Wohnen ist eines der großen Themen dieses Nationalratswahlkampfes. Da muss man natürlich was machen. Am besten "was Gescheites!" Aber blöd ist, wenn man keine Ahnung hat, was "etwas Gescheites" ist. Ein verärgerter Kommentar.

„Die Bevölkerung und damit der Bedarf an leistbaren Wohnungen sind in den letzten Jahren vor allem in Ballungszentren stark angestiegen. Gleichzeitig wurde in den letzten Jahren in vielen Bundesländern der geförderte Wohnbau reduziert“, hält das Sozialministerium in einer Aussendung fest und hat auch gleich eine Lösung.
Der Bund fördert den öffentlichen Wohnbau der Bundesländer mit 276 Millionen Euro, wenn diese mehr bauen als in den letzten Jahren.
„Neu geschaffener Wohnraum muss barrierefrei sein“
Vollmundig verkündet Sozialminister Hundstorfer (SPÖ) in der Aussendung: „Mir war es besonders wichtig, dass wir mit dieser Förderung für Menschen mit Behinderung besonders darauf achten, dass auch verpflichtend barrierefreie Wohnungen geschaffen werden.“
Klingt gut, oder? Blöd nur, wenn man die Aussendung weiterliest und dann zu folgender Textpassage kommt: „So müssen 10 Prozent der durch das Gesetz geförderten Wohnungen selbst barrierefrei sein …“ Wie bitte?
Die großartige Wohnbautätigkeit, die vom Bund mit 276 Millionen Euro gefördert wird, soll also zu rund 90 % in die Schaffung nicht barrierefreier Wohnungen gesteckt werden!
Das soll ein Fortschritt sein? Wer schützt uns vor solchen „Erfolgen“? Und wer vor diesem Sozialminister?
SPÖ-Behindertensprecherin dankt Sozialminister sogar noch dafür
„Mein besonderer Dank gilt Sozialminister Hundstorfer, der auch die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen bedacht hat. Zehn Prozent der durch das Gesetz geförderten Wohnungen müssen barrierefrei sein. Auch beim Zugang zu den Gemeinschaftsflächen muss die Norm über barrierefreies Bauen bedacht werden. Damit trägt die Bundesregierung auch wesentlich zur Bewusstseinsbildung bei“, meint SPÖ-Behindertensprecherin Königberger-Ludwig.
Hundstorfer bestätigte seine Ignoranz
„Im Wohnungsbereich ist Barrierefreiheit eine wesentliche Grundvoraussetzung für selbstbestimmtes Leben. Gerade im Hinblick auf den steigenden Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft ist barrierefreier (oder zumindest anpassbarer) Wohnungsbau unbedingt anzustreben. Der Verbleib in der eigenen Wohnung auch bei Pflegebedürftigkeit sollte jedenfalls möglich sein“, heißt es im Nationalen Aktionsplan (NAP) Punkt 3.8 „Bauen“ zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Gefordert wird im NAP auch die „Einführung von Kriterien des anpassbaren Wohnbaus bei der Vergabe von Wohnbauförderungsmitteln“.
Dieser Plan dürfte den beiden scheinbar ebenso unbekannt sein, wie die dazugehörige UN-Behindertenrechtskonvention die in einigen Artikel – darunter auch Artikel 9 Barrierefreiheit – klar von der zu schaffenden Barrierefreiheit in Wohnhäusern spricht. Laut geplanter NAP Maßnahme 113 sind Behindertenorganisationen bei Bauvorhaben und -förderungen beizuziehen. Das ist bei dem 10%-Pfusch sicherlich nicht geschehen, wetten?
Nun ist aber eines zumindest klar. Der Bund möchte im Wohnbau die Verpflichtung der UN-Konvention nur zu 10 % erfüllen. Das ist auch ein bemerkenswertes Statement.
Michael Häupl – Parteikollege der oben erwähnten Personen – hielt in einem inzwischen legendären Satz fest: Wahlkampf ist die „Zeit fokussierter Unintelligenz„. Wie recht er doch hat!