Die Grünen standen seit ihrem Einzug in den Nationalrat in dem Ruf, behinderte Menschen und deren Anliegen zu unterstützen, gegen Diskriminierungen zu kämpfen, und die Selbstvertretung zu fördern. Ist dies nun wirklich alles zu Ende? Ein Kommentar.

Die Umstände wie es dazu kommt, dass die Grünen erstmals seit ihrem Einzug ins Parlament keine behinderte Person als Abgeordneten haben werden, wurde hier schon mehrfach und ausgiebig aufgezeigt und kritisiert.
Doch auch inhaltlich bieten die Grünen im Bereich Behindertenpolitik derzeit ein trauriges Bild. Ihre gänzlich neue Homepage ist nicht barrierefrei und stellt eine deutliche Verschlechterung zur vorherigen Homepage dar.
Das Wahlprogramm der Grünen enthält zum Thema Behinderung nichts Lesenswertes, was angesichts der Geschichte der Grünen ziemlich überraschend ist.
Bürger fragt bei den Grünen nach
Sepp Meister überraschte dies und er schrieb ein e-Mail an die Grünen. „Ich habe vom Grünen Dialogbüro folgende Antwort bekommen, die mich schon staunen lässt“, berichtet er BIZEPS-INFO. Auch wir staunten und wollen Ihnen diese Antwort nicht vorenthalten.
Lesenswerte Antworten der Grünen
Man bedankte sich für das Mail und führt dann aus: „Am Bundeskongress in Graz vergangenen Sonntag wurde Helene Jarmer von den Delegierten mit überwältigender Mehrheit auf den 7. Platz der Bundesliste gewählt. Damit stehen die Chancen gut, dass Österreichs erste taub-stumme Abgeordnete in den Nationalrat einzieht und aktiv Behindertenpolitik machen wird.“
Die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Ankündigung, dass man mit Platz 7 auf der Grünen-Bundesliste in den Nationalrat einzieht, kann man ruhig beiseite lassen (die Zeitungen haben dazu mehrfach berichtet). Vielmehr überrascht, dass die Grünen von einer taubstummen Abgeordneten schreiben. Helene Jarmer wird sich zurecht sehr ärgern, wenn sie diesen Unsinn lesen muss. Wahrscheinlich sind sich die Grünen der Diskriminierung durch diese Aussage nicht einmal bewusst.
Was ist Barrierefreiheit?
Doch das Mail geht noch weiter: „Das bedeutet auch, dass die Sitzungssäle des Parlaments neben rollstuhltechnischer Barrierefreiheit nun auch gebärdensprachlich barrierefrei eingerichtet werden müssen. Das ist für uns Grüne ein Signal, dass ALLE Diskriminierungen Behinderter in unserer Gesellschaft abgeschafft gehören.“
Barrierefreiheit umfasst immer alle Aspekte, aber das ist nicht der zu kritisierende Punkt. Hier hat die Schreiberin oder der Schreiber schlicht Unsinn geschrieben. Eine „rollstuhlgerechte Barrierefreiheit“ gibt es ebenso wenig wie eine „gebärdensprachliche Barrierefreiheit“.
Und bitte was soll der Satz mit „Signal“ bedeuten? Soll Jarmer nur ein Aushängeschild sein. Und wenn sich ein blinder Kandidat beworben hätte, dann stünde evtl.: „Das bedeutet auch, dass die Sitzungssäle des Parlaments neben rollstuhltechnischer Barrierefreiheit nun auch blindengerecht barrierefrei eingerichtet werden müssen.“
Soll man den Grünen noch schreiben, dass man „Diskriminierungen Behinderter“ auch vermeiden kann, indem man solche Sätze mit „Menschen“ ergänzt?
„Behindertenpolitik wiederum ist so komplex“
Und was haben die Grünen auf die eigentliche Frage zu den fehlenden Inhalten im Wahlprogramm geschrieben? Hier die Antwort: „Ein Wahlprogramm kann natürlich immer nur ein Ausschnitt der gesamten Programmatik einer Partei sein – wir bitten um Verständnis dafür. Der Bereich der Behindertenpolitik wiederum ist so komplex, dass er sich direkt und indirekt gleich in mehrere unserer Teilprogramme wiederfindet. Wir dürfen hier zum Beispiel für den Bereich Pflege und Betreuung auf unsere neue Gesundheitsbroschüre verweisen.“
Was soll man mit dieser Antwort anfangen. Soll das heißen die Themen „Sparen“, „Umwelt“, „Armut“, „Frauen“, „Junge“, „Menschenrechte“, „EU“ usw. sind nicht komplex? (Sie sind nämlich alle sehr wohl im Wahlprogramm mit eigenen Kapitel vertreten.)
Man hätte ein eigenes Kapitel „Behinderte Menschen“ schreiben können oder in den bestehenden Kapiteln auf das Thema eingehen, wenn es einem wirklich wichtig ist. Die Grünen entscheiden sich weder für das eine, noch für das andere. Es war anscheinend so komplex, dass man es gleich ganz eingespart hat.
Der Grüne Bundessprecher Prof. Alexander Van der Bellen schreibt im Vorwort: „Was bekommen wir, wenn wir die Grünen wählen? Unser Wahlprogramm ist die Antwort auf diese Frage.“
Wirklich so wenig?
Ulli Schindl-Helldrich,
22.09.2008, 11:16
Die Grünen haben mehr Wissen, Sensibilität und Kompetenzen, als sie im Moment auf Bundesebene sichtbar machen. Als Mutter einer Tochter mit Behinderung, als Kämpferin für Inklusion und als Grüne Gemeinderätin bin ich im Moment ziemlich entsetzt, wie wenig nachhhaltig die Arbeit von Theresia Haidlmayr bei den Grünen offenbar gewirkt hat.
Ich kann nur sagen, eure Kritik ist sehr berechtigt und wird mir helfen, die Grünen aufzurütteln. Sich ernsthaft damit zu beschäftigen was INKLUSION bedeutet z.B. oder selbst bei den Dingen des eigenen Wirkungsbereichs Barrierefreiheit umzusetzen!
Volker Schönwiese,
21.09.2008, 17:53
Stellt euch die ÖVP ohne Franz-Joseph Huainigg vor. Sie würde der Vertretung von Menschenrechten für behinderte Menschen kaum Raum lassen, weil sie programmatisch an Wirtschaftsinteressen, aber nicht an sozialen Fragen und Menschenrechten orientiert ist.
Stell euch die Grünen ohne eine behinderte Person im Parlament vor. Das haben und sehen wir jetzt. Die benimmt sich panisch als hätte sie von Behindertenpolitik noch nichts gehört, unterschätzt die Fragen im Zusammenhang Assistenz und Pflege völlig (Schüssel ist in seiner Ignoranz diesem Thema gegenüber in der letzten Wahl gescheitert). Aber die Grünen sind programmatisch an Menschenrechten orientiert und deshalb ansprechbar (bei aller unendlichen Mühe).
Stellt euch eine SPÖ mit oder ohne Günter Porta vor. Ohne betroffene Person, das kennen wir. Immerhin war ihr die Pflegegeldregelung abringbar (eine historische Geschichte), sonst mühsam immer in Koalitionen agierend, immerhin sozialstaatlich orientiert, weniger an Menschenrechten. Mit Porta? Eine unbekannte Situation.
FPÖ/BZÖ brauchen wir uns nicht vorstellen, das kennen wir. Oft nicht schlechte Vorschläge, aber rassistisch zum schaudern.
Ich wünsche eine gute Wahl!
Claudia Niedermair,
21.09.2008, 11:37
Seit Mitte der 80er Jahre, mit dem Aufkommen der Diskussion um schulische Integration (oder Inclusion, obwohl ich diesen Begriff nicht verwende, weil wir in Österreich weit, weit davon entfernt sind) – arbeite ich mit Leidenschaft im Vorstand von Integration Vorarlberg und als Bildungspolitikerin bei den Grünen mit. An der Pädagogischen Hochschule und auch an der FH (Studiengang Sozialarbeit, in Teamarbeit mit dem Obmann der Selbst-bestimmt-Leben-Initiative Vorarlberg) versuche ich/wir, mit jungen Menschen, die kaum/wenig mit dem Thema Behinderung konfrontiert waren, ihre bisherigen Haltungen zu reflektieren und ihnen Türen für neue Sichtweisen zu öffnen.
Wie sehr alltägliche Diskriminierung – aus Unwissenheit oder auch nur aus Unachtsamkeit – gesellschaftlich noch immer vorhanden ist (auch in allen Parteien, ich nehme hier keine aus), wie wenig Berührungspunkte es noch immer gibt zwischen Menschen mit Behinderung und solchen, die keine diagnostiziert haben, ist für alle immer wieder überraschend und macht betroffen.
Die Kritik an der grünen Politik für Menschen mit Behinderung und deren Familien – verbunden mit der Anregung – uns nicht zu wählen, möchte ich jedoch nicht unkommentiert stehen lassen: Keine andere Partei setzt sich so nachhaltig für eine Schule für ALLE ein – mit sehr klaren Vorstellungen bezüglich Inclusion. Eine ähnliche Position hat hier nur noch die SPÖ, während alle anderen Parteien an den Trennungen festhalten – Volksschule, Sonderschule, Hauptschule, Gymnasium. Wo bitte, soll die alltägliche Diskriminierung überwunden werden, wenn nicht in Schulen begonnen wird?
Noch ein Wort zur ÖVP: Ich schätze sehr die Arbeit von F. J. Huanigg – aber bitte schaut auch die Bildungs- und Sozial- und Behindertenpolitik der ÖVP/FPÖ und der ÖVP/SPÖ der letzten Jahre an! Es geht doch in einer Woche um eine Richtungswahl – zwischen Blau und Grün – auch wenn wir Fehler gemacht haben, emanzipatorische Weichenstellungen kriegt ihr nur mit uns.
Klaudia Karoliny,
21.09.2008, 10:22
Selbst bekennendes Grün-Mitglied bis jetzt. Schwer enttäuscht vor allem auch über die immer noch vorherrschenden Berührungsängste der aktiven Mitglieder, die sich selbst oft als was „Besseres“ ansehen und vielleicht deshalb nicht so weit sind, sich wirklich auf Menschen mit Behinderung einzulassen. Hätten die Grünen mit Helene Jarmer wirklich viel Kontakt, dann wären solch sprachliche Verfehlungen wie bei der Beantwortung der Fragen oben nicht möglich.
Schlimm, der Umgang auch mit einem blinden Wahlbewerber in OÖ, der lange Zeit einfach stehen gelassen wurde bis sich dann endlich ein Mitbewerber „erbarmte“ um ihn in halbwegs in die richtige Richtung zu platzieren, sodass er auf dem Gruppenfoto zu sehen ist. Mir dreht es den Magen um, wenn ich sowas mitbekomme, weil selbst bei den grünen Frauen schon einmal eine ähnliche Geschichte erlebt, die nicht aufgearbeitet wurde. Auch ich fühle mich den Grünen nicht mehr nahe genug, dass sie mit meiner Stimme am Wahltag rechnen können. Warum sollen es immer wir Betroffenen sein, die den Kontakt und das Gespräch, eine Aussprache auf ebenbürtigen Niveau suchen? Ich nehme nicht an, dass die Grünen daraus lernen, wenn sie alibihalber – wenn überhaupt – Menschen mit Behinderung an unrealistischen Plätzen aufstellen.
Maria Brandl,
19.09.2008, 10:17
Danke Martin für die Zusammenstellung des Beitrages. Mein Zorn und meine Enttäuschung über die GRÜNEN verfestigt und bekräftigt sich dadurch immer mehr (auch durch viele geführte und heißt diskutierte Gespräche in den letzten Tagen). Für mich persönlich sind sie diesmal nicht wählbar!
Karl-Heinz Hoffmann,
19.09.2008, 07:28
Ein Versprechen ist eine Zusage, auf die sich derjenige, dem das Versprechen zugesagt wird, verläßt! Er ist jedoch verlassen, wenn das Versprechen, welches versprochen wurde, sich nur als Versprecher herausstellt.
Bernhard Hruska,
17.09.2008, 00:03
ad Rudi Simané: Zum Detail mit der Türe, es klingt nach der Hauseingangstür in der Löwelstrasse,ich schicke dir per Mail meine Kontakte direkt zu,für einen gemeinsam Termin vor Ort.
Allen anderen LeserInnen ist das Problem mit schweren historischen Türen sicher gut bekannt, ein wirkliches Problem für Viele, vom Kleinkind bis ins Alter. Es gibt bei dieser Eingangstür 4 Möglichkeiten diese zu Öffnen, händisch (so wie seit 100 Jahren), mit Schlüssel, über leichte Taster und mit Infrarotfernsteuerung ähnlich den Fernsteuerungen von Fernsehgeräten. Darüber hinaus öffnet die Türe auch bei Stromausfall und bei Feuer mittels Notstrom! Bis bald Bernhard Hruska
Rudi Simané,
16.09.2008, 15:39
Liebe alle!
Ihr habt recht, ich habe das Jahr verwechselt.
2006 stimmt die Liste, wie unten angegeben.
Was ich meinte, war das Jahr 2002, wo Theresia Haidlmayr auf Platz 7 und Peter Pilz auf Platz 8 kandidierte. Beide kamen in den Nationalrat.
Theresia selbst kam 2006 gleichfalls von Platz 7 in den Nationalrat.
Soviel zu der Feststellung „die Frage nach dem Wahrheitsgehalt“…
Die heurige mandatsverteilung hängt davon ab ob die Mandate Stmk2, NÖ3 und OÖ3 erreicht werden, was nicht sicher scheint. Wenn nicht ist es aber auf Grund der Reststimmen dann ziemlich sicher, daß wieder 7 Bundesmandate erreicht werden können.
Das zu klären liegt an den WählerInnen und Wählern.
Ergänzend dazu – lehnte es einst Manfred SRB ausdrücklich ab, auf ein „Behindertenmandat“ gesetzt zu werden. Er gewann die Wahl gegen Christoph Chorherr und heute noch klingt mir sein legendäres „I bin im Parlament“ im Ohr.
Ich wollte niemandem irgendetwas vormachen und entschuldige mich daher für meinen Fehler. Ich hoffe auf Nachsicht.
Ich möchte es aber nicht versäumen, etwas anzumerken. Ich verstehe es nicht, daß hör- und sprachbehinderte (ich weiß keinen besseren Ausdruck)Menschen nicht behindert sein sollen.
Und, Herr Architekt Hruska könnte auch noch einiges lernen. Ich bin 1985 in vier Tagen dreimal an der Wirbelsäule fehlerhaft operiert worden und war auch kurz „drüben“.
Die von ihm veranlassten mit Signalgeber selbstöffnenden Türen (100kg??) im Grünen Parlamentsklub sind mir tägliches Leid. Und wenn wieder einmal das innere, Nervenkostüm (weil durchtrennt) spinnt auch Qual. Nur mich fragte niemand, ob das für mich verträglich sei. Ich sitze halt nicht im Rollstuhl.
Was nichts anderes darstellen soll, als aufzuzeigen, daß die Dinge eben nicht immer so einfach sind, wie es manche glauben machen wollen.
anonym,
16.09.2008, 14:40
Sehr geehrter Herr Rudi, nur korrekterweise die Reihung der Bundesliste von 2006. Bei der Nationalratswahl 2002 kamen 5 Abgeordnete der Grünen über die Bundesliste ins Parlament und 2006 auch!!!)
1. Dr. Van der Bellen Alexander (Wiener Liste – Direktmandat)
2. Mag. Dr. Glawischnig-Piesczek Eva (Wiener Liste – Grundmandat in Wien)
3. Mandak Sabine (Grundmandat in Vorarlberg)
4. Dr. Pilz Peter (1)
5. Sburny Michaela (2)
6. Mag. Rossmann Bruno (3)
7. Haidlmayr Theresia (4)
8. Dr. Zinggl Wolfgang (5)
Also was können wir daraus ableiten!
Die Grünen hatten 2006, weil das Grundmandat in Kärnten nur um wenige Stimmen verfehlt wurden und insgesamt 5 Reststimmenmandate. Peter Pilz war nicht auf Platz 7, sondern auf Platz 4!!
tatsächliche Bundeslistenreihung 2008
1. Van der Bellen (keine Kandidatur auf der Wiener Liste)
2. Alev Korun (kein Mandat in Wien)
3. Peter Pilz (kein Mandat in Wien)
4. Christiane Brunner (kein erreichbares Grundmandat im Burgenland)
5. Karl Öllinger (Kampfmandat in Wien + auf der Bundesliste)
6. Helene Jarmer (nur dann im Parlament, wenn Öllinger das Grundmandat in Wien schafft und in Kärnten das Grundmandat wieder knapp verfehlt wird, kein weiteres Grundmandat in irgend einem Bundesland dazukommt, die Grünen zumindest um 5 % zulegen und und und?
Ich ersuche Sie nur richtige Angaben hier in diesem Forum zu machen. Menschen mit Behinderungen sind nicht dümmer als der Rest der Menschheit und auch ihnen kann kein x für ein y verkauft werden, ich ersuche Sie, sehr geehrter Herr Rudi, das zu bedenken, wenn Sie wieder einmal im Forum eine Eintragung machen möchten.
Martin Ladstätter,
16.09.2008, 13:58
@Rudi Simané: Es hat nichts mit der Zahl zu tun, sondern welche Personen auf welchen Listen gereiht sind und ob sie das Mandat auf der Bundesliste benötigen oder beispielsweise schon auf der Landesliste ein Mandat bekommen. Mit der vorherigen Wahl kann man das daher nicht vergleichen. Dieses Mal ist es eben so, dass die ersten 5 (max. 6) Plätze auf der Bundesliste ein Mandat bekommen werden.
Rudi Simané,
16.09.2008, 09:36
Nur der Ordnung halber: Bei Der letzten Wahl kam Peter Pilz locker vom Platz 7 ins Parlament … Lieben Gruß Rudi
Anonymous,
15.09.2008, 23:31
Vielen Dank an Bizeps-Info und Martin Ladstätter! Die Recherchen sind wie immer vorbildlich und brandaktuell. In diesem Fall werden die Grünen leider entlarvt und es zeigt sich der wahre Wissensstand und das fragwürdige Bewußtsein über das breite Thema behinderter Menschen. Die Grünen haben so ihre Vorreiterrolle und ihr Thema Nummer 2 verschenkt!
@Lukas Huber: Ich dachte, dass wir das medizinische Modell der Behinderung (Herangehensweise über die unterschiedlichen Defizite und die medizinische Diagnose) überwunden haben! Solche Beiträge zeigen, wie viel Arbeit noch vor uns liegt.
Ich wünsche mir wirklich qualifizierte behinderte Menschen als Entscheidungsträger in allen Ebenen der Politik, Verwaltung und Wirtschaft.
Lukas Huber,
15.09.2008, 22:44
Möchte auch noch folgendes hinzufügen: man sollte unterscheiden zwischen einerseits gehörlose Menschen, die aufgrund schlechter Bildungslaufbahn die deutsche Laut- bzw. Schriftsprache schlecht wiedergeben und auffassen können und andererseits gehörlose Menschen, die zweisprachig aufgewachsen sind. Allerdings sind letztere eine Minderheit unter der Minderheit, erstere fühlt sich im Alltagsleben in der Kommunikationswelt mit Hörenden noch stärker diskriminiert als jene die zweisprachig leben.
Lukas Huber,
15.09.2008, 22:19
Herr Hruska, man sieht in Ihrem Beitrag, dass Sie nach wie vor wenig Ahnung haben, was aus dem Zitat – den die meisten gebärdensprachigen (gehörlosen) Menschen vorleben – zu interpretieren ist, man „fühle sich nicht behindert“. Andererseits kann ich es verstehen, da Aussenstehende davon irritiert werden.
Gehörlose fühlen sich natürlich behindert, WENN sie sich unter Hörenden befinden, die keine Gebärdensprache anwenden bzw. Lebensbereiche so gestaltet sind wo keine Information in Gebärdensprache vorhanden ist; andererseits wiederum NICHT, wenn eine Kommunikation in Gebärdensprache möglich ist bzw. Lebensbereiche und Informationsmedien mit Gebärdensprache gestaltet sind.
Gehörlose Menschen leben nun mal in zwei Kommunikationswelten, was unter behinderten Menschen ein Sonderfall ist. Ich nenne es gerne einen „Oxymoron“.
„Design für Alle“ (gleiches für alle) ist übrigens in gewisser Weise strittig und nicht unbedingt zielführend. Besser ist es, die Wahrnehmungsstärken auszunützen und Mediadiversity zu betreiben.
Bernhard Hruska,
15.09.2008, 18:27
Ich bin nicht behindert, als Partner fühle ich mich diskriminiert und behindert wenn wir bei einer Theaterpremiere zwar „Rollstuhlkarten“ besitzen, aber nicht das Theater betreten dürfen.
Meine 18 Jahre Erfahrung im Behindertenbereich und als Experte des Design für Alle, wäre eine hervorragende Basis als Politiker oder Behindertensprecher bei den Grünen. Was unterscheidet nun mich und Helene Jarmer? Sie fühlt sich nicht behindert(persönliche Aussage, aus einem langen Gespräch der letzten Tage)! Soll ich mich nun als Frau fühlen um Frauen vertreten zu können?
Nun – ich bin nicht behindert. Ich maße mir nicht an die Interessen behinderter Menschen zu vertreten, ich will es auch nicht, auch wenn ich es könnte.
Ich muß als Experte die Anliegen und Bedürfnisse aller Gruppen sehr gut und teilweise bis ins Detail kennen, meine ExpertInnen sind die vielen behinderten KollegInnen und Freunde. Sie wissen welche Bedürfnisse sie haben. Ich kann die Lösungen ausarbeiten.
Ich kenne Besprechungen und Diskussionen ohne anwesende behinderte Personen und solche mit der Teilnahme behinderter ExpertInnen. Der Unterschied ist einfach, unter Nichtbehinderten ist das Thema immer draußen, „die brauchen…“, „dort sollen….“ usw. Wenn eine betroffene behinderte ExpertIn anwesend ist, ist das Thema in der Diskussionsrunde präsent.
Dies trifft aus meiner Sicht leider auch auf die Grünen und Helene Jarmer zu. Anscheinend gibt es nur mehr ein Behindertenthema von Menschen die sich nicht behindert fühlen. Gebärdensprache!
Der zweitgrößte Stumpfsinn den ich in 18 Jahren gehört habe ist „gebärdensprachliche Barrierefreiheit“, ich habe zwar die ersten Induktionsanlagen in Veranstaltungsstätten für Hörgeräteträger in Wien geplant und einbauen lassen, zum Ablesen der Gebärdensprache braucht man nur gutes Licht. Oft ist es das Wichtigste, seine eigenen Grenzen und Fähigkeiten zu kennen. In diesem Sinne wünsche ich den Grünen ohne BehindertenvertreterIn mit Helene Jarmer viel Glück!