Was ist besser für Deutschland: Gemeinsamer Unterricht oder Förderschule?

Zum Forscherstreit über die Förderschule oder über den Umgang mit "unerwünschten" Forschungsergebnissen

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Im gemeinsamen Unterricht lernen Kinder mehr, als wenn sie in Förderschulen unterrichtet werden. Dieses Ergebnis einer aktuellen Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) blieb nicht unwidersprochen. Brigitte Schumann berichtet über den Forscherstreit.

Die Ergebnisse aus der aktuellen Studie „Wo lernen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf besser?“ des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) im Auftrag der Kultusministerkonferenz (KMK) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) haben das bestätigt, was schon frühere wissenschaftliche Studien empirisch belegen konnten: Kinder mit Behinderungen lernen im gemeinsamen Unterricht erfolgreicher als in der Sonder- /Förderschule.

Prof. Elke Wild, Leiterin des laufenden Forschungsprojektes BiLieF (Bielefelder Längsschnittstudie zum Lernen in inklusiven und exklusiven Förderarrangements), bestreitet in den Medien jedoch vehement den Wert und die Aussagekraft der IQB- Studie. Und das, obwohl ihre eigenen Ergebnisse aus der ersten Erhebungswelle in die gleiche Richtung gehen. Wer sich so mit dem IQB anlegt, das sich zu den wichtigsten Instituten für empirische Bildungsforschung in Deutschland zählt, muss schon sehr gute Gründe haben.

Die Verteidigung der Förderschule

Darum genau geht es. Dazu dient die Kritik am IQB. Dazu ist auch das Mittel der Relativierung eigener Forschungsergebnisse recht. Trotz des messbaren Testvorsprungs der Schülerinnen und Schüler in inklusiven Grundschulen spielt Wild die Bedeutung der Struktur für die Leistungsergebnisse herunter. Die Struktur sei nicht unbedeutend, wichtiger aber sei die Qualität der Einzelschule. Wild verweist darauf, dass es in ihrer Untersuchung sowohl gute Förderschulen als auch schlechte Grundschulen gibt.

Das Hauptproblem der Förderschulen, laut Wild die Unterforderung der Schülerinnen und Schüler, resultiert jedoch genau aus der schulstrukturellen Abschottung der leistungsschwachen Schülerschaft mit sozialen Entwicklungsproblemen von der Anregungsqualität leistungsstärkerer Schülerinnen und Schüler aus anderen sozialen Milieus.

Sehr eindrucksvoll hat z. B. Prof. Hans Wocken auf den Zusammenhang zwischen dem didaktischen, methodischen und sozialen Reduktionismus und den strukturellen Voraussetzungen in Förderschulen aufmerksam gemacht und in seiner 2005 veröffentlichten Untersuchung nachgewiesen, dass die Schülerinnen und Schüler mit der längsten Verweildauer in der Förderschule die schlechtesten Werte in der Lern- und Intelligenzentwicklung zeigten. Der Einwand, dass mit großer Plausibilität angenommen werden könne, dass die leistungsschwächsten Schülerinnen und Schüler frühzeitig zur Förderschule angemeldet werden, konnte jedoch für Wocken nicht hinreichend erklären, „warum die schwächeren Schüler auch über Jahre hinweg weiterhin die schwächsten Schüler geblieben sind, trotz intensiver spezieller Förderung“.

Vorurteile anstelle begründeter Urteile

Die Bielefelder Forscherin geht von unterschiedlichen Lernvoraussetzungen bei Schülerinnen und Schülern an Förderschulen und inklusiven Grundschulen aus. Diesen Sachverhalt hätten die Forscher des IQB nicht hinreichend berücksichtigt. Nur Längsschnittstudien, die die Entwicklung der Kinder untersuchten und nicht nur eine Momentaufnahme von Leistungsergebnissen darstellten, könnten wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse liefern. Aus dem IQB-Gutachten die Schließung der Förderschulen zu schlussfolgern, sei dementsprechend voreilig. Man dürfe die Förderschule nicht „verteufeln“. Die Berechtigung der Förderschulen unterstreicht die Wissenschaftlerin mit der Feststellung, dass das Niveau an Regelschulen sinken würde, wenn alle Kinder von Förderschulen zu Regelschulen wechselten.

Diese Aussage ist allerdings durch gar nichts wissenschaftlich belegt. Sie ist nicht nur unwissenschaftlich, sondern auch unseriös und gefährlich. Länder mit hohen Inklusionsquoten weisen nach, dass leistungsstarke und leistungsschwache Schülerinnen und Schüler von gemeinsamer Unterrichtung profitieren. Auch die deutsche Schulbegleitforschung für die Schulversuche zum gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen hat die Vorteile für beide Gruppen in allen Dimensionen des Lernens herausgestellt. Hier sei stellvertretend verwiesen auf die von Prof. Dumke durchgeführte Untersuchung in NRW. Man muss also annehmen, dass in massiver Weise hier bewusst Ängste von Eltern geschürt und vorhandene Vorurteile gegen Inklusion in der Bevölkerung angesprochen werden sollen.

Doppelte Benachteiligung durch den Förderschulbesuch

Prof. Jürgen Baumert hat im Rahmen vertiefender Analysen der PISA-2000-Daten festgestellt: „Die Schulstruktur hat in gegliederten Systemen einen erheblichen Einfluss auf die Entstehung unterschiedlicher schulischer Lern- und Entwicklungsumwelten, die ihre Wirkung unabhängig von und zusätzlich zu den Effekten unterschiedlicher individueller Lernvoraussetzungen entfalten.“ Prof. Gundel Schümer hat diesen Sachverhalt in ihrer Untersuchung konkretisiert und kommt bezogen auf bestimmte Schülergruppen zu folgendem Resultat: „Schüler, die unter ungünstigen sozialen und kulturellen Bedingungen aufwachsen und entsprechend häufiger als andere Schulschwierigkeiten haben, werden noch einmal benachteiligt, wenn sie extrem ungünstigen Schülerpopulationen angehören. Das heißt, durch die soziale Herkunft bedingte Nachteile werden institutionell verstärkt.“ Solga und Wagner haben die in ihren Untersuchungen ebenfalls festgestellten negativen Effekte der sozialen Entmischung auf die Schülerleistungen mit der „Verringerung der sozialen Ressourcen für den Bildungserwerb“ erklärt.

Wer diese Ergebnisse einfach ignorieren kann, hat sich selbst als Forscher ein schlechtes Zeugnis ausgestellt und disqualifiziert. Der Inklusion ist leider dabei erheblicher Schaden zugefügt worden.

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