Wiener Veranstaltungsstättengesetz novelliert

Am 16. Dezember 1994 wurde im Wiener Landtag eine Novelle zum Wiener Veranstaltungsstättengesetz beschlossen (wichtigste Punkte siehe unten).

Wiener Gemeinderat und Landtag - Sitzungssaal
PID / Markus Wache

Die Novelle enthält zwar einige Verbesserungen, andererseits wurden aber einige wichtige Forderungen der Betroffenen nicht erfüllt.

Dieses Gesetz hat sich in der Praxis als behindertenfeindlich erwiesen, weil es RollstuhlbenützerInnen eher am Besuch von Veranstaltungen hinderte, als die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Das prominenteste Beispiel dafür ist das Wiener Apollo-Kino: Es wurde um mehr als 100 Millionen Schilling umgebaut, aber die Säle sind nicht stufenlos zugänglich und auch der eine zugängliche Saal ist nicht selbständig erreichbar.

Aufgrund unserer ständigen Forderungen – wir berichten mehrfach darüber in diesem Infoblatt – kündigte das Wiener Kulturamt die Fertigstellung der Novellierung bereits für das Frühjahr 1993 an, doch erst im Sommer 1994 war der Entwurf da und sollte an alle Stellen zur Begutachtung ausgesandt werden.

Dabei hätten alle Betroffenen die Gelegenheit gehabt, Stellung zu nehmen und Verbesserungen vorzuschlagen. Das wollte die Fraktion der SPÖ aber verhindern und beschloß, die Gesetzesänderung mittels Initiativantrag im Wr. Landtag zu beschließen.

Bizeps hat daraufhin bei den Initiatoren des Antrages sowie eine Stellungnahme mit den noch offenen Punkten übersandt und bei der Kulturstadträtin Pasterk und bei Bürgermeister Häupl gegen diese überstürzte Vorgangsweise protestiert.

Unsere wichtigsten Verbesserungsvorschläge an die Stadt Wien, die in dieser Novelle nicht enthalten sind:

  • Keine Obergrenze für RollstuhlfahrerInnen bei Großveranstaltungen (Stadthalle, Stadion etc.)
  • Förderungen des Landes für bauliche Adaptierungen
  • Ausweitung der Adaptierungspflicht bei bestehenden Baulichkeiten
  • Schaffung von Sitzplätzen für Begleitpersonen in unmittelbarer Nähe der Rollstuhlplätze
  • Diverse Angleichungen an die ÖNORM B 1600 und B 1601 (barrierefreies Bauen)
  • Schaffung von Vorkehrungen vor allem für sinnesbehinderte Menschen.

So sehen die Reaktionen aus:

Landtagspräsidentin Prof. Erika Stubenvoll (SPÖ) erklärte die überstürzte Novellierung folgendermaßen: „… wie schon lange versprochen, den § 30 des Wiener Veranstaltungsstättengesetz noch in diesem Jahr zu ändern. Damit wurde auch ein Versprechen gegenüber Bizeps und anderen Behindertenorganisationen eingelöst.“

Die Freiheitlichen und die Grünen haben unsere Forderungen vollinhaltlich unterstützt und im Landtag einen Antrag eingebracht, auch die ÖVP hat unsere Forderungen im Landtag mehrheitlich vertreten.

Nun ist der § 30 Wiener Veranstaltungsstättengesetz nicht mehr menschenverachtend. Uns liegt ein Gutachten vor, demzufolge die Bestimmungen des Paragraphen 30 als verfassungswidrig angesehen wurden.

Bezüglich unserer Forderung nach Förderung von Adaptierungen schrieb Landtagspräsidentin Stubenvoll: „Für eine mögliche Finanzierung von behindertengerechten Maßnahmen wäre es denkbar, daß ein Förderungsinstrument, ähnlich dem Wirtschaftsförderungsfonds, geschaffen wird, in dem die Vertreter der Wirtschaft finanzielle Mittel einbringen.“ Da die SPÖ in Wien die absolute Mehrheit hat, dürfte es für sie kein Problem sein, eine solche Regelung zu beschließen.

Wiens Kulturstadträtin Dr. Ursula Pasterk versprach laut Rathauskorrespondenz vom 16.12.94 die Abänderungsanträge (= unsere Forderungen) nach Möglichkeit der Durchsetzbarkeit in die weiteren Arbeiten an dem Gesetz einzubauen.

Wir werden auch in Zukunft genau die Auswirkungen dieser Novelle für Wiens Veranstaltungsstätten beobachten und drängen, daß unsere offengebliebenen Forderungen zügig in das Gesetz eingearbeitet werden.

Übrigens: Dieses Jahr feiert das Kino sein 100 jähriges Bestehen.

Neuen Bestimmungen des § 30 Wr. Veranstaltungsstättengesetz:

  • Veranstaltungsstätten müssen für je einen Rollstuhlfahrer pro 100 Besucher geeignet sein; die Obergrenze sind 20 Plätze. Bei einem Fassungsvermögen von weniger als 100 Personen müssen die Voraussetzungen für 2 Rollstuhlfahrer gegeben sein. (Bisher waren ab 300 Besuchern Rollstuhlplätze verpflichtend)
  • Dies gilt auch für bereits vorhandene Veranstaltungsstätten wenn „es hiezu keiner oder solcher baulicher Änderungen bedarf, welche nur einem zumutbaren Kostenaufwand verursachen oder wenn ein größerer Umbau erfolgt“ (= mehr als 10% der Fläche)
  • Die Mitnahme einer Begleitperson ist nicht mehr vorgeschrieben.
  • Sitzplätze für Begleitpersonen in unmittelbarer Nähe sind nicht mehr vorgesehen.
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