Was ist Barrierefreiheit? Was ist Kunst?

Ein Besuch im Grazer Joanneum.

Viele Fragen
unbekannt

Wo beginnt Barrierefreiheit? Meiner Ansicht nach im Kopf.

Das Joanneum in Graz lässt hier Verwunderung aufkommen und Fragen offen.

Das extravagante Gebäude rühmt sich schon von Weitem und in jeder Stadtzeitschrift mit dem Wort „Barrierefreiheit“.

Für mich als Rollstuhlfahrerin, ist das Haus sehr großzügig gestaltet, die Ein- und Ausgänge bieten von der Breite Platz für mehrere Rollstühle und Ebenerdigkeit ist selbstverständlich. Die WC’s sind einzigartig vom Wendekreis der in alle Richtungen funktioniert.

Folglich kann man sagen, das Joanneum ist baulich frei von Barrieren. Auch stellt sich im Zuge der besuchten Führung heraus, dass Barrierefreiheit auch für auditive und visuelle Behinderungen gegeben ist.

„Sie fahren dort drüben mit dem Aufzug und drücken ‚OG’, wir treffen uns dann unten.“

Doch an der Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in Bezug auf Menschen mit Behinderungen, wurde wohl bis jetzt nicht gearbeitet. Das Joanneum ist vom Prädikat „barrierefrei“ also noch weit entfernt.

Der Kontakt mit der Expertin für Barrierefreiheit des Hauses, die die Führung durchs Joanneum veranstaltete und dabei auf die Barrierefreiheit immer wieder anschaulich hinwies, wirft erst Licht auf die eigentlichen Hindernisse des Museums. Darüber hinaus wundert man sich über die Verwendung des Wortes „Barrierefreiheit“ als Werbeträger.

Aussagen während der Führung, wie (zeigt mit dem Finger in eine Richtung): „Sie fahren dort drüben mit dem Aufzug und drücken ‚OG’, wir treffen uns dann unten“, sind noch das kleinste Übel. Und das, obwohl genug Museumsbedienstete sich in unmittelbarer Nähe zu Tode langweilen und für eine Begleitung mit dem Lift durchaus kompetent erscheinen.

Viel gravierender war das unangekündigte Richtungs- und Standortwechseln der „Expertin“ zwischen den Ausstellungsobjekten während der Führung. Wodurch es einem quasi unmöglich wurde, der „Expertin“ geistig wie körperlich zu folgen.

Wann ist man Expertin für Barrierefreiheit? Im Joanneum reicht offensichtlich ein angelerntes Kunstverständnis. Für mich als Rollstuhlfahrerin reicht das nicht.

150 Kubikmeter Problemstoff

Die aktuelle Ausstellung unter dem Titel „Wer, ich? Wen, du?“ im Grazer Joanneum ist eine Schaumstoffinstallation von Katharina Grosse. Die Künstlerin ist 1962 geboren und seit 2010 Professorin an der Kunstakademie Düsseldorf.

Auf einer großzügigen Etage im Museum winden sich für das Kunstwerk von Grosse 150 Kubikmeter Schaumstoff. Das sind 150 Tonnen. Gedreht, gezwirbelt und aufgestapelt, erstreckt sich dieses Gebilde über das sparsam beleuchtete Stockwerk. Besprüht mit Rot, Grün, Gelb aus der Graffitidose, findet man auch den ein oder anderen Schaumstofftunnel.

150 Tonnen Problemstoff für das Grazer Joanneum. Die Frage, was denn mit dem unverwüstlichen und nicht wieder verwertbaren Schaumstoff nach dieser kunstvollen Präsentation passiere, konnte nicht beantwortet werden.

Man wundert sich gehörig.

Ist der überaus wichtige Begriff „Umweltbewusstsein“ noch nicht kompatibel mit dem Kunstbewusstsein in Österreich? Oder ist er nur zum Joanneum noch nicht vorgedrungen?

Wird denn das Exponat einer sich so bezeichnenden Künstlerin uns deshalb näher gebracht, damit wir die Logik keine Problemstoffe zu verwenden, wenn es vermeidbar ist, über den Haufen schmeißen?

Das Werk eines Künstlers oder einer Künstlerin entsteht immer aus dem persönlichen Bedürfnis heraus sich mitzuteilen. Die Tatsache, dass 150 Tonnen Schaumstoff für Frau Grosse notwendig sind um sich auszudrücken, bedarf massiver Hinterfragung.

Kunst muss mich berühren, dann ist es Kunst … für mich.

Warum sollten mich 150 Tonnen Problemstoff berühren?

Mein Kunstverständnis ragt offensichtlich über den Joanneum-Rand hinaus.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich