Willfährige Ärzte im Dienst der Nazi-Ideologie

Hans-Henning Scharsach, Die Ärzte der Nazis, öS 298,-, 256 Seiten, Verlag Orac, Wien 2000

Heinrich Gross
APA

Lange haben Öffentlichkeit und vor allem politisch Verantwortliche der Lüge Glauben geschenkt, die große Mehrheit der damaligen Mediziner habe das Nazi- Regime unpolitisch zu überdauern versucht. Und als dies widerlegt war, konzentrierte sich das Interesse nur auf Einzelne wie etwa den Auschwitz-Arzt Josef Mengele, der zum Synonym medizinischer Verbrechen im Dritten Reich wurde.

Das wahre Ausmaß der Verbrechen, für die NS-Ärzte verantwortlich zeichnen, ist jedoch gewaltiger als bisher angenommen, wie Hans-Henning Scharsach in seinem neuen Buch „Die Ärzte der Nazis“ aufzeigt, das kurz vor Beginn des Wiener Euthanasie-Prozesses gegen den ehemaligen Nazi-Arzt Heinrich Gross erschienen ist.

Bis zu 45 Prozent der damaligen Ärzte waren Mitglieder der NSDAP, 26 Prozent gehörten der SA und sieben Prozent der SS an. Nicht nur deutsche, sondern auch österreichische Mediziner. Beinahe 300 Ärzte nennt der Autor namentlich.

Das Buch schildert die Entwicklung jener rassenbiologischen Ideologie, die zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben unterscheidet und die Grundlage für die organisierten Massenmorde von körperlich und geistig behinderten Kindern und Erwachsenen war. Am Beispiel von den als „Kinderfachabteilungen“ getarnten Tötungsanstalten der Nazis, etwa dem Wiener Spiegelgrund, wird Leid und Schicksal der Betroffenen und die Vorgangsweise der Handelnden beschrieben. Das Buch dokumentiert die menschenverachtende „Arbeit“ von KZ-Ärzten und Anstaltsmedizinern: Kastrationen, Sterilisationen, Menschenversuche, Impfexperimente und medizinisches Töten.

Aufgezeigt wird aber auch der Unwillen von Justiz und Politik, die Verbrechen der Nazi-Ärzte nach Kriegsende anzuklagen und aufzudecken, sowie der dadurch mögliche gesellschaftliche Aufstieg der Täter.

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