Wien: Ohne leistbaren Wohnraum keine Inklusion

Wiener Wohnen hat vor kurzem bekannt gegeben, dass die Wohnungsvergabe über die sogenannte soziale Schiene um über 40% eingeschränkt werden soll.

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Das bedeutet, dass ab 2015 statt wie bisher ca. 2100 Wohnungen nur noch 1200 Wohnungen über die soziale Wohnungsvergabe zur Verfügung stehen werden.

Diese Nachricht kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem es eigentlich darum gehen müsste, nicht weniger sondern deutlich mehr leistbaren Wohnraum für Menschen mit Behinderungen und von Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen bereit zu stellen. Sowohl in der Betreuung von Menschen mit Behinderung als auch in der Wohnungslosenhilfe geht der Trend und (hoffentlich) auch der politische Wille klar in Richtung Deinstitutionalisierung und Auflösung größere Einrichtungen zugunsten inklusiver Wohnmodelle in von den Betroffenen direkt angemieteten Wohnungen.

Dazu ist es erforderlich, dass neben Wiener Wohnen im Gemeindebau auch die gemeinnützigen Wohnbauträgern dazu verpflichtet werden, eine gewisse Quote der neuerrichteten Wohnungen der sozialen Wohnungsvergabe zur Verfügung stellen. Im gemeinnützigen Neubau könnte auch das große Problem der Barrrierefreiheit wesentlich einfacher gelöst werden als im Altbestand von Wiener Wohnen.

Schließlich müssten neben den gemeinnützigen Wohnbauträgern auch die auf Gewinn orientierten dazu verpflichtet werden, einen Teil der von ihnen verwerteten Flächen zu leistbaren Mieten zur Verfügung zu stellen.

Die Stadt Wien genießt österreichweit und auch international einen sehr guten Ruf hinsichtlich der Bereitstellung von leistbaren Wohnraum für ausgrenzungsgefährdete Bevölkerungsgruppen. Dies ist dem großen Anteil des gemeinnützigen Wohnbaus in der Stadt und dem Zuweisungssystem über die soziale Schiene zu verdanken (ein großes Manko besteht allerdings in der geringen Anzahl von barrierefreien Wohnungen). Dass nun zu einem Zeitpunkt, zu dem Wohnraum immer knapper und teuer wird, die soziale Wohnungsvergabe eingeschränkt werden soll, ist weder politisch nachvollziehbar noch darf es hingenommen werden.

Es ist zu hoffen, dass in den derzeit laufenden Gesprächen auf politischer Ebene eine Lösung gefunden wird und die Einschränkung in der sozialen Wohnungsvergabe zurückgenommen wird. Die Alternative zu leistbaren Wohnraum im Gemeinwesen ist letztlich die Unterbringung von Menschen mit Behinderung und wohnungslosen Menschen in mehr oder weniger großen Einrichtungen. Diese widersprechen nicht nur den Menschenrechten (UN-Konvention) und allen fachlichen Standards (Housing First) sondern sind auch deutlich teurer als die individuell abgestimmte Unterstützung in selbstbestimmten Wohnformen.

UPDATE am 1. September 2015 durch den Autor des Artikels (Robert Mittermair): Ohne leistbaren Wohnraum keine Inklusion – Teil 2

In meinem BLOG-Beitrag vom 10. Juni 2015 habe ich auf die schlichte Tatsache hingewiesen, dass leistbarer Wohnraum eine notwendige Voraussetzung für eine echte Inklusion von Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft darstellt. In diesem Zusammenhang habe ich die geplanten Einschränkungen bei der sozialen Wohnungsvergabe durch Wiener Wohnen kritisiert. Nach Rücksprache mit Gabriele Mörk, die bei Wiener Wohnen für die soziale Wohnungsvergabe verantwortlich ist, hat sich nun herausgestellt, dass die von mir im Beitrag verwendeten Zahlen zum Teil unrichtig sind und dadurch ein verfälschtes Bild entstanden ist. Ich entschuldige mich dafür und korrigiere mich hiermit gerne:

  • Die genannte Zahl von 2100 jährlich über die soziale Schiene vergebenen Wohnungen wurde in den letzten Jahren lediglich ein einziges Mal erreicht. Sie also als Bezugsgröße für eine reduzierte Vergabe heranzuziehen, ist nicht korrekt. Im Jahr 2014 wurden z.B. 1600 Wohnungen vergeben, für 2015 wird von 1400 ausgegangen.
  • Es gibt von Seiten von Wiener Wohnen keine Vorgabe dafür, wie viele Wohnungen konkret vergeben werden können. Es gibt allerdings eine Vorgabe hinsichtlich der Zuweisungen in einzelnen Stiegen der Wohnhausanlagen. Um eine verträgliche soziale Durchmischung sicherzustellen, sollen nicht mehr als 15% der Wohnungen auf einer Stiege über die soziale Schiene vergeben werden.
  • Menschen mit Behinderungen, für die Zuweisung einer Wohnung im Rahmen einer Leistung der Behindertenhilfe erfolgt, sind von den verschärften Zugangskriterien nicht betroffen.

Ich habe schon in meinem ersten BLOG-Beitrag zu diesem Thema darauf hingewiesen, dass es richtig ist, dass die Verantwortung für das Angebot an leistbaren Wohnraum nicht allein Wiener Wohnen übertragen werden kann. Mit der eingeschränkten Vergabe soll offensichtlich auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass es im Gemeindebau Belastungsgrenzen gibt, deren Überschreitung zu sozialen Konflikten führen kann, deren Beilegung immer schwieriger wird.

Die Lösung dieses Problems kann allerdings nicht im Rückzug liegen, sondern muss auf politischer Ebene offensiv angegangen werden:

  • Die gemeinnützigen Wohnbauträger müssen sich verpflichten, einen Teil der geförderten Wohnungen der sozialen Wohnungsvergabe zur Verfügung zu stellen (z.T. funktioniert dies derzeit schon auf freiwilliger Basis, etwa beim Projekt Housing First in der Wohnungslosenhilfe).
  • Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass auch barrierefreie Wohnungen angeboten werden.
  • Der Vergabe soll auch im gemeinnützigen Wohnbau in erster Linie direkt an die betroffenen Personen erfolgen und nicht an die betreuende Einrichtung (wie das derzeit in der Behindertenhilfe üblich ist). Dies ganz im Sinn der geforderten Trennung von Wohnen und Betreuung (siehe dazu auch den Beitrag „Wien hat Mut“) entsprechend der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
  • Die Vergabe muss – zumindest zum Teil – von der Befürwortung einer Organisation, die in der Folge die Betreuung übernimmt, entkoppelt werden. Dies betrifft vor allem Menschen mit Behinderungen, die sich ihre notwendige Unterstützung selbst organisieren, etwa im Rahmen einer Pflegegeldergänzungsleistung.
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