Will Ministerin Gehrer Integration verhindern?

Themenwechsel

Gehrer als Integrationsgegnerin
Feyerer-Fleischanderl, Margit

„Was kann man mit dem Schilling tun, wenn der Euro kommt ?“ fragen sich wahrscheinlich Viele und „Licht ins Dunkel“, das Rote Kreuz und die Bildungsministerin geben dazu eine Antwort: „Das große Geld umtauschen, das Kleingeld für behinderte Menschen spenden.“ Was hat das mit Integration zu tun, werden Sie nun vielleicht fragen?

Vom 28. Mai – 13. Juni 2001 wurde an den 6.200 österreichischen Schulen gesammelt – 1,5 Millionen Schülerinnen und Schüler in 75.000 Klassen waren in diese Spendenaktion involviert. Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP): „Diese Aktion ist nicht nur ein guter Anlaß, über die Währungsumstellung zu informieren, sondern auch ein wertvoller Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung. In einer menschlichen Gesellschaft hat soziale Kompetenz einen wichtigen Stellenwert.“

Nur schöne Worte?
Schöne Worte; zweifellos. Genauso schöne Worte finden sich in der Regierungserklärung von ÖVP und FPÖ, wenn dort als Ziel formuliert ist: „Bessere gesellschaftliche Integration von benachteiligten Gruppen“.

Am 8. Juni 2001 wurde im Parlament über die Weiterführung der Integration abgestimmt. Bekanntlich wurde 1993 die Integration in der Volksschule und 1997 in der Unterstufe als Recht eingeführt. Nun müßte der nächste Schritt – die 9. und alle weiteren Schulstufen folgen, die bisher nur als Schulversuch ermöglicht wurden.

Das Recht des Stärkeren
Die Regierung will aber gar kein Weiterführen der Integration an allen weiterführenden allgemein- und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, Berufsschulen und Fachschulen, sondern drückt ihr Integrationsverständnis klar aus: Geplant war eine Integration NUR an der Polytechnischen Schule und das nur unter inakzeptablen Rahmenbedingungen (5-7 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Klasse).

Selektive Integration?
Somit ist die Frage in der Überschrift schon beantwortet. Nein, Gehrer will die Integration nicht verhindern, aber SIE möchte bestimmen, wo und wie SIE es für richtig hält, daß behinderte Menschen eine Chance bekommen. Das ist ein überhebliches Integrationsverständnis. Dieser Standpunkt basiert auf dem Prinzip der Aussonderung und dem Recht des Stärkeren. Integration nur für „Auserwählte“?

Keine Aussonderung!
Integration:Österreich fordert die uneingeschränkte Weiterführung des integrativen Unterrichts in und nach der 9. Schulstufe in allen Schultypen, d. h. an allgemein- und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, an Fach- und Berufsschulen. Der von der Regierung vorgelegte Entwurf der Integration NUR an der Polytechnischen Schule wurde daher entschieden abgelehnt. Auch die SPÖ sprach sich vehement gegen den Gesetzesentwurf der Regierung aus und forderte – wie Integration:Österreich – in einem Antrag die umfassende Integration.

Kein Ausweg
Weil einerseits die derzeit durchgeführten Schulversuche auslaufen und andererseits die Regierung keine Integration – außer an der Polytechnischen Schule – wollte, wurden die Integrationsbewegung und die Opposition massiv unter Druck gesetzt. Nach dem Prinzip „Entweder das oder gar nichts“ versuchte die Regierung, ihren Standpunkt durchzusetzen.

Für einen erfolgreichen Beschluß benötigt die Regierung eine 2/3 Mehrheit, die sie ohne der SPÖ aber nicht hat. Am Höhepunkt der Diskussion warfen daher Bildungsministerin Gehrer, Behindertensprecherin Rauch-Kallat und Bildungssprecher Amon (alle ÖVP) der SPÖ vor, die Integration zu verhindern, weil sie der aussondernden Regierungsvorlage nicht zustimmen wollte.

Das Ergebnis
Da die SPÖ konsequent auf Linie der Nichtaussonderung bestand, wird es nun keine Integration NUR an der Polytechnischen Schule geben. Weil die Regierung keine umfassende Integration will, gab es keine erforderlichen Mehrheiten und es wird nun weiterhin nur Schulversuche geben. Enttäuschend verhielten sich die Grünen, die gemeinsam mit ÖVP und FPÖ für eine selektive Integration gestimmt hatten.

Menschenrechte sind unteilbar
Während einerseits für behinderte Kinder Geld gesammelt wurde, wurde andererseits die umfassende Integration von Bundesministerin Gehrer verhindert. Ist das ihr Integrationsverständnis? Versteht sie unter soziale Kompetenz nur das Spenden von Geld? Um nochmals auf die anfangs erwähnte Spendenaktion zu kommen, sei hier festgehalten: „Nicht der Schilling braucht eine Chance, die behinderten SchülerInnen brauchen sie !“

Reaktionen
Wir baten einige Tage vor der Abstimmung die Parteien, sich für eine Integration in allen Schultypen zu entscheiden und erhielten folgende Antworten:

Der Bildungssprecher der ÖVP, Werner Amon bekräftigte die Ablehnung der ÖVP mit der Aussage: „Der Integration von geistig Behinderten in der AHS und BMHS stehe ich aber ablehnend gegenüber“. Die Integration NUR an der Polytechnischen Schule ist für ihn eine „sachlich gebotene Differenzierung“.

Für die SPÖ schrieb uns deren Behindertensprecherin, Mag. Brunhilde Plank, daß für die SPÖ Integration nicht als Sackgasse verstanden wird, sondern als Menschenrecht. Folgerichtig – so kündigte sie an – werde die SPÖ dem Regierungsentwurf nicht zustimmen.

Die Grünen haben der selektiven Integration zugestimmt, weil sie befürchteten, daß „keinerlei Regelung“ verankert wird. Deren Bildungssprecher, Dieter Brosz, hat uns wissen lassen, daß die Grünen „auch in Zukunft auf die Notwendigkeit einer umfassenden Integration aufmerksam“ machen.

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