Mit einer überraschenden Ankündigung hat dieser Tage der ÖVP-Klubobmann, Mag. Wilhelm Molterer, in einer Pressekonferenz aufhorchen lassen.
Der ÖVP-Klubobmann berichtet von „Projekten, die im Parlament noch zu erledigen sind“ und nennt wiederholt „in diesem Zusammenhang unter anderem das Behindertengleichstellungsgesetz, das Energie-Versorgungssicherheitsgesetz und die Schwerarbeiterregelung“.
Und weil er so richtig in Schwung – und Vorwahlkampflaune – ist, sagt er als noch zu erledigende Arbeit (samt Erfolge) des Parlaments vor der Sommerpause voraus: „Ein wesentlicher Beitrag zur Gleichstellung werde mit dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz gelegt.“
„Die innenpolitische Arbeit in Österreich ist auf gutem Weg“, so Molterer weiter. Nach Details sollte man aber besser nicht fragen.
Peinlich für den ÖVP-Klubobmann
Der geschätzten Aufmerksamkeit des ÖVP-Klubobmanns Molterer dürfte es nämlich entgangen sein, dass sein Klub das von ihm genannte Behindertengleichstellungsgesetz nicht noch vor dem Sommer beschließen muss. Sein Klub hat das Behindertengleichstellungsgesetz schon im Sommer des Vorjahres beschlossen und es ist bekanntlich seit 1. Jänner 2006 in Kraft.
So gänzlich daneben lag Molterer aber nicht. Es gibt schon „irgendwas“ im Bereich Behinderung, zu dem die ÖVP vor dem Sommer noch zustimmen wird. Es handelt sich aber nur um ein kleines Begleitgesetz zum Behindertengleichstellungsgesetz.
Auch Profil berichtet diesen Unsinn
Unter der Überschrift „Koalition im Endspurt – was die Regierung noch an neuen Gesetzen beschließen möchte“, vermeldet das Nachrichtenmagazin Profil am 14. April 2006 sichtlich ebenso uninformiert: „Noch im April soll im Plenum des Nationalrates die neue Regelung für die Frühpension von Schwerarbeitern beschlossen werden, ebenso das Behinderten-Gleichstellungsgesetz.“
Vorgänge stimmen nachdenklich
Dass vielen in der ÖVP der schwache Inhalt des Behindertengleichstellungsgesetzes egal war, ist leider bekannt. Aber das nun anscheinend auch schon die bloße Existenz des Behindertengleichstellungsgesetzes zum Insiderwissen mutiert, stimmt nachdenklich.
meia,
20.04.2006, 11:21
Lieber Franz Joseph! Daß Du Deinen Parteiklubobmann verteidigst, ist verständlich, die Kritik an der Regierungspartei(ie) und Molterer ist jedoch KEINE gewagte Frechheit – denn wer so polemische PK und Parlamentsreden von sich gibt, sollte in einer Pressekonferenz bzw. Aussendung Kompetenz zeigen.
Persönliches Sozialengagement spricht Molterer niemand ab – jedoch wie auch Du weißt – ein Meilenstein ist weder das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz noch das Begleitgesetz – Oder glaubst Du, daß mit Schokoladen mehr Integration entsteht? War ein guter Gag – mehr nicht! Der Artikel 7 (Verfassungsänderung 1997) war ein Meilenstein – doch diesmal macht man zu viele kleine Schritte – oft sogar Rückschritte, wenn die finanziellen Rahmenbedingungen schlechter werden und es kostengünstiger wird Strafe zu bezahlen, z. B. bei Nichteinstellung von behinderten Menschen, – langwierigen Schlichtungsverfahren wobei man zwar bei Diskriminierung persönlich Geld herausschlagen kann, jedoch die Diskriminierung nicht beseitigt werden muß.. Der Gesetzgeber hat schon auf seine Klientel sehr Rücksicht genommen – kosten soll es möglichst nichts bzw. wenig.
Manchmal denke ich mir, besser KEIN solches Gesetz als so eines … Jedoch warten wir es ab, nach wie vielen Novellierungen .. und ob in 10 Jahren … oder wenn die USA, China, und Russland in der EU sind.. und überall gleiche Standards, Rahmenbedingungen gelten.
Wolfgang Gerstl,
19.04.2006, 22:37
Gerade im Behindertenbereich wird immer überparteiliche Zusammenarbeit gewünscht und beschworen. Da macht es meiner Meinung nach wenig Sinn, Aussagen, die wie parteipolitisch motiviert aussehen, ausgerechnet KO Molterer, der als ein Kämpfer für soziale Anliegen bekannt ist, mangelndes Interesse für die Bedürfnisse behinderter Menschen zu unterstellen. Ob damit der Sache geholfen werden kann???
Franz Huainigg,
19.04.2006, 12:39
Liebe Leute, lieber Martin! Was hier betrieben wird, ist Haarspalterei. Klubobmann Molterer zu unterstellen, dass er nicht weiß, dass das Behindertengleichstellungsgesetz schon verabschiedet worden ist, ist mehr als eine gewagte Frechheit.
Gerade Klubobmann Molterer hat sch in den Verhandlungen dafür eingesetzt, dass es überhaupt zu diesem Gesetz gekommen ist. Auch dass die Gebärdensprache anerkannt ist, hat er politisch stark mitforciert.
In seiner Mediendarstellung hat er offenbar das Wort Begleitgesetz weggelassen. Vielleicht sein Fehler, vielleicht aber auch die vereinfachte Mediendarstellung. Das Begleitgesetz als Kleinigkeit zu bezeichnen ist schon sehr dreist. Immerhin werden Beufszugänge geöffnet, die behinderten Menschen seit Jahrzehnten verwehrt worden sind. Nunmehr sollen gehörlose LehrerInnen oder blinde RichterInnen möglich werden.
Martin Ladstätter,
19.04.2006, 10:07
@Franz Karl: Zeitungen zitieren leider oft falsch. Aber der zitierte Text ist aus einer Original ÖVP-Aussendung (habe nun auch den Link eingefügt, damit man selbst nachlesen kann).
Als Autor überlasse ich es den Leserinnen und Lesern, ob es kleinlich ist, das Gleichstellungsgesetz (das von der ÖVP als „Meilenstein“ bezeichnet wurde) mehrfach mit einem einfachen Begleitgesetz zu verwechseln.
josef fraunbaum,
19.04.2006, 09:02
herr molterer hat diesfalls das gemacht, wofür das behindertengleichstellungsgesetz am besten geeignet ist: „es ist zum vergessen!“. leider. nicht nur molterer, die ganze övp hat mit diesem gesetz auf die behinderten menschen vergessen!
meia,
19.04.2006, 08:44
Lieber Franz Karl, LAbg.a.D. der Wr.ÖVP, ehemaliger Wr Behindertensprecher!
Also wenn tatsächlich Molterer in der PK „Begleitgesetz“ vergessen haben sollte, was ich nicht bezweifle, denn wenn Martin Ladstädter so einen Artikel schreibt, wird das stimmen, ist die Kritik nicht kleinlich, sondern mehr als berechtigt, da es zeigt, dass der Klubobmann KEINE Ahnung hat, was die Regierung beschlossen hat. Als ich den Artikel gelesen habe, war ich sehr sauer, da es wieder zeigt, wie wichtig tatsächlich die Sache für die Kanzlerpartei ist – nämlich Wahlkampf und nicht sinnvolle Sachkenntnis, die den Betroffenen tatsächlich effektiv hilft. Oder haben Schüler und Studenten kein Recht auf Integration – auf die wurde im Begleitgesetz absichtlich aus Kostengründen „vergessen“. Gleichstellung Ja, aber kosten soll es nichts. Aber jetzt kann man zumindest dem unwissenden Wahlvolk ein Gleichstellungsgesetz „verkaufen“, dem allerdings auch dem noch zu beschließendem Begleitgesetz „die Zähne“ gezogen wurden.
Franz Karl,
19.04.2006, 08:11
Kleinlich. Ich kann nicht nachvollziehen, ob dass eine ÖVP-Presseaussendung war oder ganz einfach „in der Zeitung stand“. Meine Erfahrung mit der Ungenauigkeit von Journalisten ist Legion. Aber selbst wenn Molterer „Begleitgesetz“ vergessen haben sollte zu sagen, ist obige Kritik KLEINLICH. Bitte sich wieder auf Wesentliches zu konzentrieren!! LAbg.a.D. Franz Karl, ehemaliger Wiener Behindertensprecher
Franz Werfel,
17.04.2006, 15:58
Wir haben in Österreich, dank einzelner Kammer-Stalinisten der schwarzen Reichshälfte kein Behinderten-Gleichstellungsgesetz. Das Gesetz, das diesen Namen trägt, ist eher ein Kammer-Befriedigungsgesetz. Es freut mich, daß nun sogar Herr Molterer dies bemerkt hat. Dies bedeutet viel!!!
Manfred Fischer,
17.04.2006, 11:13
Diese Aussage von ÖVP-Klubobmann Molterer stellt klar, dass sich diese Regierung wenig bis gar nicht um die Inhalte der beschlossenen Gesetze kümmert. Es geht ihr nur darum, wie sie PR-mäßig daraus Kapital schlagen kann.
Da reicht es für den Klubobmann, wenn er weiß, dass etwas für „die armen Behinderten“ getan wird oder schon wurde?? Egal, Hauptsache wir sind Wohltäter. Bitte aufwachen! Die Wähler sind schon wach.