Dieses Büchlein - "Wien barrierefrei entdecken" - ist eine herbe Enttäuschung und das ist wirklich schade.
Die gefällige Aufmachung kann nicht über den dürftigen Inhalt, die oft unglücklich gewählten Objekte und die zahlreichen unnötigen Fehler hinwegtäuschen.
Dadurch entsteht beim Lesen der Eindruck der Lieblosigkeit und der Oberflächlichkeit. Manchmal sieht es sogar danach aus, als hätte der Herausgeber nicht wirklich verstanden, worauf es bei so einem Führer ankommt.
Aber schön der Reihe nach. Positiv an dem Führer ist, dass er nicht – wie so viele andere in diesem Bereich – mit Rollstuhl- und Krückengehersymbolen arbeitet, denn diese Piktogramme sind viel zu ungenau, wenngleich sie auch viel Platz einsparen helfen. Hier findet man die Angaben in Zentimeter, was den Betroffenen viel besser hilft, sich ein Bild darüber zu machen, was sieerwartet.
Ebenfalls recht gut gelungen ist die Vorstellung der ausgewählten Objekte mit jeweils einem Foto und auch die Angaben sind recht übersichtlich gestaltet.
Eher unklar ist die Zielgruppe des Führers: sind es die Touristen, dann sollten doch wenigstens die wichtigsten Infos auch zumindest in einer Fremdsprache zu lesen sein. Oder sind es eher die Wienerinnen und Wiener selbst, dann sollte es nicht nur Infos über Freizeitangebote, sondern auch über Parks, Sport- und Veranstaltungsstätten, Bäder, Bildungseinrichtungen, Beratungsstellen, Tagungsstätten, Ämter und Behörden, Behindertenorganisationen usw. geben.
„das soll verstehen wer will“
Wer nun, der Aufforderung des Buchtitels folgend, das „barrierefreie“ Gastronomieangebot entdecken möchte, verfällt in ungläubiges Staunen: die angeführten Lokale sind häufig nicht barrierefrei, es finden sich sogar Toiletten, die nur über Stufen erreichbar sind.
Nun ist Wiens Gastronomie zwar mehrheitlich nicht barrierefrei, aber warum barrierefreie Lokale wie das Michl´s oder das Cafe Landtmann im ersten Bezirk oder etwa die Lokale im Museumsquartier nicht aufscheinen, das soll verstehen wer will.
Überrascht erfährt der Leser auch, dass es in Cafes und Eissalons „Speisesäle“ gibt und in allen Lokalen „Stellplätze für Rollstuhlfahrer“ vorhanden sind – was immer dieses Wortungetüm auch bedeuten mag.
Dass die angeführten Hotels überwiegend dem oberen Preissegment angehören, ist völlig normal, denn die barrierefreien Ein- und Zweistern – Hotels sind leider Mangelware. Allerdings wäre die Angabe der Hotelkategorie nützlich gewesen und vor allem die Info, über wieviele Behindertenzimmer das Haus verfügt. Auch sollten es keine Zimmer sein, die als Rollstuhlfahrer gar nicht zu erreichen sind, weil der Lift extrem klein ist (Seite 30) oder wo die Duschwanne Höhen bis zu 35 cm erreicht (Seite 31).
Problematisch wird´s auch bei den angeführten Kinos: es ist nicht ersichtlich, wieviele Säle barrierefrei erreichbar sind und in welcher Reihe die Stellplätze (hier passt der Ausdruck) sind. Und dass sich der einzige „behindertengerechte“ Bankomat in der Volksbankfiliale in der Gersthoferstraße 63 befindet, das glaubt wohl außer den Autorinnen und Autoren nur die Volksbank selbst, von der dieser Unsinn auch stammt. (Der Bankomat ist nicht behindertengerecht, sondern nur tiefer montiert).
Schade
Die obligate Antwortpostkarte, auf der die Leserinnen und Leser ihre Anregungen, ihre Kritik und ihre Ergänzungen mitteilen können, wird auch vermisst. Ich glaube, die Betroffenen haben sich etwas Besseres verdient. Schade, dass die Mittel der sogenannten Behindertenmilliarde in diesem Fall nicht besser angelegt worden sind.
Der Führer ist bei der ITS Laube, Siebensterngasse 31/7, 1070 Wien, gratis erhältlich. Bei Versand fallen Portospesen an. Info: 01 / 513 60 34, Fax: 513 60 34 20, office.vie@sozialdata.at
Hans,
13.06.2006, 11:31
Folgende Reaktion von ITS habe ich gerade in der Zeitschrift „monat“ der ÖAR entdeckt: „Wir danken BIZEPS – einer Organisation, die sich, wie wir, seit langer Zeit für die Anliegen von Menschen mit Behinderungen einsetzt – für die wertvollen und konstriktiven Anregungen für die aktualisierte Ausgabe des Wienführers. Diese wird in Bälde online erscheinen, womit wir auch dem Wunsch nach Mehrsprachigkeit Rechnung tragen (Übersetzungsmöglichkeit). Selbstverständlich sind uns weitere Tipps über barrierefreie Objekte in Wien sehr willkommen – bitte unter der Telefonnummer 01/513 60 34 an uns weiterleiten. Das Team von IST Wien“
Alexandra,
30.05.2006, 20:56
** Welche Behindertenverbände haben mit gewirkt? Wie man sieht, Keine, sonst wäre das „Werk“ wohl anders ausgefallen.
** Wenn nicht, warum nicht? **
Ist es denn nicht, wie mit vielen anderen Sachen im Leben von behinderten Menschen? Betroffene selbst, haben wenig mitzureden, es ist leichter über sie zu reden. Anscheinend wissen die Nicht-Betroffenen besser, was Betroffene brauchen und dann kommt eben so ein Papier-Müll raus. Vielleicht haben sich auch die Betroffenen selbst zu wenig engagiert? Es zeigt sich ja auch immer wieder, dass es leider unter den Verbänden wenig Eigeninitiative gibt. Verantowrtung abschieben ist halt sehr bequem und leider verbreiteter, als man denk. Such dir also eine Variante aus, eine Mischung aus Beiden, denk ich mal.
** Wie hätte man behinderte Menschen in die Erhebung einbinden können? **
Aber sicher doch, aber das hätte mehr Aufwand bedeutet und wäre vielleicht auch etwas kostspieliger geworden. Betroffene zu finden, die sich dafür zu Verfügung stellen, hätten sich sicher schnell gefunden. Vielleicht finden sich ja andere unabhängigere Projekte und Organisationen, die sich so einem „Problem“ stellen.
** Warum wurde nicht nach dem dänischen System gearbeitet (Blinde, Sehbehinderte, hörbehinderte,Lernbehinderte, Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte) sind Vertreter in der Erhebung? **
Andre Länder, andre Sitten? Das ist eine Mentalitätsfrage. Österreich ist was aktive Behindertenbewegung betrifft, schon nicht schlecht, aber dennoch noch am Anfang. Was uns nordische Länder voraus haben, müssen wir erst erlernen.
Johann Kreiter,
29.05.2006, 17:06
Eines hatte ich noch vergessen. Ich war schon relativ oft in Wien und habe mich trotz nicht 100% barrierefreiheit „Sauwohl gefühlt“, vielleicht auch gerade deswegen. Aber mir kommt es so vor, als ob behinderte Menschen in das barrierefreie „Planen und Bauen“ nicht integriert sind. Da ist unser Stuttgarter Modell ein gutes Beispiel. Hier sind alle Behindertenverbände in der Interessengemeinschaft „Planen und Bauen“ involviert und somit ist auch sicher gestellt das bereits in der Planungsfase barrierefreiheit mit geplant wird.
Johann Kreiter,
29.05.2006, 17:00
Es stellt sich hier doch die Frage, wer war verantwortlich? Welche Behindertenverbände haben mit gewirkt? Wenn nicht, warum nicht? Wie hätte man behinderte Menschen in die Erhebung einbinden können?
Warum wurde nicht nach dem dänischen System gearbeitet(Blinde, Sehbehinderte, hörbehinderte, Lernbehinderte, Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte) sind Vertreter in der Erhebung?
Viele „w“,die beantwortet werden müssen.
Kornelia Götzinger,
26.05.2006, 23:14
Es freut mich, daß auch Manfred Srb seine Bedenken zum vorliegenden Führer hat. Schon beim ersten Durchblättern sind mir 13 (!) Fehler aufgefallen. Ich habe den Eindruck, daß bei diesen Begehungen KEIN Rollstuhlfahrer dabei war – vielleicht können mich die Projektverantwortlichen von ITS-Laube darüber aufklären, wie es tatsächlich war. Schade finde ich, daß so viel Geld für ein fehlerhaftes Produkt von den öffentlichen Stellen investiert wurde und daß die ÖAR für diesen Führer ihren Namen hergibt.
Alexandra,
24.05.2006, 10:58
Nun ja, Führer zum Thema Barrierefrei sind immer schwierig zu gestalten, wenn man keine Betroffene miteinbindet. BIZEPS hat etliche Mitglieder, davon die meisten sicher in Wien, warum kann BIZEPS nicht einen eigenen Führer herausbringen. Zudem wären wirklich alle geholfen und wenns sich der gut verkaufen läßt, dann kommt sogar nochwas in den Vereinstopf zurück.
Ich wäre jedenfalls gerne bereit, BIZEPS zu helfen. Ich kenne Wien zwar nicht so gut, aber hätte kein Problem mal einige Klos zu testen oder eben Lokalitäten. Und wenn schon Kritik geübt wird, dann sollte man schon Verbesserungsvorschläge machen.
Wolfgang Skowronek,
23.05.2006, 13:45
Der Führer ist nicht besonders gut, aber der einzige mir bekannte. Da ich immer wieder Lokale suche, brauche ich ihn. Berechtigte Kritik ist gut, einen optimalen Führer zu machen, wäre besser!
Anonymous,
22.05.2006, 14:07
Man muss sich aber fragen ob es wirklich sinnvoll ist, dann einen Führer zur Barrierefreiheit zu haben der nicht wirklich zu gebrauchen ist … Warum wurde nicht umfassender und intensiver recherchiert? Der Ansatz ist gut, doch leider ist das Produkt kaum zu gebrauchen und schwer Touristen zu empfehlen.
Wolfgang Skowronek,
22.05.2006, 08:26
Herr Srb hat zwar leider recht, aber mir ist kein anderer derartiger Wien-Führer bekannt.