Welche Rolle spielen Personen mit Behinderung in moderner Kunst?

Anmerkungen zur Ausstellung "Role Taking - Role Making"

Ausstellung: Role Taking - Role Making von Danica Dakić
Dakić, Danica

Welche Rolle Personen im Allgemeinen im sozialen Theater spielen, wird von der Künstlerin Danica Dakić gründlich hinterfragt. Empfehlenswert ist daher ihre Ausstellung „Role Taking – Role Making“, die noch bis 16. Mai 2010 in der Generali Foundation in der Wiedner Hauptstraße 15 in Wien gezeigt wird.

Eine wichtige Installation dieser Ausstellung ist die filmische Arbeit mit dem Titel „Isola Bella“, die in Zusammenarbeit mit Bewohnern des Heims Zavod za zaštitu djece i omladine (Einrichtung für den Schutz der Kinder und Jugendlichen) in Pazarić in der Nähe von Sarajevo aufgenommen wurde.

In dieser Arbeit werden Personen mit und ohne Behinderung gezeigt, die fragmentarisch über sich und ihre Wünsche erzählen oder ihr Können als Sänger oder Tänzer darbieten. Die Inszenierung der Darsteller ist in keiner Weise Mitleid erregend und frei von charity-Attitüden. Alle Darsteller tragen Papiermasken, die den untern Teil des Gesichtes freilassen.

Sabine Folie, künstlerische Leiterin der Generali Foundation findet im Werk von Danica Dakić „die Fragen des Verhältnisses von BetrachterInnen und Betrachteten/m, […] zentral, sowie jene der Stereotypisierung des Blicks bei gleichzeitiger Ermächtigung der Dargestellten, den Pinsel selbst in die Hand zu nehmen und das Spiel der Inszenierung aktiv zu betreiben…“ (Ausstellungskatalog, S. 30).

Die neunzehn Minuten dauernde Videoprojektion zeigt also die Bewohner des Heims, die einzeln oder zu zweit als Protagonisten auftreten oder als Gruppe gemeinsam das Publikum spielen und sich selber applaudieren.

Danica Dakić über ihre Arbeit: „Mich interessieren in erster Linie die Menschen, die Art, wie sie ihr Leben leben, ihre Träume, Ängste, Hoffnungen. Bei Personen, die man als Randgruppen bezeichnet, ist dies alles meist unsichtbar. Die Frage der Sichtbarkeit ist sehr wichtig für mich, auch wenn man nicht über ‚direkte Sichtbarkeit’ sprechen kann, da ich das Leben der Menschen, mit denen ich arbeite, nicht in der Form der Sozialreportage abbilde.

Es ist mehr ein Versuch, in Zusammenarbeit mit den ProtagonistInnen, die oft aus ‚unsichtbaren’ Bereichen der Gesellschaft kommen, etwas anderes sichtbar zu machen, eine poetische Dimension der menschlichen Existenz.“ (Ausstellungskatalog, S. 52)

Die „poetische Dimension“, die durchaus erlebbar ist, wird allerdings bei näherer Betrachtung bald durch eine beklemmende und eher triste Wahrnehmung ergänzt. Dies mag daran liegen dass, die Personen in einem abgeschlossenen Raum (Institution) dargestellt werden, ohne Weltbezug, gesichtslos mit Masken (verborgene und fremde Identität) und vor einem Hintergrund, der mit Tapeten aus dem 19. Jahrhundert gestaltet wurde. Schauspieler und Publikum kommen aus derselben Personengruppe und wirken dadurch extrem abgesondert – ausgeschlossen.

Die einzelnen Episoden, die Aufzählung ist nicht vollständig, werden zum Teil mit Primzahlen unterteilt und zeigen folgende Abfolge: ein junger Mann mit Narrenkappe als Maske (Vorderseite) und einem Katzengesicht (Hinterseite), auf seinem T-Shirt steht Talent, fragt: „Wo ist das Publikum“. Daraufhin werden die Plätze des Theaters, annähernd an die dreißig, langsam von den Schauspielern eingenommen. Der „Narr mit Talent“ stellt dann die Frage: „Wo sind die Schauspieler?“

Die Episoden der Protagonisten beginnen: gezeigt wir ein Mann, der bekennt, er habe auf der Straße gelebt, Alkohol getrunken und Gras geraucht, – eine Frau mit Koffer wird in Warteposition gezeigt, sie wird nicht abgeholt, – Kinderlieder werden vorgetragen und untermalen den Film; – zwei Schauspieler tragen Gasmasken und halten Schautafeln von Tieren, welche die Anatomie dieser zeigen; – eine Frau wünscht sich, nach ihrer Entlassung Rechtsberaterin bei der UNO zu werden;- es wird Ball gespielt – getanzt.

Zum Schluss schwenkt die Kamera durch das Publikum. Die Gesichter werden in Großaufnahme gezeigt, deren Masken Kopfbedeckungen einer vergangenen fremden Welt zeigen, sei es Napoleonhut, Turban oder Federschmuck der Indianer. Zwischendurch wird vom Schauspieler mit der Narrenkappe noch schwungvoll der Boden gewischt. Der „Narr“ setzt sich ans Klavier. Die Katzenmaske verabschiedet sich vom Zuschauer.

Diskussionsstoff bietet diese Videoinstallation auf jeden Fall. Ist dieses Kunstwerk als radikale Kritik einer bestehenden Realität zu lesen oder wurden Personen mit Behinderung stereotyp inszeniert, um eine „poetische Dimension menschlicher Existenz“ zu zeigen? Stereotypien, wie sie in der Darstellung von Personen mit Behinderung seit jeher zur Anwendung gekommen sind, umfassen Bereiche wie – Personen mit Behinderung als Narren, als Gefangene, als Kinder, als Künstler (Tänzer), als tierische oder exotische Wesen einer fremden Welt. Auf alle diese Stereotypien nimmt der Film ausgiebig Bezug – Fragen über Fragen tauchen auf. Interessant und spannend!

Die Ausstellung ist ohne Stufen zugänglich.

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