Wegen Antrag auf Chancengleichheit mit Abschiebung bedroht

Familie Wetenkamp drohte die Abschiebung aus Kärnten, weil sie für ihren Sohn einen Antrag auf Chancengleichheit gestellt hatte. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet zu Gunsten der Familie, aber Fragen bleiben offen. Ein Kommentar.

Tafel mit Aufdruck Kärnten
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Im März 2021 berichtete ORF.at über die Familie Wetenkamp. Diese ist von Hannover in ein geerbtes Haus nach Kärnten gezogen.

Damit ihr Sohn in einer Behindertenwerkstätte arbeiten kann, stellte Familie Wetenkamp einen Antrag nach dem Kärntner Chancengleichheitsgesetz. Das hatte unglaubliche Konsequenzen.

Von Abschiebung bedroht

Aufgrund des Antrags bekam die Familie den Bescheid, dass sie aus Österreich ausgewiesen werden sollte. Und das, obwohl die Familie fest im Land verwurzelt ist und Einkommen sowie Bindungen hat.

Die Begründung für diese Entscheidung war, dass mit dem Chancengleichheitsgesetz Sozialleistungen verbunden seien. Diese stünden der Familie in den ersten fünf Jahren nach dem Zuzug aus Deutschland nicht zu.

Der weitere Aufenthalt des Sohnes würde eine dauerhafte finanzielle Belastung für das österreichische Sozialsystem darstellen, heißt es weiter. Die Familie fühlte sich verständlicher Weise absolut diskriminiert, noch dazu war sie nicht einmal darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass mit dem Chancengleichheitsgesetz Sozialleistungen verbunden sind.

Der Anwalt der Familie wurde daraufhin aktiv. Er reichte Beschwerde ein und informierte sie außerdem darüber, dass die Behörde ein Abkommen zwischen Österreich und Deutschland nicht berücksichtige.

Die sogenannte Richtlinie 2004/38 EG (Freizügigkeitsrichtlinie) regelt, das Recht von Personen, sich in einem anderen Staat aufzuhalten. Laut Anwalt der Familie sei Staatsangehörigen der einen Vertragspartei, die sich im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhalten, Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege in gleicher Weise, im gleichen Umfang und unter den gleichen Bedingungen wie den Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaates zu gewähren.

Außerdem sei Hilfsbedürftigkeit allein kein Grund, den weiteren Aufenthalt versagen, es sei denn, dass man sich noch nicht ein Jahr ununterbrochen erlaubt in Österreich aufhalte. Familie Wetenkamp hält sich aber schon seit mehr als einem Jahr rechtmäßig in Österreich auf.

Abschiebung verhindert

Wie in einem erneuten Bericht von ORF.at vom April 2021 zu lesen ist, kam der Fall der Wetenkamps schließlich vor das Bundesverwaltungsgericht. Dieses entschied letztendlich zugunsten der Familie. Die angefochtenen Bescheide wurden aufgehoben und als rechtswidrig bewertet.

Die Richterin bewertete den Antrag auf eine Leistung nach dem Kärntner Chancengleichheitsgesetz dezidiert nicht als Sozialleistung. Die Ausweisung würde zudem das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben verletzen. Auch kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Familie genügend Einkommen hat, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Für die Wetenkamps geht es also gut aus. Sie können in Kärnten bleiben und ihr Sohn bekommt eine Stelle in der Beschäftigungswerkstätte.

Wer sich nicht erhalten kann, wird abgeschoben?

Auch wenn die Geschichte für Familie Wetenkamp gut ausgegangen ist, hinterlässt sie doch einen bitteren Nachgeschmack.

Was wäre, wenn Familie Wetenkamp tatsächlich um Sozialleistungen angesucht hätte?

Oder was wäre, wenn das Gericht nicht zu dem Schluss gekommen wäre, dass die Familie genügend Einkommen hat, um sich selbst zu erhalten? Wäre sie dann ausgewiesen worden?

Schon die Begründung des Ausweisbescheids, dass der Aufenthalt des Sohnes eine erhebliche Belastung für das österreichische Sozialsystem darstellt, ist mehr als diskriminierend. Denn sie macht einen Menschen zum Kostenfaktor.

Einen Menschen wie den Sohn der Familie Wetenkamp, der ja sogar arbeiten möchte, aber in der Werkstatt nur ein Taschengeld bekommt. Sollte ihm das zum Vorwurf gemacht werden? Was sagt die Geschichte über das österreichische Sozialsystem aus?

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3 Kommentare

  • Diese Richtlinie, die für unterschiedliche Staaten innerhalb der EU gilt hat offensichtlich kein analoges Pendant für die unterschiedlichen Bundesländer innerhalb Österreichs. Sonst wäre es wohl nicht möglich, dass ein Mensch mit Behinderung in NÖ keine Mindestsicherung erhält und unter den exakt selben Voraussetzungen in Wien diese sehr wohl erhalten würde. Oder dass die Eltern des erwachsenen MmB in NÖ einen Elternbeitrag zahlen müssen, damit der MmB in einer Behindertenwerkstätte arbeiten darf, in Wien zB nicht (beide in derselben Beh.werkst).
    Bitte liebe Behindertenvertretungen kümmert euch auch um dieses Thema – Gleichbehandlung innerhalb Österreichs.

    • Ich finde überhaupt, dass die Sozial- und die „Behindertenhilfe“ gänzlich auf die Bundesebene gehören und nicht jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kochen darf.

  • Herzlich Willkommen auf dem Boden der Tatsachen. Wir möchten uns für die harte Landung und für die unsanfte Beendigung Ihres Schlafs entschuldigen. Bitte Beachten Sie, dass hier rauere Wetterbedingungen als in Wolkenkuckucksheim herrschen und es Wunschkonzerte nur im Radio spielt. Vielen Dank, dass Sie sich für die Traumland Air entschieden haben.