Wie sich gesellschaftliche Trends auf Menschen mit Behinderungen auswirken

Inklusion bedeutet mehr als nur kleine Anpassungen: UNO-Experte Markus Schefer fordert eine grundlegende Veränderung im Denken. Er warnt, dass gesellschaftliche Entwicklungen zunehmend auch die Rechte von Menschen mit Behinderungen gefährden.

Markus Schefer
Land Tirol / Dorfmann

Inklusion bedeutet, dass alle Menschen – mit oder ohne Behinderung – gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Doch in Deutschland bleibt dieses Ziel oft unerreicht. Der UN-Berichterstatter für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Markus Schefer, kritisiert die bestehenden Strukturen scharf.

In einem Interview mit der taz vom 7. Februar 2025 erklärt Schefer, dass die Politik noch immer an einem überholten Verständnis von Behinderung festhält: 

Viele Menschen haben die Vorstellung, dass man eine Behinderung feststellen kann, indem man medizinisch nur genau genug hinschaut: Was kann ein Mensch und was kann er nicht?

Aber die Frage ist eigentlich: Inwieweit kann ein Mensch mit Behinderung seine Menschenrechte so ausüben wie andere Leute auch?

Besonders im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt sieht Schefer große Defizite. Die Förderung von Förderschulen und Werkstätten, wie sie die Union in ihrem Wahlprogramm vorsieht, stehe im Widerspruch zum eigentlichen Ziel der Inklusion.

Statt Menschen mit Behinderungen auf das bestehende System vorzubereiten, müsse sich das System so verändern, dass es für alle zugänglich ist.

Restriktive politische Maßnahmen

Ein weiteres Problem sei die gesellschaftliche Stimmung: Restriktive politische Maßnahmen, die sich gegen Migrant:innen richten, hätten oft auch negative Auswirkungen auf Menschen mit Behinderungen.

In skandinavischen Ländern sei bereits zu beobachten, dass inklusive Strukturen abgebaut und Menschen mit Behinderungen wieder verstärkt in separaten Einrichtungen untergebracht werden.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Ein Kommentar

  • Die Veränderung muss an der Wurzel ansetzen, und diese Wurzel ist das Bildungssystem. Wenn wir von echter Inklusion sprechen, dann bedeutet das, dass Kinder mit Behinderungen von Anfang an Teil des regulären Bildungssystems sind – nicht in separaten Klassen oder Einrichtungen, sondern gemeinsam mit allen anderen Kindern. Nur so können sie die gleichen Chancen entwickeln, sich in der Gesellschaft zu integrieren, ihre Potenziale zu entfalten und als Erwachsene in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft integriert zu werden.

    Der Ansatz, Inklusion nur als eine nachträgliche Anpassung für Erwachsene zu sehen, verkennt, dass echte Teilhabe nur dann möglich ist, wenn diese Teilhabe schon im Kindesalter beginnt. Wenn wir Kinder heute inklusiv erziehen, lernen sie nicht nur, mit unterschiedlichen Menschen zusammenzuleben, sondern entwickeln auch eine Vorstellung davon, was es heißt, ein aktiver, gleichwertiger Teil der Gesellschaft zu sein.

    Solange das Bildungssystem nicht inklusiv gestaltet wird, bleiben die Chancen für Menschen mit Behinderung, später als Erwachsene vollwertig in die Gesellschaft integriert zu werden, stark eingeschränkt. Es ist eine grundlegende, langfristige Veränderung der Struktur notwendig, die Inklusion als Selbstverständlichkeit und nicht als Ausnahme begreift.

    Nur wenn Inklusion von Anfang an als normaler Bestandteil des täglichen Lebens verstanden wird, kann die Gesellschaft lernen, damit umzugehen und es zu akzeptieren. Inklusion bedeutet nicht, dass Menschen mit Behinderung etwas Außergewöhnliches oder Abweichendes sind, sondern dass Vielfalt und Unterschiedlichkeit einen natürlichen Teil der Gesellschaft ausmachen.

    Wenn Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam aufwachsen, in der Schule lernen und sich im Alltag begegnen, entsteht eine viel breitere Akzeptanz. Sie erleben von klein auf, dass jeder Mensch, unabhängig von seinen Fähigkeiten, Rechte, Wünsche und Bedürfnisse hat, die gleichwertig sind. Das fördert nicht nur das Verständnis, sondern auch das Mitgefühl und den Respekt füreinander.

    Es ist entscheidend, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Behinderung keine Sonderbehandlung erfordert, sondern in der Barrieren sowohl im physischen als auch im sozialen und mentalen Bereich abgebaut werden. Nur so können wir als Gesellschaft wirklich inklusiv sein, und nur so wird die Akzeptanz zu einer selbstverständlichen Haltung, die auch zukünftige Generationen prägt.

    Diese Veränderung braucht Zeit, aber sie muss durch das tägliche Zusammenleben und Lernen von allen – sowohl Kindern als auch Erwachsenen – gefördert werden. Inklusion ist letztlich ein integraler Bestandteil von gesellschaftlicher Entwicklung und menschlichem Miteinander.