Konvention hält fest, „dass alle Menschenrechte und Grundfreiheiten allgemein gültig und unteilbar sind“ und dass Menschen mit Behinderungen „der volle Genuss dieser Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung garantiert werden muss“. Weiters heißt es: „Behinderung entsteht, wenn Menschen mit Beeinträchtigungen auf einstellungs- und umweltbedingte Barrieren stoßen, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilnahme am gesellschaftlichen Leben“ hindern.

Zuerst wollten Vertreterinnen und Vertreter des Sozialministeriums doch allen ernstes behaupten, dass Österreich den Inhalt der Konvention mit dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) schon umgesetzt hätte. Das ist mehr als peinlich, weil das nur jemand behaupten kann, der das Gesetz einfach nicht kennt.

Was fehlt uns noch alles?

Ich möchte hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit einfach einige Artikel der Konvention aufzählen, zu Bereichen, in denen Österreich wirklich noch viel umzusetzen hat.

„Zweck dieses Übereinkommens ist es, die volle und gleichberechtigte Ausübung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten“, heißt es in Artikel 1. Unser BGStG „gewährleistet“ gar nichts. Es passiert nur eine Diskrminierungsbekämpfung, wenn ein/e Betroffene/r den mühevollen Weg einer Schlichtung startet.

In Artikel 3 ist als allgemeiner Grundsatz „neben der Chancengleichheit die Barrierefreiheit“ angeführt. In Österreich wurde zur Barrierefreiheit noch immer keine Vereinbarung mit den Bundesländern, die für das barrierefreie Bauen zuständig sind, abgeschlossen.

Die Vertragsstaaten verpflichten sich im Artikel 4, „die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung auf Grund der Behinderung sicherzustellen und zu fördern“. Konkret heißt es dort: „Zu diesem Zweck verpflichten sich die Vertragsstaaten … alle geeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Änderung oder Aufhebung bestehender Gesetze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Praktiken zu treffen, die eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen darstellen“.

Eine große Aufgabe, wenn man bedenkt, dass Österreich schon seit 1999 einen 120-seitigen Bericht des Bundeskanzleramtes vorliegen hat, der nur benachteiligende Gesetzesstellen, die beseitigt werden müssen, enthält und von dem noch immer ein großer Teil nicht umgesetzt wurde.

Doch die Ansprüche reichen noch weiter. Im Artikel 9 werden die Vertragsstaaten aufgefordert, einen „gleichberechtigten Zugang zur physischen Umgebung, Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die für die Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten zugänglich sind oder bereitgestellt werden, zu gewährleisten.“

Da wird ziemlich viel verlangt. Österreich ist – als menschenrechtspolitisches Entwicklungsland (alle, die jetzt aufschreien, lesen bitte zuerst Menschenrechtsberichte aus und über Österreich!) – hier massiv gefordert. Bei uns werden noch immer mit Steuergeldern öffentliche Verkehrsmittel gekauft, die nicht barrierefrei sind.

In Artikel 19 wird festgehalten, dass „Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Wohnsitz zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben“.

Also keine Heime und mehr Unterstützung. Konkret gefordert: „Zugang zu einer Reihe von häuslichen, institutionellen und anderen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in und der Teilhabe an der Gemeinschaft sowie zur Verhütung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist“. Bei uns streitet man noch immer um den Pflegenotstand und überlegt, wie man noch größere Heime bauen könnte.

Man müsse – so der Artikel 21 – „die Massenmedien, einschließlich der Anbieter von Informationen über das Internet, dazu auffordern, ihre Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen“. Österreich dagegen zahlt derzeit jährlich Unmengen an Presseförderung für nicht barrierefreie Internet­an­ge­bote von Zeitungen; der ORF untertitelt nur rund 20 % des Angebotes.

Die „Verwendung von Gebärdensprachen anerkennen und fördern“. Anerkannt ist die Österreichische Gebärdensprache; gefördert aber unzureichend, wenn man bedenkt, wie mangelhaft das Angebot im Bildungsbereich ist.

Der Bildungsbereich wird im Artikel 24 noch ausgeführt. Hier wird eingefordert, „dass Menschen mit Behinderungen nicht auf Grund ihrer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden“. Über systematische Aussonderung im Bildungsbereich wurde an dieser Stelle schon vielfach geschrieben. Der größte Bremser ist dabei noch immer die ÖVP.

„Die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in der Krankenversicherung und in der Lebensversicherung; derartige Versicherungen sind zu angemessenen und vernünftigen Bedingungen anzubieten“, hält Artikel 25 fest. Dass behinderten Menschen und deren Angehörigen Versicherungen vorenthalten werden, ist in Österreich seit Jahren ein Ärgernis, welches noch immer nicht beseitigt wurde.

Berichte werden überprüft

Die Konvention verlangt von allen Staaten regelmäßige Berichte, die die Umsetzung der Konvention überprüfen. Diese sind unter Einbeziehung der Be­troffenenorganisationen zu erstellen.

Können diese Rechte durchgesetzt werden?

Natürlich kann die UNO keinen Staat zu etwas zwingen. Allerdings ist der moralische Druck schon beachtlich. Welcher Staat will schon von der UNO als Verletzter von anerkannten Menschenrechten gebrandmarkt werden?

Österreich wird da sicherlich aufpassen, um nicht – wie kürzlich Deutschland – im Bereich Bildung international als abschreckendes Beispiel genannt zu werden. (In Deutschland gehen 87 % der behinderten Kinder in Sonderschulen!) Mit der Unterschrift – und den in der folgenden Monaten zu erwartenden Ratifizierung im Parlament – hat sich Österreich international endlich dazu verpflichtet, Menschenrechte behinderter Menschen ernst zu nehmen. Auch wenn nicht von heute auf morgen alles anders wird; ein Verstoß wird von uns mit Nachdruck aufgezeigt.

Nicht das erste Mal

Es ist nicht das erste Mal, dass Österreich auf internationalen Anstoß Menschenrechte behinderter Menschen anerkennen musste. Im Jahr 2000 beschloss die EU Mindestrechte für behinderte Menschen im Arbeitsbereich. Diese Rechte gab es in Österreich nicht und es war legal, behinderte Menschen wegen ihrer Behinderung im Arbeitsbereich zu diskriminieren. Österreich musste daher das Behin­derten­ein­stellungsgesetz – ein Gesetz, das es bereits Jahrzehnte gab, das aber bei Diskri­mi­nierung (z.B. bei der Einstellung) wirkungslos war – verändern.

Bei Menschenrechten brauchen wir oft diesen Anstoß von außerhalb, weil wir keine Menschenrechtstradition in Österreich haben. Hoffen wir, dass die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung so ein Anstoß mit Folgen ist. Wir werden uns daher intensiv mit der Umsetzung der Konvention beschäftigen müssen. Von alleine passiert hier nichts.

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