Wer Kultur will, muss klettern können

In der berliner Öffentlichkeit wird lebhaft der Entwurf des britischen Architekten David Chipperfield für das Empfangsgebäude der Berliner Museumsinsel diskutiert.

Bilder von der Murinsel
BIZEPS

„Auch wir, Menschen mit den unterschiedlichsten Beeinträchtigungen, möchten den Haupteingang benutzen. Überall. Auch auf der Museumsinsel. Was bisher über die Medien vom neuen Entwurf des Architekten David Chipperfield bekannt wurde, sind vor allem jede Menge Freitreppen“, hielt jetzt Ilja Seifert, Vorsitzender des Berliner Behindertenverbandes, in den kobinet-nachrichten fest.

Als Beobachter aus der Ferne drängt sich mir die Frage auf: Droht Berlin eine Wiederholung eines Bauskandals à la Wiener Museumsquartier?

Im Sommer 2001 titelte die österreichische Zeitung Standard „Wer Kultur will, muss klettern können“ und berichtete: „Zwei Monate nach der Eröffnung des Vorzeigekulturareals der Republik, des Museumsquartiers, werden dessen Schwächen offenbar: An Behinderte hat bei Planung und Bau niemand gedacht. Behindertenvertreter überlegen nun zu klagen.“

Zuerst wurde die mangelnde Barrierefreiheit bezweifelt und man sprach von Kleinigkeiten; verwies auf Bewilligungen und der angeblichen Beiziehung von Experten. Es halfen natürlich alle Ausflüchte nichts: Der Imageschaden für die Betreiber war gewaltig.

Schlussendlich musste man die groben Versäumnisse eingestehen und um viel Geld die Mängel beseitigen. Der internationale Ruf einer renommierten Kultureinrichtung war schon bei der Eröffnung beschädigt. Auch wenn es für die Behindertenbewegung – die Kampagne wurde vom BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben in Wien geführt – anstrengend war; der Erfolg war nachhaltig.

Insel in der Mur

Im Jahr 2003 war Graz die Kulturhauptstadt Europas. Nur kurz – wie aber immer in solchen Fällen heftig – wurde über die Barrierrefreiheit diskutiert. Bald war klar, dass Graz in diesem Bereich ein herzeigbares Ergebnis präsentieren möchte.

Eines der meistbeachteten Projekte war sicherlich die „Insel in der Mur„. Vito Acconci, der New Yorker Künstler und Designer, der sich in den letzten Jahren verstärkt architektonischen Projekten widmet, setzte eine Insel in die Mur. Diese bemerkenswerte Projekt war einer der Höhepunkte von „Graz 2003“ und ist barrierefrei zugänglich.

Berliner Museumsinsel

Sind die Entscheidungsträger in Berlin auf der Höhe der Zeit? Ist Barrierefreiheit integraler Bestandteil jeder Planung? Oder steuert Berlin auf eine wirklich entbehrliche Diskussion über Barrieren beim Kunstgenuss zu?

„Es bleibt festzustellen, dass die Aufgabe und Verantwortung des Architekten auch ist, Haltungen und ein Wertesystem zu entwickeln (oder zu übernehmen) und sie als Maßstab zu nutzen, um die von ihm angestrebten Qualitäten zu verwirklichen“, fasst Wikipedia den Begriff Architektur zusammen. Man wird sehen, welche Wertehaltungen die Berliner Politik durchsetzt. Die nächsten Monate könnten spannend werden.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

0 Kommentare

  • der EU ist eswichtiger sich um die marmelade -bananen -essiggurken usw.zu kümmern als um die wirklichen probleme das wird sich nicht ändern solange unsere EU-politiker nicht wirklich vertreten außer ihr gehalt haben diese politiker nichts anderes im sinn

  • nicht nur in berlin auch in wien ist es nicht möglich mit dem tragflügel-boot nach zum bsp-bratislava zu fahren derzeit mit dem rollstuhl unmöglich. eine schweinerei man bemüht sich nicht einmal eine problem lösung zu finden man wird immer nur vertröstet WIE LANGE NOCH

  • war vor kurzem in berlin. es ist nicht möglich, die rundfahrtschiffe barrierefrei zu benützen. skowronek hat vollkommen recht!

  • Wenn bei einem Projekt, wie in Berlin, mehr als genug Geld zur Verfügung steht, und der Architekt einen Zugang nicht zusammenbringt, ist der Vergabevorgang zu bezweifeln (EU-Vergaberichtlinie).

    Die Auswahlkriterien können vernünftigerweise in Richtung Qualität und Preis gehen. Wieso dann trotzdem dieser Architekt, der nicht planen kann, genommen wurde, ist schleierhaft.