Wer Klischees bedient, verhindert Inklusion!

2008 wurde in Österreich mit der UN-Behindertenrechtskonvention ein internationales, völkerrechtlich verbindliches Übereinkommen ratifiziert. Die Republik verpflichtet sich darin, unterschiedliche Maßnahmen voranzutreiben, um den Pfad für eine inklusive Gesellschaft zu ebnen.

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BIZEPS

Ein wesentlicher Beitrag wird seitens der UN-Behindertenrechtskonvention von den Medien, insbesondere von den öffentlich-rechtlichen Medienhäusern, erwartet. Weshalb? Ganz einfach: Medien wirken vielschichtig!

Sie schaffen einer breiten Öffentlichkeit Zugang zu Informationen, geben Trends vor, prägen Stimmungen, Meinungen und schaffen Bewusstsein – Kurz: Medien können etwas bewegen, und eben dieser Umstand verpflichtet zu verantwortungsbewusstem Handeln.

Gegenüber Menschen mit Behinderung herrschen oft Vorurteile, die daraus resultieren, dass sich behinderte und nichtbehinderte Menschen häufig in Parallelwelten – von der Sonderschule bis zu geschützten Werkstätten – bewegen (müssen).

Das begünstigt Ängste im Umgang mit behinderten Menschen und ein „verkrampftes“ Miteinander. Wie Medien berichten, spielt hier eine maßgebliche Rolle: „Was sogenannte Nichtbe­hinderte über Menschen mit einer Behinderung wissen, erfahren sie in der Regel aus Medien. Unter diesen Umständen ist es entscheidend, welches Menschenbild ihnen dort vermittelt wird.“ (RADTKE, 2006)

Medien können als Vermittler zum Abbau sozialer Barrieren beitragen und über die Art und Weise der Berichterstattung einen positiven Impact auf die Bewusstseinsbildung erzeugen – soweit die Idealvorstellung. In der Realität klaffen Ideal und Wirklichkeit derzeit nämlich noch weit auseinander.

Eine von MediaAffairs durchgeführte Studie (2015 / 2016) über die Darstellung und Präsenz von Menschen mit Behinderung in österreichischen Medien liefert einen ernüchternden Befund. Menschen mit Behinderung sind in den reichweitenstarken Mainstreammedien des Landes eine Randerscheinung, vor allem dann, wenn sie nicht jene Kriterien erfüllen, die gemeinhin als medial „gut vermarktbar“ gelten.

Dabei bedienen sich viele Medien des unreflektierten Griffs in die Klischeekiste. Was übrig bleibt, ist meist nicht mehr als oberflächliche Schwarz-Weiß-Malerei. Auf der einen Seite behinderte Menschen, die „bewundernswert den Alltag meistern“ oder „übermenschliche“ Leistungen bringen und dafür Anerkennung ernten.

Auf der anderen Seite behinderte Menschen, die aufgrund ihres „Schicksals“ oder ihres „Leidens“ in die Opferrolle gedrängt werden. Letztere ist ein Problem, welches vor allem in der medialen Inszenierung von Wohltätigkeitsaktionen für Menschen mit Behinderung offensichtlich wird.

Viele Medienbeiträge lassen sich in die Kategorie „gut gemeint“ einordnen – dabei ist „gut gemeint“ auch in der Darstellung von Menschen mit Behinderung häufig das Gegenteil von gut im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention.

Emotionale Stories über „Held/innen“ und „Opfer“ sind wohl spannend, verzerren aber die Realität und blenden die meisten Betroffenen, die eben nicht in dieses einfach gestrickte Schema passen, aus.

Auch fehlt in den personalisierten Geschichten weitgehend der kritische Blick auf existierende physische und soziale Barrieren in der Gesellschaft – für viele Betroffene der eigentliche Grund, weshalb sie an der Teilhabe am Gesellschaftsleben im wahrsten Sinne des Wortes „behindert“ werden.

Zentrales Element und mächtiges Werkzeug ist die verwendete Sprache in den Medien. Sprache kann – oft auch unbewusst – soziale Barrieren schaffen, etwa dort, wo „Behinderung zur gängigen Metapher“ wird.

„Wir stoßen auf taube Ohren, stehen mit dem falschen Fuß auf, fahren einer lahmen Ente hinterher oder machen jemandem Beine, dass ihm Hören und Sehen vergeht.“ (MASKOS, 2015)

Diskriminierung setzt sich dort fort, wo Wörter verletzen, beleidigen, Menschen mit Behinderung ausschließen und insbesondere auch dort, wo über die Sprache Rollenklischees bedient werden.

Ähnlich verhält es sich mit Bildern. Sprache kann aber auch eine Hürde sein, weil sie nicht gehört wird oder weil für Menschen mit Lernschwierigkeiten der Inhalt schwer verständlich ist. Solche Hürden müssen ernstgenommen und nach Möglichkeit aus dem Weg geräumt werden.

Durch den bewussten und positiven Einsatz von Sprache, durch Sichtbarmachung und Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen gelingt Bewusstseinsbildung und ein positiver Beitrag in Richtung inklusiver Gesellschaft.

Aus Sicht der UN-Behindertenrechtskonvention ist ein Paradigmenwechsel in der medialen Darstellung von Menschen mit Behinderung unabdingbar. Sie fordert in aller Deutlichkeit eine Abkehr von gängigen Rollenklischees, einseitiger und diskriminierender Inszenierung und Darstellung von Menschen mit Behinderungen in Medien.

Speziell der ORF hat hier aufgrund seiner hohen Reichweite und als öffentlich rechtliche Sendeanstalt, die Möglichkeit – und die gesellschaftspolitische Verantwortung – eine Vorreiterrolle zu übernehmen, positive Akzente zu setzen und einen Beitrag zu einer inklusiven Gesellschaft zu leisten.

Ein ORF „wie wir“ – das ist eine starke Ansage und muss zugleich Auftrag sein, auch in Sachen Inklusion!

Dieser Beitrag erschien im ORF Public Value Bericht.

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2 Kommentare

  • Ich kann nicht oft genug darauf hinweisen: Österreich hat die UN-Behindertenkonvention mit einem sogenannten „Gesetzesvorbehalt“ ratifiziert. Folge: Niemand kann sich in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren auf eine Verletzung seiner Rechte aus der Behindertenkonvention berufen.

    Überdies hat das Parlament bei der Ratifizierung behauptet, dass die Regelungen der Konvention von Österreich „weitestgehend“ erfüllt wurden. Bedeutet: Weitere Gesetze in diesem Bereich will man gar nicht erlassen.

    Außerdem schwindelt Österreich die UNO an, wenn seine Vertreter_innen sich dort auf das Behindertegleichstellungsgesetz berufen. Denn auch dieses Gesetz kann man nicht dazu verwenden, andere, diskriminierende österreichische Gesetze zu bekämpfen.

  • alles richtig, gut argumentiert. aber – betrachtet man den auftraggeber orf – dennoch eine heuchelei. der grund: „licht ins dunkel“. wenn der orf diese entwürdigende mitleidsorgie ersatzlos streichen würde, wär das der größte denkbare beitrag zur vermeidung von behindertenklischees. bis dahin möge man uns mit mit salbungsvollem gesülze verschonen.