Mit ihren neuen geräuscharmen Elektrobussen haben die Wiener Linien im September 2013 den Staatspreis für Mobilität bekommen.

Für die Mobilität von blinden und sehbehinderten Menschen stellen die unhörbaren Busse aber eine unüberwindliche Barriere dar. Einerseits sind wir in akuter Lebensgefahr, weil wir sie nicht kommen hören, andererseits können wir sie nicht benutzen. Versuchen Sie einmal in einen Bus einzusteigen, den Sie nicht wahrnehmen können!
Bereits im Juni 2013 haben fünf blinde Menschen ein Schlichtungsverfahren beim Bundessozialamt eröffnet, nachdem die Korrespondenz mit den Wiener Linien kein Ergebnis gebracht hatte. In den E-Mails des Kundendienstes war nur zu lesen gewesen: „Unsere LenkerInnen fahren so, dass niemand gefährdet wird.“
Ohne Möglichkeit zur Eigenverantwortung
Uns blinden Menschen wird zugemutet, uns ohne jede Möglichkeit zur Eigenverantwortung und Kontrolle durch das Gehör im wahrsten Sinne des Wortes „blind und taub“ auf die FahrerInnen zu verlassen. Welcher Mensch würde sich trauen mit verbundenen Augen und zugestoppelten Ohren, nur im Vertrauen auf die LenkerInnen, eine Straße zu überqueren? Und wäre so jemand als zurechnungsfähig zu bezeichnen?
Durch den Reaktions- und Bremsweg ist es für den besten Fahrer unmöglich, rechtzeitig stehen zu bleiben, wenn jemand ganz knapp vor den Bus läuft. Den LenkerInnen wird eine enorme Verantwortung aufgehalst, weil man nicht bereit ist, eine vernünftige Lösung zu finden.
Das Problem betrifft nicht nur blinde und sehbehinderte Menschen, sondern auch die meisten sehenden Fußgänger, die sich oftmals nach Gehör im Verkehr orientieren.
Kinder sind durch ihre naturgemäß geringere Aufmerksamkeit extrem gefährdet, wenn die akustische Wahrnehmungsmöglichkeit wegfällt.
Ältere Menschen sind in hohem Maß betroffen, da im Alter alle Sinne nachlassen. Deshalb ist es umso wichtiger für sie, Fahrzeuge durch zwei Sinnesorgane wahrnehmen zu können.
Schlichtung gescheitert
Bei unserem Schlichtungsgespräch im Bundessozialamt erschienen zwei VertreterInnen der Wiener Linien, eine Mitarbeiterin der Rechtsabteilung und der stv. Leiter der Abteilung Kraftfahrzeuge.
Letzterer begegnete unserem Anliegen mit völligem Unverständnis. Er werde keinen Bus lauter machen, sagte er. Dabei wird es jetzt leider auch bleiben, denn die Schlichtung ist gescheitert.
Zwar wurde damals vereinbart, dass die Wiener Linien in den nächsten Monaten ein Geräusch zum Einbau mit uns erarbeiten würden, aber es ist nur zu einer einmaligen Vorführung eines einzigen Warntons gekommen, der an ein Handyklingeln erinnert hat. Die VertreterInnen der Wiener Linien wirkten diesmal kooperativ und bemüht.
Zuerst ließen sie uns das Geräusch im Straßenverkehr in einer für uns passenden Lautstärke anhören, um uns dann aber mitzuteilen, dass es ohnehin höchstens 80db haben dürfe, da es ansonsten kein lärmarmer Bus mehr sei. Es wurde ein weiterer Termin für Ende Jänner vereinbart. Wir blinde SchlichtungswerberInnen wollten bis dahin Klänge recherchieren, die auch bei geringerer Lautstärke besser im Verkehrslärm hörbar sind.
Stattdessen schickten die Wiener Linien im Jänner ein Mail an das Bundessozialamt, in dem sie ankündigten, keine weiteren Versuche zum Einbau eines Warngeräusches zu unternehmen und zukünftig verstärkt solche Busse in den Fahrbetrieb aufzunehmen.
Leider bleibt uns jetzt nichts anderes übrig, als den Rechtsweg zu beschreiten.
Markus Ladstätter / BIZEPS,
12.03.2014, 10:25
@Monika Weinrichter: Ich bin zwar nicht Martin Ladstätter, aber möchte die Frage trotzdem beantworten: Fragen zur ÖAR müssen sie schon an die ÖAR richten. :)
Monika Weinrichter,
11.03.2014, 21:16
Liebe Petra, Klaudia, Yasemin und Peter!
Vielen Dank für eure ermutigenden Worte!
@Peter Woltersdorf Ja, die EU hat den verpflichtenden Einbau eines AVAS in 3 bis 5 Jahren beschlossen. Allerdings wird dieses AVAS meinen Recherchen zufolge leider vom Fahrer jederzeit abschaltbar und generell nur bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 20km/h in Betrieb sein.
In den USA hingegen soll es bereits ab September 14 ein verpflichtendes AVAS bis zu 30km/h geben, das vom Fahrer nicht abschaltbar sein darf.
@Martin Ladstätter: Warum klagt die ÖAR eigentlich nicht? Ist sie nicht speziell für Feststellungsklagen da??? Wird sie es erst tun, wenn es die ersten sehbehinderten Verkehrsunfallopfer von geräuschlosen Fahrzeugen gibt oder nicht einmal dann?
Martin Ladstätter,
11.03.2014, 18:42
@Petra und @Klaudia: Eine Verbandsklage kann laut Gesetz NUR die ÖAR machen. Sie ist seit dem Jahr 2006 die einzige Organisation, die dies kann. Wie wir alle wissen hat sie es nie gemacht und es ist auch äußerst fraglich, ob sie es je machen würde.
Klaudia Karoliny,
11.03.2014, 14:44
Unbedingt Verbandsklage! Viel Erfolg.
Petra Flieger,
10.03.2014, 16:38
Wäre dieser Fall nicht eine Gelegenheit für die erste längst fällige Verbandsklage? Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Klage! Beste Grüße Petra Flieger
yasemin,
10.03.2014, 13:33
Die Wiener Linien sind an sich eine Nummer. Vor kurzem beschwerte ich mich wegen der Tatsache, dass an Mehrfachhaltestellen weder die einfahrende Linie angesagt wird noch das hinten eingefahrene Fahrzeug erneut anhält, wenn sich ein blinder Fahrgast an der Haltestelle aufhält.
Reaktion war, das mir versichert wurde, die meisten Fahrr würden Verantwortung übernehmen. Ich müsste einfach anrufen, falls es mal vorkommen sollte, dass sich ein Fahrer nicht an die Vorschriften hält. Außerdem sollte ich bittebedenken, dass es nicht immer einfach ist festzustellen, ob ein blinder Fahrgast einsteigen möchte oder auf jemanden wartet. Auf meinen Vorschlag, sich doch bitte selbst auf die Haltestelle mit einem Blindenstock zu stellen und die eigenen Behauptungen einem Reality Check zu unterziehen, wurde nicht eingegangen. Ich als Fahrgast habe kein Verständnis dafür, die Qualitätsprüfung zu übernehmen und zudem noch nicht mal ernstgenommen zu werden. Die Erfahrung, dass sich die überwiegende Mehrheit eben nicht an die Vorschriften hält, wird mit haltlosen Behauptungen zurückgewiesen, ich behaupte sogar wider besseren Wissens. Denn wenige Sätze später werden die Probleme eingeräumt und der Fahrgast zum Verständnishaben aufgefordert. Soll man da noch die Einladung zum Anrufen ernst nehmen?
Peter Woltersdorf / ABSV,
10.03.2014, 10:39
Die EU hat bereits über einen Verordnungsentwurf zu einem AVAS (Acoustic Vehicle Alerting System) entschieden – ob das aber jetzt schon rechtsgültig ist, kann ich nicht sagen. Es ist aber vielleicht zu hoffen, dass so ein Entschluss bei einer Gerichtsverhandlung nicht unberücksichtigt bleibt.
Mehr Infos beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband DBSV:
http://www.dbsv.org/dbsv/aktuelles/alias/article/1706/
Mit Grüßen aus Berlin
Peter Woltersdorf / ABSV