Wiener Sozialreform – erste gesetzliche Schritte

Im Jahr 2003 gab es zunächst erste Gerüchte, die sich dann zunehmend verdichteten, dass in Wien eine große Sozialreform geplant sei; mit Beginn des Jahres 2004 setzte man erste organisatorische Maßnahmen. Nun sollen gesetzliche Schritte folgen.

Wiener Rathaus
BIZEPS

Die vom Amt der Wiener Landesregierung zur Begutachtung ausgesandte und zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegte Sammelnovelle enthält:

  • den Entwurf eines Gesetzes, mit dem das Gesetz über Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Wien (Wiener Grundversorgungsgesetz WGVG) sowie
  • Änderungsvorschläge zum Wiener Sozialhilfe-, Krankenanstalten-, Behinderten-, Pflegegeld- und Heimhilfegesetz.

Für Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen sind wohl die geplanten Änderungen des Wiener Sozialhilfegesetzes, des Wiener Krankenanstaltengesetzes 1987, des Wiener Behindertengesetzes 1986, des Wiener Pflegegeld- und des Wiener Heimhilfegesetzes von besonderem Interesse; hier soll nun ein kurzer Überblick über die wichtigsten Inhalte gegeben werden:

Kernstück all dieser Novellierungsvorschläge ist die Beleihung des Fonds Soziales Wien mit hoheitlichen – behördlichen – Aufgaben der Sozial- und Behindertenhilfe sowie mit der Zuerkennung sozialer Dienste; nach den Erläuterungen zum Gesetzentwurf wird dadurch vor allem eine Verfahrensbeschleunigung erwartet. Dabei ist der Fonds jedoch bei der Besorgung der hoheitlichen Aufgaben an die Weisungen des Kuratoriums des Fonds Soziales Wien, dessen Mitglieder von der Landesregierung entsandt werden, gebunden. Im Zusammenhang mit dieser Aufgabenübertragung an den Fonds Soziales Wien wird auch die Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung erforderlicher Daten sowie das Auskunftsrecht bzw. die Auskunftspflicht genau geregelt.

Ein zweites Kernstück dieser Novellierungsvorschläge ist es, dass als Berufungsbehörde gegen Bescheide des Magistrats und des Fonds Soziales Wien in Sozialhilfe- und Behindertenhilfeangelegenheiten künftig nicht mehr die Landesregierung, sondern der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zuständig sein soll.

I. Der Novellierungsentwurf zum Wiener Sozialhilfegesetz:

Dem Fonds Soziales Wien sollen für den Bereich der Vollziehung des Wiener Sozialhilfegesetzes taxativ aufgezählte behördliche Aufgaben übertragen werden. Der Fonds Soziales Wien soll künftig von Amts wegen oder über Anträge auf Zuerkennung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hinsichtlich der Gewährung von Unterkunft in einem Haus für Obdachlose sowie deren Widerruf, und über Anträge auf Gewährung von Pflege absprechen; er hat ferner über Ersatzansprüche, Ersatzansprüche Dritter und Rückersatzpflichten zu entscheiden, soweit sie in Zusammenhang mit von ihm zu besorgenden Angelegenheiten stehen.

In diesem Zusammenhang wird auch die Auskunftspflicht erweitert; es soll künftig auch eine Auskunftspflicht gegenüber dem Fonds Soziales Wien und gegenüber den Institutionen, die im Auftrag des Magistrats zur Sicherung von Wohnraum tätig werden, bestehen. Auskünfte soll nach dem Gesetzentwurf auch das Arbeitsmarktservice, die Finanzämter, Vermieter, Dienstgeber und Krankenanstalten bzw. Krankenfürsorgeanstalten erteilen. Die Auskunftspflicht bezieht sich z. B. auf den Pflegebedarf des Hilfesuchenden und unterhaltsberechtigter/unterhaltspflichtiger Angehöriger, die Aufenthaltsdauer in einer Krankenanstalt, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Sozialhilfe-, Behindertenhilfe- und pflegebezogene Geldleistungen, sozialhilferelevante Zuwendungen etc.

Der Katalog möglicher Sozialhilfeleistungen für Fremde, die Österreichern nicht gleichgestellt sind und sich erlaubterweise mehr als drei Monate im Inland aufhalten, soll über die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes, Krankenhilfe und Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen hinaus nunmehr um die Gewährung von Pflege und sozialen Diensten erweitert werden.

Die bereits existierenden Tageszentren und betreuten Wohngemeinschaften nach dem WSHG sollen nun auch ausdrücklich gesetzlich geregelt werden und es soll eine Aufsichtspflicht des Magistrats für die Häuser für Obdachlose, die Tageszentren und die betreuten Wohngemeinschaften begründet werden. Der Magistrat soll ferner zur Erlassung von Hausordnungen zuständig sein.

Wohn- und Pflegeheime sollen nun nicht mehr im WSHG geregelt werden, da sie bereits im Wiener Wohn- und Pflegeheimgesetz normiert sind.

Es sollen künftig sogenannte Sammelbescheide für die einzelnen Hilfesuchenden erlassen werden, die mehrere Sozialhilfeanträge gestellt haben.

II. Der Novellierungsentwurf zum Wiener Krankenanstaltengesetz 1987:

Die Rechtsträger einer Krankenanstalt sollen in Hinkunft bei der Entlassung eines Patienten, der sich nicht selbst versorgen kann und bei dem auch keine andere Betreuung sichergestellt ist, nicht nur wie bisher mit dem Sozialhilfeträger, sondern auch mit dem Fonds Soziales Wien Kontakt aufnehmen müssen und auf Anfrage auch eine Ausfertigung des Patientenbriefes an den Sozialhilfeträger bzw. den Fonds Soziales Wien weitergeben müssen.

III. Der Novellierungsentwurf zum Wiener Behindertengesetz 1986:

Der Fonds Soziales Wien soll mit der behördlichen Entscheidung von Amts wegen oder über Anträge auf Maßnahmen nach dem Wiener Behindertengesetz – mit Ausnahme der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt – und über die Einstellung von Maßnahmen der Eingliederungshilfe sowie der geschützten Arbeit betraut werden. Der Fonds Soziales Wien soll die Übernahme von Fahrt- und Beförderungskosten – z.B. beim Regelfahrtendienst – vornehmen und ihm wird die vertragliche Gewährung von Landeszuschüssen an Träger von geschützten Werkstätten übertragen. Der Fonds hat nach dem Entwurf aber auch über allfällige Kostenbeiträge, das Absehen von Kostenbeitragsleistungen, die Neubemessung von Kostenbeiträgen oder die nachträgliche Kostenbeitragsleistung zu entscheiden.

In den Verfahren über Behindertenhilfemaßnahmen sollen der Magistrat wie der Fonds Soziales Wien künftig auch gesetzlich verpflichtet sein, Gutachten von Sachverständigen der Behindertenfürsorge – z. B. Ärzte, Psychologen, Fürsorger etc. – einzuholen.

Die Aufsichtspflicht über Einrichtungen der Behindertenhilfe soll nicht mehr die Landesregierung, sondern der Magistrat wahrnehmen, wobei sich diese künftig auch auf die Prüfung der sicherheitstechnischen Erfordernisse erstrecken soll; die vorzulegenden Unterlagen und die Voraussetzungen für die Anordnung der Einstellung des Betriebes werden nun gesetzlich geregelt.

IV. Der Novellierungsentwurf zum Wiener Pflegegeldgesetz:

Für das Wiener Pflegegeldgesetz werden zunächst die gesetzlichen Diagnosen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung in § 4a an jene des Bundespflegegeldgesetzes angepasst.

Ferner ist mit dem Entwurf beabsichtigt, eine gesetzliche Grundlage für die Gewährung von Vorschüssen auf ein künftig auszuzahlendes Pflegegeld zu schaffen, sofern ein Pflegegeldanspruch dem Grunde nach feststeht, jedoch noch nicht der konkreten Höhe nach.

Die bislang vorgesehen gewesene zwingende Übernahme der Pflegegeldeinstufung bei Wohnsitzverlegung von einem anderen Bundesland nach Wien, soll nun in eine „kann“-Bestimmung geändert werden, so dass – entsprechend den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf – für die Pflegegeldzuerkennung in Wien nicht auf unter Umständen viele Jahre zurückliegende Gutachten, sondern auf neue Gutachten über den aktuellen Pflegebedarf abgestellt werden kann.

Bei Rückersatzpflichten betreffend zu Unrecht empfangener Pflegegelder soll in Hinkunft die Einwendung des Empfanges in gutem Glauben ausgeschlossen sein.

Der Fonds Soziales Wien soll in den Kreis der Forderungsübergangsberechtigten aufgenommen werden, da er ja auch zur Zuerkennung von Pflege als Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs nach dem Novellierungsvorschlag zum Wiener Sozialhilfegesetz zuständig sein soll und damit unter Umständen die Kosten für eine stationäre Heimunterbringung trägt.

Es soll so wie im Bundespflegegeldgesetz ein Ausnahmetatbestand vom Ruhen des Pflegegeldes bei stationärem Krankenhaus-, Kur- oder Rehaaufenthalt geschaffen werden, wenn jemand in der Pensionsversicherung selbstversichert ist und einen nahen Angehörigen mit Pflegegeldanspruch zumindest in Höhe der Stufe vier pflegt.

Die Antragsfrist für die Erlassung eines Ruhensbescheides soll wie im Bundespflegegeldgesetz auf drei Monate verlängert werden.

Es soll die Möglichkeit einer geänderten Auszahlung und von (Mindest)-Vorschüssen bei Inanspruchnahme von Familienhospizkarenz in Anlehnung an § 18a BPGG geschaffen werden.

Der Fonds Soziales Wien zählt auch zu den Personen, die im Falle des Todes des Pflegegeldwerbers zur Fortsetzung des Verfahrens oder zum Bezug fälliger Geldleistungen berechtigt sind.

In all jenen Angelegenheiten nach dem Wiener Pflegegeldgesetz, in denen es sich nicht um Sozialrechtssachen nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz handelt und bei denen dementsprechend für Rechtsmittel nicht das Arbeits- und Sozialgericht zuständig ist, sondern bislang eine Berufung an die Landesregierung möglich war, soll nun für Berufungen der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zuständig werden; das ist etwa bei Bescheiden über die Nachsicht vom Erfordernis der Österreichischen Staatsbürgerschaft, über das Absehen von einer Rückforderung und über Änderungen der Auszahlung z. B. bei Zahlungsrückstand gegenüber ambulanten Diensten oder im Falle der Familienhospizkarenz etc. nun gesetzlich vorgesehen.

V. Der Novellierungsentwurf zum Wiener Heimhilfegesetz

Da der Fonds Soziales Wien für die Zuerkennung sozialer Dienste nach dem Wiener Sozialhilfegesetz zuständig gemacht werden soll, wird er auch befugt, mit Organisationen der freien Wohlfahrtspflege zu kooperieren, die soziale Dienste, wie z. B. Heimhilfe, anbieten. Der Magistrat hat dabei den Fonds über Mängel in einer Wohlfahrtsorganisation zu informieren.

Der Magistrat soll künftig auch für die Anerkennung von Ausbildungseinrichtungen, die Gleichstellungsanerkennung, die Aufsicht über Aus- und Fortbildungseinrichtungen für den Heimhilfeberuf und zur Aufsicht über Einrichtungen, die Heimhilfe durchführen etc., zuständig sein.

Auch Berufungen gegen Bescheide nach dem Wiener Heimhilfegesetz sollen künftig an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien gehen.

Der Begutachtungsentwurf ist im Internet unter www.wien.gv.at/recht/landesrecht-wien/begutachtung/index.htm abrufbar und liegt zur öffentlichen Einsichtnahme vom 10. bis 28. Mai 2004 in den magistratischen Bezirksämtern auf.

Stellungnahmen zu diesem Gesetzesentwurf können per Email unter post@m15.magwien.gv.at oder schriftlich bei den magistratischen Bezirksämtern abgegeben werden.

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