Wien: „Sonder“aktion auch noch finanziert

Seit 1981 gibt es bei der Stadt Wien eine sogenannte Sonderaktion mit dem Ziel der Einstellung von behinderten Arbeitssuchenden. Aber diese "Sonder"aktion klingt nicht nur nach Aussonderung, sie diskriminiert und sondert tatsächlich aus.

Logo Arbeitsmarktservice
BilderBox.com

Nunmehr wird dafür auch noch der Europäische Sozialfonds (ESF) widerrechtlich angezapft, mit Wissen des Sozialministeriums.

Die „Sonder“aktion der Stadt Wien wurde einst – es war gerade das Jahr der Behinderten und es gab viele vollmundige Reden – mit der erklärten Absicht ins Leben gerufen, deren TeilnehmerInnen in den regulären Arbeitsprozeß einzugliedern. Möglicherweise war man 1981 von den besten Absichten beseelt gewesen – 1998 ist daraus eine „Aussonder“aktion großen Kalibers geworden:

Von den bloß etwas mehr als 1.000 bei der Stadt Wien beschäftigten behinderten Menschen werden derzeit 644 – also nahezu zwei Drittel (!) – im Rahmen dieser Aktion beschäftigt. Nur rund 70 Personen wurden bisher auf eine Planstelle übernommen. Die TeilnehmerInnen an der „Sonder“aktion können ohne Übertreibung als ArbeitnehmerInnen 2. Klasse bezeichnet werden, denn sie

  • werden nicht zu Schulungskursen eingeladen,
  • werden nicht zur Ablegung der Dienstprüfung aufgefordert,
  • dürfen keine bezahlten Überstunden machen,
  • erhalten keine Arbeitsassistenz beigestellt und
  • haben nur geringe Chancen auf eine ordentliche Planstelle übernommen zu werden.

Wenn man diese Behindertenarbeitsplätze besucht, hat man oftmals das Gefühl, die Zeit sei stehengeblieben: Es gibt behinderte ArbeitnehmerInnen, die – im EDV-Zeitalter – bereits seit Jahren, tagein tagaus Karteikarten schreiben. Oder gehörlose Beschäftigte, die nicht kommunizieren können, da sie statt eines Faxgerätes ein normales Telefon (!!) haben.

Diese von der Stadt Wien praktizierte Vorgangsweise diskriminiert behinderte Menschen und stellt überdies einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot in Artikel 7 des Bundesverfassungsgesetzes dar.

Dennoch findet die zuständige Personalstadträtin, Mag. Renate Brauner (SPÖ), alles in Ordnung und meint sogar „Im Gegenteil: Wien sieht sich, (…), in einer Vorreiterrolle bei der Förderung von Behindertenanliegen“ und verweist ferner darauf, daß Wien „in vielen anderen Bereichen“ sehr bemüht ist, „behindertenfreundlich zu agieren“.

Woran sie da wohl gedacht haben mag?
Um die Kosten dieser „Aussonder“aktion aber noch weiter zu verringern, hat die Stadt Wien mit tatkräftiger Unterstützung des Bundessozialamtes und mit Duldung des zuständigen Sozialministeriums kürzlich zu einem weiteren Streich ausgeholt: Am 13. März 1998 wurde im zuständigen Gemeinderatsausschuß mit den Stimmen der SPÖ, der ÖVP und der FPÖ beschlossen, den Europäischen Sozialfonds für Lohnkostenzuschüsse anzuzapfen.

Dabei soll zwischen der Stadt Wien und dem Ausgleichstaxfonds des Sozialministeriums vereinbart werden, daß Wien für jährlich maximal 50 neue Arbeitsplätze für den Zeitraum von drei Jahren 42,78% des Gehalts und ein Lohnnebenkostenpauschale von 30% erhält. Das bedeutet, daß sich Wien für eine rückständige und aussondernde Arbeitsmarktpolitik für behinderte Menschen Millionenbeträge aus Brüssel holen wird.

Damit wird diese Sonderaktion „ein EU-gefördertes Behindertenreservat“, wie dies vom LIF-Abgeordneten Marco Smoliner in einer Pressekonferenz bezeichnet wurde. Was erstaunt, ist, wie unverschämt mit den Bestimmungen des Europäischen Sozialfonds umgegangen wird: Zuwendungen aus dem ESF dürfen nur an fortschrittliche, nicht aussondernde Projekte erfolgen, bei denen die Betroffenen selbstverständlich nicht diskriminiert werden dürfen.

Und das kann von der „Aussonder“aktion nun wirklich nicht behauptet werden. Beruhigend wirkt bloß die Bestimmung in der Vereinbarung, wonach die Europäische Kommission und der Europäische Rechnungshof jederzeit die Überprüfung der Verwendung der Förderungsmittel vornehmen kann. Da werden die EU-ExpertInnen Augen machen, wenn sie nach Wien kommen.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich