Wenn Versicherungen diskriminieren

Dass behinderten Menschen und deren Angehörigen Versicherungen vorenthalten werden, ist in Österreich seit Jahren ein Ärgernis. Anläufe, dies zu ändern, gab es schon einige; manche waren auch erfolgreich - andere wieder nicht.

Stempel: abgelehnt
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Groß war die Freude, als im Jahr 1997 die Bundesverfassung um ein Benachteiligungsverbot erweitert wurde.

Eine danach eingerichtete „Arbeitsgruppe zur Durchforstung der österreichischen Bundesrechtsordnung hinsichtlich behindertenbenachteiligender Bestimmungen“ im Bundeskanzleramt besprach Diskriminierungsvorfälle.

Unversicherbarkeit

Die Behindertenbewegung brachte im Februar 1998 u. a. als Beispiel der Diskriminierung „Unversicherbarkeit“ ein. (Arbeitsbehelf, Aussendung der ÖAR)

Die vom Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs herausgegebenen „Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen“ wurden vom Finanzministerium – als Versicherungsaufsichtsbehörde – genehmigt. „Die pauschale Ablehnung, behinderte Menschen zu versichern, hat diskriminierenden Charakter“, heißt es im Arbeitsbehelf.

„Weiters wurde angeregt, auch die Versicherungsbedingungen nach behindertendiskriminierenden Bestimmungen zu durchforsten“, hieß es im Protokoll der Arbeitsgruppe am 7. Mai 1998.

Passiert ist dies leider nie und so kann man auch heute noch den ominösen „Abschnitt C Artikel 16: Unversicherbare Personen“ in Versicherungsverträgen finden. (Beispiel)

Solche Dinge müssten in einem Behindertengleichstellungsgesetz geregelt werden, hörte man.

Neuer Anlauf durch BGStG

Es gab immer wieder Listen von Versicherungen, die „so nett“ waren und doch behinderte Menschen versicherten. Doch dies kann natürlich keine Lösung sein. Ein neues Instrument der Einforderung von Rechten trat im Jahr 2006 in Kraft: Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG).

Im Rahmen der Schlichtungsverfahren gibt es nun einzelne Erfahrungen mit diskriminierenden Versicherungsbedingungen:

Beispiel: Ärzteflugambulanz

Im Juli 2007 leitete Herr Andreas Dendl – ein körperbehinderte Mann – eine Schlichtung mit der OAFA Ärzteflugambulanz GmbH ein. Auch seine Mutter und sein Vater fühlten sich diskriminiert und nutzten ihren Angehörigenschutz.

Leider verliefen die Schlichtungen negativ und die Versicherung beharrte darauf, dass „keine Versicherungsmöglichkeit besteht“.

Herr Dendl wollte die Sache aber nicht auf sich beruhen lassen und hatte daher im Februar 2008 eine Klage eingebracht und auch im Oktober 2008 ein Anerkenntnisurteil erreicht.

Anzumerken bleibt, dass das Versicherungsunternehmen noch im laufenden Prozess die allgemeine Geschäftsgrundlage geändert hat. Durch die Änderung, die ausschließlich ein Attest für Menschen mit Behinderung für den Versicherungsabschluss zwingend vorschreibt, enthalten die allgemeinen Versicherungsbedingungen nunmehr eine mittelbare Diskriminierung nach dem BGStG. Im Oktober 2009 änderte die Flugambulanz aber dann nochmals ihre Bedingungen; dieses Mal wurde keine Diskriminierung in den Bedingungen festgeschrieben. (Korrektur: Es wurde eine Diskriminierung beendet und eine andere neu aufgenommen; Anmerkung der Redaktion am 24.11.09)

Beispiel: Wiener Städtische

Im September 2008 leitete eine körperbehinderte Wienerin eine Schlichtung mit dem ÖGB sowie der Wiener Städtischen ein.

Der ÖGB hatte für sie Versicherungsbeiträge bezahlt und die Versicherung stellte sie nun als unversicherbar dar. Die Frau einigte sich auf die Zahlung jener Summe, die sie als Versicherte bekommen hätte. Obwohl die Schlichtungen mit Einigungen endeten, merkte sie kritisch an: „Gute Nachricht: Diesmal keine Diskriminierung.“

Doch die Angelegenheit zog noch weitere Kreise. Dem ÖGB war es ein Anliegen, diese Diskriminierung zu beenden und er setzte die Versicherung anscheinend unter Druck.

Die Wiener Städtische schrieb an den ÖGB am 18. Mai 2009 u.a.: „Wir kommen auf das am 15.5.2009 in Ihrem Hause stattgefundene Gespräch zurück und bestätigen wie vereinbart, dass mit Wirksamkeit ab 1.5.2009 die Bestimmung des Art 16 AUVB 1995 (Unversicherbare Personen) entfällt … Alle anderen vertraglichen Inhalte bleiben unverändert bestehen und dieses Schreiben ist integrierender Bestandteil zu diesem Versicherungsvertrag.“

Ein schönes Beispiel dafür, dass diese Bestimmung ohne große Schwierigkeiten ersatzlos gestrichen werden kann, wenn der nachdrückliche Wille dazu besteht.

Sonstige Versuche in Österreich

Im Herbst 2006 wurde bekannt, dass die Behindertenanwaltschaft plant, eine Musterklage durchzuführen. Doch es blieb leider bei der Ankündigung.

Im Frühjahr 2008 fand nach Einreichung der Dendl-Klage ein Gespräch mit dem Verein für Konsumenteninformation statt, um abzuklären, ob dieser ebenfalls klagen könnte.

Die Idee, den Verein für Konsumenteninformation in die Rechtsdurchsetzung einzubeziehen, wurde mehrfach an den damaligen Sozialminister Buchinger herangetragen und er hat dies als eine „interessante Anregung“ empfunden und im April 2008 im Parlament angekündigt, dass er bereit sei, über den VKI eine Musterklage zu führen.

Die Parlamentskorrespondenz hält dazu fest: „Sozialminister Erwin Buchinger berichtete den Abgeordneten, dass er den Versicherungen Anfang Jänner einen Brief geschrieben und darin auf die Notwendigkeit verwiesen habe, die neue Rechtslage in Bezug auf die Gleichstellung behinderter Menschen in der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen. Sollte es konkrete Fälle von Diskriminierung geben, sei er bereit, über den Verein für Konsumenteninformation (VKI) eine Musterklage zu führen, drohte er.“

Geklagt wurde aber bisher nicht, sehr wohl war das BMASK aber an dem Fall mit der Wiener Städtischen Versicherung höchst interessiert; doch der ÖGB reparierte die Angelegenheit nachhaltig.

Das Instrument der Verbandsklage – welches der ÖAR seit dem Jahr 2006 zur Verfügung steht – wurde noch nie genutzt; daher gibt es auch keine Verbandsklage gegen eine Versicherung und keine Urteile in dieser Angelegenheit.

Im Dezember 2007 brachte der FPÖ-Abgeordnete Hofer einen Entschließungsantrag ein, in dem er forderte, dass eine Regierungsvorlage zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes vorgelegt werde; bisher ist von so einer Gesetzesvorlage nichts bekannt geworden.

Klagsverband hält fest:

Auf der Homepage des Klagsverbandes wird auch die Frage von Diskriminierungen bei Versicherungen angesprochen.

Auf die Frage „Versicherungsbedingungen enthalten eine Klausel, die besagt, dass Menschen mit Nervenkrankheiten nicht versichert werden können. Widerspricht das dem Behindertengleichstellungsgesetz?“ wird folgende Antwort gegeben: „Eine Klausel, die jeden Menschen mit Nervenkrankheit von der Versicherung ausschließt, ist eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund einer Behinderung. Bei einer mittelbaren Diskriminierung muss geprüft werden, ob auf Grund eines erhöhten Risikos erhöhte Kosten anfallen können. Diese Kosten dürfen aber keineswegs einen Ausschluss aus der Versicherung bedeuten, sondern rechtfertigen lediglich eine Berücksichtigung in der Prämie.“

Im Ausland

Genau diesen Weg – der Versicherung zu erhöhten Preisen – ging die Versicherung Axa in Frankreich und ernte massive Kritik.

In Deutschland wogte lange Zeit eine Diskussion, ob Versicherungen in den Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes einbezogen werden sollten, was schlussendlich bejaht wurde.

Auch die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung hält im Artikel 25 eindeutig fest, dass behinderten Menschen derartige Versicherungen zu angemessenen und vernünftigen Bedingungen anzubieten sind.

Der EU-Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (vom 31.3.2009) nahm sich kürzlich im Rahmen der Verhandlung zu einer neuen Antidiskriminierungsrichtline auch des Themas an. Man meinte, dass es gewisse Ungleichbehandlungen, „sofern sie durch ein legitimes Ziel objektiv und ausreichend gerechtfertigt sind und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind“ geben kann.

Es sei vertretbar, wenn von Versicherungen oder Banken „behinderungs- und altersbezogene versicherungsmathematische Faktoren und Risikofaktoren“ angewandt werden. Allerdings muss nachgewiesen werden, dass es sich um für die Risikobewertung maßgebliche Faktoren handelt, und dass bedeutend höhere Risiken belegt werden können.

Zusammenfassung

Ein Versicherungsausschluss aufgrund einer Behinderung dürfte nach geltendem Recht eigentlich kaum mehr vorkommen. Die Praxis zeigt aber leider etwas anderes.

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