Was ist ein Aktionsplan?

Ich habe den Eindruck, man erwartet sich durch den Aktionsplan Alles-wird-gut-Verschriftlichungen, was keineswegs der Fall ist. Ein Kommentar.

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Nach den zahlreichen Kommentaren und Enttäuschungsbekundungen über den Aktionsplan Behinderung 2022-2030, mag diese Frage seltsam klingen, muss jedoch trotzdem gestellt werden, weil für mich die Enttäuschung zu einem guten Teil auf einem Missverständnis gründet.

Einen nationalen Aktionsplan gibt es in einigen EU-Mitgliedstaaten. Es handelt sich um Aktionspläne/Leitlinien, mit denen staatliche und private Einrichtungen bei der gemeinsamen Förderung verschiedener Aktivitäten unterstützt werden. Oft tragen diese Pläne auch dazu bei, dass öffentliche Gelder für Projekte bereitgestellt werden. Leitlinien und Pläne gibt es in verschiedenen Formen in den USA und auch bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Um die Integration politischer Maßnahmen zur Förderung zu gewährleisten, sollten die relevanten öffentlichen und privaten Akteure bei der Ausarbeitung politischer Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen in enger Abstimmung zusammenarbeiten. Die Leitlinien wenden sich in erster Linie an politische Entscheidungsträger in den Mitgliedstaaten“, sagt Wikipedia.

Was diese Definition klar macht: Es handelt sich um Aktionen, durch die etwas (Bestimmtes) geschehen soll. Was die Definition auch noch klar macht: Das mit dem Zusammenarbeiten bedarf noch politischer Übung.

Ich habe jedoch den Eindruck, man erwartet(e) sich durch den Aktionsplan Alles-wird-gut-Verschriftlichungen, was keineswegs der Fall ist.

Zwei der zahlreichen Reaktionen haben mich dennoch sehr verwundert:

Jene der Lebenshilfe Österreich, die sagt: „Lebenshilfe: Nationaler Aktionsplan Behinderung 2022-2030 ist nicht ausreichend

Gegenfrage: In welchen Bereichen ist er denn ausreichend? Wohnen? De-Institutionalisierung? Inklusive Bildung? Wenn ich nicht wüsste, dass sich die Lebenshilfe uneigennützig mit Haut und Haar für die Rechte der Menschen mit Behinderung einsetzt, könnte ich fast vermuten, man will doch nicht zu laut kritisieren.

Das Statement von Fiona Fidler, der Behindertensprecherin der NEOS: Nichtssagende Worthülsen-Blabla, kein einziges Mal das Wort „Menschenrechte“, obwohl diese Thematik im Parteiprogramm zahlreich behandelt wird, was wiederum den Schluss zulässt, dass sogar die Menschenrechtspartei behinderten Menschen andere Menschenrechte als Menschenrechte im Verfassungsrang „zuordnet“.

Und was nun?

Zunächst: Willkommen in der Realität. Jahrelang wurden wir mit Wolkenwörtern wie Partizipation, Inklusion, Teilhabe u. Ä. „warmgehalten“. Damit kann jetzt endlich Schluss sein.

Weiters: „Rechte“ und „Rechte“ unterscheiden (lernen): Die Behindertenrechtskonvention stellt KEINE personenbezogenen, einklagbaren Rechte dar: Der Staat tut, was er tut, wenn es ihm (hinein)passt, ist’s halt aufgrund der UN-Konvention.

Und zu guter Letzt der schwierigste Teil: Übersetzen der Wolkenwörter-Rechte in echte, bestehende und personenbezogene Rechte.

Dazu zwei Beispiele: „Persönliche Assistenz bundeseinheitlich“ heißt letztlich „wohnen und arbeiten, wo ich will“. In Echt-Recht wird es daher um freie Wohnsitzwahl und um Recht auf Erwerbs(ausübungs)freiheit gehen.

„Inklusive Bildung“ in wolkenwörtlich heißt in echt „Gleiche Bildung“ und ist hier auf Verfassungsebene verschriftlicht.

D. h., es wird leider primär die Aufgabe der Betroffenen (Eltern) sein, sich rechtlich durchzusetzen – deren Vereinen ist oft das eigene Hemd näher als des Mitglieds-Rock.

Und zu guter Letzt

Warum fordern wir nicht eine Task-Force Behinderung, damit Landes- und Bundesgesetze ausschließlich auf verfassungsrechtliche Defizite durchgekämmt und ECHTE Umsetzungspläne inklusive Zeitplan erstellt werden?

Zugegeben, dieses Vorgehen hätte einen gravierenden Nachteil: Wolkenwort-Politiker:innen und -interessensvertreter:innen müssten bei diesem Prozess als Zuschauer:innen fungieren.

Einen Vorteil für Politik hätte es aber auch: Es wäre klar(er), welche Rechte noch in (Verfassungs)Recht gegossen werden müssen.

Zudem wird es in den meisten Fällen dadurch nicht mehr darum gehen, OB ein behinderter Mensch in einer Institution lebt, in eine Sonderschule geht u. v. m., sondern ausschließlich darum, WER ihm seine Wünsche verwehrt.

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6 Kommentare

  • Ist hier jetzt vielleicht nicht die ganz richtige Stelle aber: Gibt es eigentlich eine Version des NAP in einfacher Sprache?

    • Lieber Blindwurm!

      Derzeit nicht. Auf der Seite des Sozialministeriums steht geschrieben:
      „Der NAP Behinderung 2022–2030 wird künftig in mehreren barrierefreien Fassungen, insbesondere auch in einer Zusammenfassung in leichter Sprache zur Verfügung stehen. Vorläufig ist der NAP II in der Fassung, die dem Ministerrat zu Beschlussfassung vorgelegt und beschlossen worden ist (Ministerratsvorlage), online zugänglich.“
      https://www.sozialministerium.at/Themen/Soziales/Menschen-mit-Behinderungen/Nationaler-Aktionsplan-Behinderung.html

    • @Markus:
      Danke für die Aufklärung!
      Bin dann mal gespannt, wann die angekündigten Versionen fertig werden.

  • In meiner Weltsicht sind es die sozialen Prozesse, die im Mittelpunkt stehen sollen und nicht Gesetze. Ich versuche nicht in erster Linie gegen Inklusion zu wettern, auch wenn ich ähnlich kritisch und pessimistisch der realen Umsetzung gegenüber eingestellt bin wie sie Jakob Putz!
    Wozu Gesetze in der Lage sind wissen wir z.B. aus den 1930er-Jahren, und sehen gerade auch eine Entwicklung in den USA z.B. beim Thema Abtreibung. „Wer das Gold hat, macht die Regeln!“ – so der Spruch eines berühmten Steirers.
    Das bedeutet nicht, dass ich Gesetze für sinnlos halte oder für nicht notwendig halte, damit das klar verständlich ist. Mir ist die dort übliche Sprache zu fremd und abgehoben, als dass ich mich dort argumentativ gut bewegen könnte. Ich hätte gerne eine Kommunikationssprache, in der man sich ohne akademisches Studium unterhalten kann.
    Zur „ceterum censeo“ – dem permanenten Abwerten des Inklusions-Diskurses (hier werden dort verwendete Vokabeln als „Wolkenwörter“ gleich einmal diffamiert). Wie wichtig Framing in einem populistischen Diskurs ist, haben wir ja unter Kanzler Kurz gelernt, der dieses Handwerk wirklich großartig beherrscht hat.
    Im Bizeps-Beitrag wird so getan, als ob man offensichtliche Menschenrechtsverletzungen (z.B. im Schulsystem) über die Einhaltung von Gesetzen klar definierten Personen oder Institutionen zuordenbar wären. Wir wissen aber alle, dass jede Schuldzuweisung sofort an „andere Verantwortliche“ weitergegeben werden könnte. Es gibt immer einen anderen, der einem selbst daran hindert eine „Systemveränderung“ umzusetzen. Meistens ist es das „fehlende Geld“, manchmal hätte man die notwendigen Ressourcen, dann ist es der uns so wichtige „Föderalismus“, der uns daran hindert.
    Zur „Task-Force“: die wäre notwendig, keine Frage! Nur „Task-Forces“ machen nur Sinn, wenn sie aus einer bestehenden, funktionierenden Prozessorganisation heraus implementiert werden! Ein MINISTERIALRAT ist das nicht, die SILO-ORGANISATION der Ministerien ist es auch nicht. Der Ministerialrat und die Ministerien ändern sich oft mit Regierungsumbildungen fundamental.
    Daher braucht es vor der Einsetzung einer solchen Struktur eine ORGANISATION bzw. RE-ORGANISATION. Die im NAP-Behinderung dokumentierten Maßnahmen sind richtigerweise als Querschnittsthemen definiert und beschreiben Prozess.
    Im Diskurs (und im Bizeps-Artikel“ werden ZWEI Begriffe undifferenziert verwendet, und führen zu einer für mich zweifelhaften, unscharfen Argumentation. Der NAP-Behinderung beschreibt sowohl Prozess-Schritte als auch Projekt-Maßnahmen. Prozesse haben KEINE Ende, Projekte haben sehr klar definierte Zielsetzungen, brauchen klar definierte Ressourcen (Zeit, Geld, Personen) und eine klar beschriebene Qualität.
    Man kann das natürlich in einem Satz vereinfacht zusammenfassen: „Ich habe den Eindruck, man erwartet sich durch den Aktionsplan Alles-wird-gut-Verschriftlichungen, was keineswegs der Fall ist.“
    Für mich eine unzulässige Vereinfachung eines seit 2012 fundamental falsch konzipieren Lösungsweges. Ich kann die Kritik an Fr. Fiona Fiedler und der #Lebenshilfe zum Teil nachvollziehen (bei den NEOS am Beispiel der Verweigerung der Umsetzung von Inklusion in Wien, und bei der Lebenshilfe, die ja bereits mit Minister Faßmann im Consulting Board bei der Verhinderung des NAP-Behinderung mitgewirkt hat).

  • Der Hr. Putz führt ja schon recht lange seinen Kampf geben das Wort „Inklusion“. Bis zu einem gewissen Punkt kann ich das ja verstehen, ich bin auch verärgert wie verwaschen und sinnentleert der Begriff geworden ist, indem das System auf alles und jedes einfach „Inklusion“ oder „inklusiv“ oder „inclusion&diversity“ drauf pinselt.

    Aber was meint er mit „D. h., es wird leider primär die Aufgabe der Betroffenen (Eltern) sein, sich rechtlich durchzusetzen – deren Vereinen ist oft das eigene Hemd näher als des Mitglieds-Rock.“

    Glaubt er wirklich, er kann mit Klagen von Eltern das „Schulsystem“ verändern. Feine Sache für ein paar Eltern, die die dafür notwendigen Geldmittel aufbringen können, die richtigen Verbindungen zu Medien haben, denen wird man im System sicherlich gute „Lösungen“ anbieten können.

  • Sehr geehrter Herr Putz,

    falls Sie Interesse an einem Austausch mit Frau Fiedler zum NAP II, Inklusion als Menschenrecht und die Ansichten von uns NEOS haben, schreiben Sie mir gerne eine Mail an: michael.lopez@neos.eu

    Herzliche Grüße,
    Michael López