Wiener Behindertenhilfe schlägt Alarm!

Jahrelange Einsparungen gefährden menschenwürdige Betreuung von Menschen mit Behinderungen

Marion Ondricek, Iris Kopera, Robert Mittermair Wolfgang Waldmüller
IVS Wien

Die Lebens- und Betreuungsqualität von rund 7.000 Menschen mit Behinderungen in Wien steht angesichts langjähriger Einsparungen durch die Stadt Wien auf dem Spiel.

Darauf wies die Interessensvertretung sozialer Dienstleistungsunternehmen für Menschen mit Behinderung, IVS Wien am 16. Mai 2018 im Rahmen einer Pressekonferenz hin.

Die IVS-Vorstände Robert Mittermair, Marion Ondricek und Wolfgang Waldmüller betonten, dass bis Ende 2019 428.000 Leistungsstunden für Betroffene gestrichen werden müssen bzw. 440 MitarbeiterInnen im Wiener Behindertenbereich ihren Arbeitsplatz verlieren, wenn die Stadtregierung die geplanten Kürzungen nicht zurücknimmt.

Fonds Soziales Wien deckt reale Kostensteigerungen seit Jahren nicht ab

Seit 2007 kämpfen die Organisationen der Wiener Behindertenhilfe mit einer chronischen Unterdeckung ihrer Budgets, da der Fonds Soziales Wien, FSW, die jährlichen Kostensteigerungen, die auf Grund kollektivvertraglicher Vorschriften und im Sachbereich entstehen, aus Gründen der Budgetkonsolidierung nicht abdeckt.

Für 2018 wurden die Kostensätze für die Betreuung und Begleitung von Menschen mit Behinderungen nur um 1% erhöht.

„.Angesichts der Tatsache, dass die realen Kostensteigerungen 2,5 – 3 % pro Jahr betragen, ein Schlag ins Gesicht der Menschen mit Behinderungen, der zu deutlichen Einbußen in der Qualität der Betreuung führen wird“, so Robert Mittermair, Vorstandssprecher der IVS Wien, die 17 Organisationen der Wiener Behindertenhilfe vertritt.

Betroffen sind 6.920 Menschen mit Behinderungen, die von 4.450 MitarbeiterInnen der privaten Trägerorganisationen Wiens täglich gepflegt, betreut und begleitet werden.

50% weniger Lebensqualität für Menschen mit Behinderungen

„In Wien droht ein nicht menschenrechtskonformer Rückbau der Betreuung von Menschen mit Behinderungen in Richtung ‚warm, satt und sauber‘. 4 Prozent Unterdeckung beim Budget für 2018 und 2019 bedeuten in der Praxis 50% weniger Lebensqualität für die knapp 7.000 betroffenen Menschen mit Behinderungen.

Vor allem individuelle Angebote, die 1:1 Betreuung erfordern, wie z.B. die Begleitung zu Treffen mit Freunden oder zu Arztterminen müssen bei personellen Einsparungen als erstes gestrichten werden“, so Wolfgang Waldmüller, Vorstand IVS Wien.

Iris Kopera, Mitarbeiterin im Leitungsteam des Selbstvertretungszentrum für Menschen mit Lernschwierigkeiten, spricht aus eigener Erfahrung: „Wenn noch mehr Geld gekürzt wird, werden die Menschen noch systematischer behandelt und ihre Bedürfnisse noch weniger beachtet. Für Menschen im Wohnbereich ist nicht genug Zeit um selber zu bestimmen, wann sie sich pflegen und waschen können. Aber das ist ein Grundbedürfnis jedes Menschens!“ 

Kranksparen führt zu Kündigungen und massivem Arbeitsdruck

Durch die Einsparungen steigt der Arbeitsdruck auf die 4.450 MitarbeiterInnen der Behindertenhilfe Wiens massiv.

„Die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen ist intensiv sowie herausfordernd und verlangt enorme Flexibilität. Während in fast allen Bundesländern im Gesundheits- und Sozialbereich die Gehälter für MitarbeiterInnen im öffentlichen Bereich erhöht wurden, werden in Wien heuer nicht einmal die kollektivvertraglichen Erhöhungen für die Beschäftigten des privaten Behindertenbereiches – und die Wiener Behindertenhilfe besteht ausschließlich aus privaten Organisationen – finanziert. Wir sehen nicht ein, dass MitarbeiterInnen der privaten Dienstleistungsorganisationen im Wiener Behindertenbereich schlechter gestellt sind als das Personal der Stadt Wien und fordern für gleiche Leistung gleichen Lohn“, so Marion Ondricek, IVS-Vorstand.

Menschenwürdige Betreuung muss Stadt Wien etwas wert sein

Für Waldmüller ist nicht nachvollziehbar, warum in Zeiten der Hochkonjunktur bei einer hochgradig vulnerablen und unterstützungsabhängigen Gruppe von Menschen gespart werden soll.

„Vom angekündigten Sparpaket sind Menschen mit Behinderungen direkt und unmittelbar betroffen. Budgetziele auf dem Rücken der Schwächsten, die sich offensichtlich nicht wehren können, zu erreichen darf nicht im Interesse einer Stadt sein, die soziale Verantwortung seit über 100 Jahren zum handlungsleitenden Prinzip macht! Die menschenwürdige Betreuung von Menschen mit Behinderungen muss der Stadt Wien etwas wert sein!“

Die IVS Wien fordert daher die neue Stadtregierung auf, die geplanten Kürzungen zurückzunehmen und konstruktiv mit den Organisationen der Wiener Behindertenhilfe über ihre Kostensätze zu verhandeln.

Siehe Artikel: ORF, Standard

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3 Kommentare

  • Pflegender Angehöriger zu helfen ist am erste Linie. Sie tragenkti auf ihre Schulter zu viel. Es gibt zu viel Geld in Social Systeme. Aber zu viel Bürokratie. Zu niedrig Qualität. alles kann besser sein.

  • …bei so viel Unmenschlichkeit in Politik und Verwaltung in ganz Österreich macht sich offenbar schon rundherum die Ohnmacht breit! Soll keine Ausrede sein, nur eine Feststellung – wie es u.a. auch mir geht.

  • Wenigstens die IVS meldet sich zur fatalen Lage für den Großteil der behinderten Menschen kritisch zu Wort. Danke!

    Der ÖAR, der Interessenvertretung behinderter Menschen der Stadt Wien sowie den offiziellen Behindertenorganisationen inkl. Selbstbestimmt-Leben-Vereine fehlt ja offensichtlich der Mut und die Solidarität für einen lautstarken Protest.

    Der Stadt Wien hörige Sesselkleber_Innen verhindern jeglichen Widerstand.

    Und was bringt die Zukunft? Verhackertes. Wollen wir das etwa weiterschlucken??