Wie barrierefrei ist die WESTbahn?

Im BIZEPS-INFO Interview erzählt Stefan Wehinger, Geschäftsführer der WESTbahn und ehemaliger ÖBB-Personenverkehr-Vorstandsdirektor, welche Maßnahmen die WESTbahn zur Sicherstellung der Barrierefreiheit gesetzt hat.

Stefan Wehinger WESTbahn
WESTbahn

In wenigen Wochen – exakt am 11. Dezember 2011 – startet die WESTbahn als privater Konkurrent der ÖBB den Fahrbetrieb zwischen Wien Westbahnhof und Salzburg Hauptbahnhof.

Das Unternehmen möchte mit günstigen Ticketpreisen und viel Service und Komfort die Kundinnen und Kunden locken. Darüber war in den letzten Wochen viel in den Medien zu lesen.

Doch wie sieht es mit Barrierefreiheit aus? BIZEPS-INFO befragte diesbezüglich den WESTbahn Geschäftsführer, Stefan Wehinger, und erfuhr beispielsweise, dass für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer grundsätzlich kein Bedarf für Anmeldungen besteht.

Der Einstieg

BIZEPS-INFO: Wie funktioniert der Einstieg für Rollstuhlfahrer? Gibt es eine Rampe oder einen Hublift?

Stefan Wehinger: Es ist keine Rampe oder Hublift nötig, da unsere Züge so konstruiert sind, dass unsere Gäste stufenlos ein- und aussteigen können. Zudem haben unsere Züge einen Schiebetritt, das heißt, es gibt keinen Spalt zwischen Zug und Bahnsteig.

BIZEPS-INFO: Wie lange vorher sollen Rollstuhlfahrer einen Fahrtwunsch der WESTbahn bekanntgeben, damit eine Unterstützung organisiert werden kann?

Stefan Wehinger: Durch dieses barrierefreie Einsteigen ist eine Voranmeldung für Rollstuhlfahrer nicht notwendig.

BIZEPS-INFO: Bei einigen Bahnhöfen gibt es auch Bahnsteige mit einer Bahnsteigkante in der Höhe von 38 cm (ansonsten 55 cm), wie sieht dort die Einstiegssituation für Rollstuhlfahrer aus?

Stefan Wehinger: Es stimmt, dass es in einigen der Bahnhöfe, in denen die WESTbahn hält, sowohl Bahnsteige mit einer Höhe von 55 als auch mit 38 cm gibt. Die WESTbahn hat allerdings ausschließlich Bahnsteige mit 55 cm zur Benutzung angemietet. Sollte es einmal passieren, dass die 55 cm-Bahnsteige aus irgendwelchen Gründen gesperrt sind, dann steht eine Rampe oder Hublift zur Verfügung.

Im Fahrzeug

BIZEPS-INFO: Welche Orientierungsmerkmale gibt es für sehbehinderte Fahrgäste? Sind Leitsysteme, Farbkontraste bzw. Haltegriffe vorhanden?

Stefan Wehinger: Wir haben uns beim Orientierungssystem für Sehbehinderte streng an den Vorschriften laut TSI PRM orientiert und unsere Züge sind auch nach diesen Vorschriften zertifiziert.

BIZEPS-INFO: Laut Ihrer Homepage verfügt jeder in der Schweiz gebaute Doppelstockzug über einen Wagen, der „unter anderem Rollstuhlplätze, besonders breite Gänge und ein rollstuhlgerechtes WC“ hat und zertifiziert ist. Wie viele Rollstuhlplätze hat dieser Wagen?

Stefan Wehinger: Der PRM-Wagen verfügt über zwei Rollstuhlplätze.

BIZEPS-INFO: Wie kann man als Kunde/in einen Rollstuhlstellplatz reservieren bzw. muss man einen Rollstuhlplatz reservieren?

Stefan Wehinger: Wie bei allen anderen Sitzplätzen gibt es bei den Rollstuhlstellplätzen eine Reservierungsmöglichkeit, aber keine Reservierungspflicht. Um sicherzugehen, dass ein Rollstuhlstellplatz frei ist, besteht eine Reservierungsmöglichkeit via Internet. Ohne Reservierung können Rollstuhlfahrer mitgenommen werden, solange noch Stellplätze verfügbar sind.

BIZEPS-INFO: Gibt es bei den Rollstuhlplätzen Klapptische?

Stefan Wehinger: Ja, die selben, die es auch auf den anderen Sitzplätzen gibt.

BIZEPS-INFO: Die WESTbahn fährt mit Doppelstockzügen. Kann man diese auch mit einem Elektro-Rollstuhl benutzen?

Stefan Wehinger: Ja, natürlich.

BIZEPS-INFO: Gibt es eine Frist vor Fahrtantritt, bis zu der man am Bahnhof sein muss?

Stefan Wehinger: Nein, nachdem das Befahren unseres Zuges mit dem Rollstuhl so einfach möglich ist, gibt es keine Frist. Pünktlichkeit ist jedoch – wie für jeden Gast – wichtig, da unsere Triebfahrzeugführer angehalten werden, sehr pünktlich abzufahren.

BIZEPS-INFO: Kann man bei der WESTbahn während der Fahrt Kleinigkeiten essen?

Stefan Wehinger: Es wird in vier der sechs Wagons einen Speisebereich geben. Die Rollstuhlstellplätze sind gleich anschließend an den Speisebereich vorgesehen. Selbstverständlich werden dort die Speisen und Getränke an den Platz serviert.

Was kostet eine Fahrt?

BIZEPS-INFO: Gibt es eine der ÖBB-Vorteilscard Spezial vergleichbare Ermäßigung für behinderte Menschen?

Stefan Wehinger: Da sich unsere Ticketpreise am Halbpreis der Konkurrenz orientieren, gibt es da keine weitere Ermäßigung. Somit fahren Sie zum gleichen Preis wie bei der Konkurrenz, ohne dass Sie zusätzlich eine Vorteilscard kaufen müssen.

BIZEPS-INFO: Muss eine Begleitperson den Ticketpreis zahlen? Fährt bei behinderten Menschen, die im Behindertenpass den Vermerk „bedarf einer Begleitperson“ stehen haben, die Begleitperson kostenlos?

Stefan Wehinger: Begleitpersonen fahren auch mit diesem Preis, ausgenommen, wenn im Behindertenpass der Vermerk „bedarf einer Begleitperson“ steht. Dann fährt diese Begleitperson kostenlos.

BIZEPS-INFO: Muss ein Aufpreis bezahlt werden, wenn man zusätzlich zum Elektro-Rollstuhl einen Faltrollstuhl mitnimmt?

Stefan Wehinger: Nein.

BIZEPS-INFO: Wo bekommt man Tickets?

Stefan Wehinger: Unsere Tickets können entweder im Internet oder direkt am Zug ohne Aufpreis gekauft werden. Im Direktverkauf am Zug ohne Aufpreis sehen wir einen wichtigen Vorteil gegenüber der Konkurrenz.

Wir glauben, dass Zugfahren wieder einfacher werden muss, daher setzten wir auf eine optimale Kundenbetreuung. Wir werden einen Kundenbegleiter pro Wagon einsetzten, der für Ticketverkauf und -kontrolle, das Servieren von Speisen und Getränken und für die Grundreinigung verantwortlich sein wird.

Weitere Informationen online

BIZEPS-INFO: Gibt es Informationen zur Barrierefreiheit auch online?

Stefan Wehinger: Im Servicebereich unseres Webauftrittes gibt es einen eigenen Bereich mit Informationen für behinderte Menschen. Dieser wird in den nächsten Wochen kontinuierlich ausgebaut.

BIZEPS-INFO: Ist bei der Erstellung des Internetauftritts darauf geachtet worden, die Barrierefreiheitsrichtlinien WCAG 2.0 Stufe AA einzuhalten?

Stefan Wehinger: Wie unser Zug wird auch unser Webauftritt auf Barrierefreiheit zertifiziert. Unsere Webseite wurde bereits mit verschiedenen Hilfsmitteln (Screenreader, Braillezeile) getestet. Noch ist nicht alles perfekt, aber bis zum Herbst sollen die letzten Schwächen ausgemerzt sein.

BIZEPS-INFO: Wir danken für das Interview.

Test der WESTbahn

BIZEPS-INFO wird nach dem Start der WESTbahn am 11. Dezember 2011 das Fahrzeug ausführlich testen und über die Ergebnisse berichten.

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11 Kommentare

  • Sehr geehrte Damen und Herren!
    Möchte mit der Westbahn von Wien nach Linz fahren. Was kostet mir die Fahrt mit
    einem Behindertenpass 80%?
    Kann man die Karte im Zug lösen? Vielen Dank und
    herzliche Grüße
    Anna Ahmadian

    • Sehr geehrte Frua Ahmadian!
      Ja, Tickets kann man auch im Zug kaufen. Die Ticketpreise erfahren sie auf http://www.westbahn.at. Nähere Informationen zu Behinderung stehen in den Tarifbedingungen Punkt 2.4: https://westbahn.at/sonstiges/agbs/

  • Ich würde am Donnerstag 2 Tickets mit jeweils Begleitperson und ein Ticket zum verminderten Preis (Behibdertenausweise) für die Strecke von Linz nach Wien benötigen. Wo kann ich die Tickets am Günstigsten erwerben?
    Danke, mfG
    Lisi Hofer

  • Brauche für eine Kundin ein Behinderten Ticket der Westbahn und finde es nicht ??
    Wien- Salzburg + Begleitperson 90% Behinderung

    • Wenden Sie sich bitte an die Firma Westbahn.

  • Naja, sagen wir mal, ein Schritt in die richtige Richtung, denn wenigstens wurde ein bisserl mitgedacht und der „Wille“ scheint da zu sein …

    Allerdings kann man meiner Meinung nach erst ehrlich mit Barrierefreiheit „werben“ wenn JEDER Waggon wie beschrieben ausgestattet und z.B. auch bei größerem Bedarf erweiterbar ist (spontan als Laie fielen mir da z.B. jenseits der 2 Standardplätze herunterklappbare Sitzplätze ein, die bei Bedarf auch weiteren RollstuhlfahrerInnen Platz bieten würden) … und nicht, wie sich bei genauerem Durchlesen der Website herausstellt, nur EIN Waggon pro Fahrt (d.h., es können nur je 2 RollstuhlfahrerInnen problemlos mitfahren?!)

    Auch die Website lässt noch im Herbst (27. Oktober) viel zu wünschen übrig, was Barrierefreiheit angeht, und zwar nicht nur im „Detail“ (was sich teilweise rasch „ausmerzen“ ließe) sondern auch leider in der Grundstruktur (sowohl im Bereich der Informationsstruktur – sprich leichte Auffindbarkeit von Information- als auch im Design – z.B. mangelnde Vergrösserbarkeit der Schrift ohne unangenehme und hässliche Verschiebungen).

    Bleibt zu hoffen, dass der WestBahn-Wille stark genug ist, zumindest auf (wieder einmal mühsames) Hinweisen korrektiv einzugreifen … die Selbstverständlichkeit des freien Zugangs aller bleibt aber leider auch bei diesem Projekt weiter Utopie .. .schade, wäre schön, wenn das anders wäre!

  • hallo anonym, ich weiß nicht, aber ich dachte, bei der WESTBahn fällt die Voranmeldung für behinderte Menschen weg, da ja alle Züge der WESTBahn ohne Hublift oder Rampe weg sind??

  • sehr geehrte Frau Stefanie,
    ich bin mir sicher, den Service bei Überbuchungen werden bei der Westbahn ebenfalls möglich sein. Davon bin ich überzeugt. Wenn sie auch weiterhin bei der Westbahn reservieren, wird es sicher nicht größere Probleme geben, als jene, die mobilitätsbeeinträchtigte Menschen regelmäßig bei den ÖBB haben. Davon bin ich überzeugt, die Westbahn wird nicht schlechter auf diese Personengruppe reagieren als wie die ÖBB!

  • Hallo anonym,

    es wird bei der ÖBB verschieden gehandelt. Wenn die 2 Rollstuhlplätze bereits reserviert sind und man kommt unangemeldet hin, kann man auf gut Glück trotzdem noch in den Zug einsteigen, da wenn man eng zusammenrückt, auch 3 RollstuhlfahrerInnen Platz haben. Es kann aber genauso passieren, dass einem gesagt wird, dass man auf den nächsten Zug warten soll.

    Grundsätzlich reserviere ich immer einen Zug, da ich die Situation vermeiden will, auf den nächsten ÖBB Zug warten zu müssen. Vor einem Jahr musste ich sehr kurzfristig am Nachmittag sofort von Wien nach Salzburg fahren und ich wollte vom telefonischen Mobilitätsservice wissen, ob noch ein Platz frei ist. Da denen dies zu kurzfristig war, konnten sie mir nicht garantieren, dass ich mitfahren kann. Ich bin dann auf gut Glück hingefahren, hab nettes Service-Personal am Bahnhof gehabt und saß als einzige am Rollstuhlplatz in diesem Zug.

    Die ÖBB bietet auf ihrer Website (http://www.oebb.at/de/Reiseplanung/Barrierefreies_Reisen/Voranmeldung/index.jsp) an, die Voranmeldung bis vor zu 3 Stunden zu machen. Es ist verständlich (oder eigentlich auch nicht..), dass sehr kurzfristige Anmeldungen nicht möglich sind, aber wenn es darum geht, jemanden die Information zu geben, ob der Rollstuhlplatz nun vergeben ist oder nicht, das kann doch nicht allzu schwer sein.

    Gruppenreisen wurden damals von meinen SozialpädagogInnen reserviert und stellte nie als Problem dar. Einige meiner ehemaligen Mitbewohnerinnen wurden vom Rollstuhl auf einem gewöhnlichen Sitzplatz mit Unterstützung der SozialpädagogInnen umgesetzt und der Rollstuhl zusammengeklappt. Hier möchte ich anmerken, dass ich es sehr schade finde, dass es pro Zug nur 2 Rollstuhlplätze gibt und man bei Gruppenreisen nach Alternativen suchen muss…

  • Sehr geehrte Frau Stefanie!
    Bitte um Bekanntgabe des ÖBB Angebotes wenn eben:
    Die 2 Rollstuhlplätze bereits reserviert sind und Sie kommen zum Bahnhof hin. Müssen Sie dann auf den nächsten ÖBB Zug warten?
    Wie funktioniert es bei den ÖBB wenn eine Gruppe von mehr als 2 RollstuhlfahrerInnen mitfahren möchte?
    Erst wenn Sie das bekannt geben, kann ein Vergleich mit dem Westbahnangebot erfolgen.

  • Bin schon gespannt auf die neue WESTBahn und ob das Bahnfahren für RollstuhlfahrerInnen auch wirklich einfacher wird ;)

    es ist toll, dass keine Reservierungspflicht besteht aber was passiert, wenn die 2 Rollstuhlplätze bereits reserviert sind und ich komme zum Bahnhof hin, muss ich dann auf den nächsten Zug warten? Bzw. was ist, wenn eine Gruppe von RollstuhlfahrerInnen (>2) mitfahren möchte?