Werden behinderte Frauen doppelt diskriminiert?

Das Schlagwort der "doppelten Diskriminierung" von behinderten Frauen ist sehr populär und wird häufig verwendet um die Benachteiligungen behinderter Frauen einer breiteren Öffentlichkeit deutlich zu machen.

domino - Zentrum für Kompetenzen
ZfK

Meines Erachtens kann eine Benachteiligung nicht vermehrt werden. Entweder frau/man ist benachteiligt, oder nicht. Es kann auch keine Wertung von Diskriminierungen geben. Sehr wohl gibt es unterschiedliche Auswirkungen von Diskriminierung!

Behinderte Frauen sind in allen Phasen ihres Lebens der potentiellen Gefahr ausgesetzt, in ihrer körperlichen Integrität verletzt zu werden.

Von Geburt an – oder ab Auftreten einer Behinderung – werden sie von der Medizin vereinnahmt. Behinderte Frauen/Mädchen sind Patienten mit Defekten, die so weit als möglich wegzutherapieren sind. Der Körper (auch bei Frauen/Mädchen mit Lernschwierigkeiten) gilt als etwas Negatives. Es gibt Experten, die besser Bescheid wissen, wie dieser zu behandeln ist. Behinderte Frauen/Mädchen lernen sehr schnell, keine Kompetenzen über sich zu haben. Hinzu kommt, dass ein Großteil dieser Experten männlich ist. Jeder dieser Experten hat ein Zugriffsrecht auf diesen Körper. Dieses erlernte Verhaltensmuster behinderter Frauen/Mädchen, dass andere besser wissen, was gut für sie ist, hat fatale Auswirkungen auf das weitere Leben behinderter Frauen/Mädchen.

Behinderte Frauen/Mädchen, die bei der Bewältigung des Alltags auf Hilfe angewiesen sind, z.B. bei der Körperpflege, geraten sehr oft in Abhängigkeitsverhältnisse, die von sexualisierter Gewalt begleitet sind. Oder sie leben in institutionellen Strukturen, welche sexualisierte Gewalt begünstigen.

Behinderte Frauen, vor allem Frauen mit Lernschwierigkeiten (sog. „geistige Behinderung“), sind vielfach nicht umfassend aufgeklärt worden. Dies ist jedoch die Voraussetzung dafür, Sexualität informiert zu leben und „sexuellen Handlungen“ zustimmen oder ablehnen zu können.

Behinderte Frauen haben ein sehr eingeschränktes Repertoire an gesellschaftlichen Rollen.

Das Fußfassen am ersten Arbeitsmarkt von behinderten Frauen/Mädchen findet nur sehr eingeschränkt statt. Eine gezielte Förderung und der Zugang zu Bildung bleiben ihnen oft verwehrt. Es wird ihnen nicht zugetraut, ihre „Frau“ zu stehen. Ihre Zukunft liegt dann nicht selten in einer geschützten Werkstätte oder in der Beschäftigungstherapie.

Da behinderte Frauen nicht als (vollwertige) Frauen gesehen werden, ist es nur konsequent, dass ihnen vielfach Partnerschaften, Familiengründung und Mutterschaft verwehrt bleibt. Nur wenige behinderte Frauen leben in Beziehungen oder leben Sexualität nach ihren Vorstellungen. Noch viel weniger behinderte Frauen sind Mutter und leben diese Rolle.

Wir brauchen eine behinderte Frauenbewegung!

Zwar hat sich in den letzten Jahren einiges für behinderte Frauen und Mädchen getan, trotzdem gibt es immer noch viel zu tun:

  • Behinderte Frauen/Mädchen haben immer noch kein Recht darauf, nur von Frauen Hilfe in Anspruch zu nehmen.
  • Behinderten Frauen/Mädchen werden immer noch Informationen über ihren eigenen Körper vorenthalten.
  • Behinderte Frauen/Mädchen werden immer noch von allen Formen der Gewalt bedroht.
  • Behinderte Frauen/Mädchen werden immer noch als asexuelle Wesen gesehen.
  • Behinderte Frauen haben immer noch kein Recht auf Mutterschaft, vor allem wenn sie auf Hilfe angewiesen sind.
  • Behinderten Frauen/Mädchen werden immer noch Bildungsangebote vorenthalten.

Die Anliegen behinderter Frauen/Mädchen werden weder in der Behindertenbewegung noch in der Frauenbewegung mit einer notwendigen Konsequenz vertreten.

In Deutschland hat sich aus der emanzipatorischen Behindertenbewegung heraus eine behinderte Frauenbewegung emanzipiert. Das „Weibernetz“ ist ein deutschlandweiter Zusammenschluss von Gruppen behinderter Frauen und auch einzelner behinderter Frauen.

Es wird auch in Österreich nur mit einem Zusammenschluss behinderter Frauen zu einer behinderten Frauenbewegung kommen können. Empowermentprozesse entwickeln sich nur in relativ homogenen Gruppierungen. Ich vertrete die Meinung, dass Emanzipation vor Integration kommt.

Wir brauchen Beratungsangebote von und für behinderte Frauen/Mädchen!

Es ist unumgänglich, für behinderte Frauen/Mädchen Angebote zu schaffen, ihre eigene weibliche Identität entwickeln zu können.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich